
Die therapeutische Behandlung von Krebspatienten mit Protonen oder Schwerionen, wie sie am HIT seit November 2009 durchgeführt wird, bietet gegenüber der konventionellen Strahlentherapie einige bedeutende Vorteile. So weisen Protonen sowie auch Schwerionen eine inverse Tiefendosiskurve auf, wodurch eine hohe Dosisdeposition im Tumorgewebe bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes erreicht werden kann. Da der Strahl am HIT im sogenannten “intensitätsmodulierten Rasterscan-Verfahren” über das gesamte Zielvolumen gerastert wird, können Tumore mit höchster Genauigkeit bestrahlt werden.
Diese hoch präzise Therapiemethode benötigt jedoch auch eine genaue Dosimetrie, um die applizierte Dosis zu bestimmen und zu verifizieren. Messgröße in der Dosimetrie ist die Wasserenergiedosis, die üblicherweise mit Hilfe von kalibrierten Ionisationskammern bestimmt wird.
In Ionenstrahlen weisen die Ionisationskammern jedoch eine deutlich höhere Messunsicherheit auf als in hochenergetischen Photonenstrahlen. Die relative Standardmessunsicherheit bei der Dosisbestimmung beträgt ca. 3 % und ist damit etwa dreimal so groß wie bei Photonen [1].
Dieser Unterschied entsteht maßgeblich durch die hohe Unsicherheit des kQ-Faktors für Ionenstrahlen. Er beschreibt das unterschiedliche Ansprechvermögen von Ionisationskammern auf die verwendete Strahlungsqualität Q im Vergleich zur Referenzstrahlungsqualität Q0 (üblicherweise 60Co). Der Hauptgrund für dessen hohe Unsicherheit ist das Fehlen eines Primärstandards, bisher wird der kQ-Faktor durch theoretische Berechnungen sowie teilweise durch Monte-Carlo-Simulationen bestimmt.
Innerhalb einer früheren Arbeit [2] konnten kQ-Faktoren für Ionisationskammern erfolgreich experimentell im flachen Eingangsbereich der Tiefendosiskurve eines Kohlenstoffstrahls bestimmt werden. Eine Standardmessunsicherheit von 0,8% wurde dabei erreicht.
Als Weiterführung dieses Projektes werden jetzt kQ-Faktoren im Spread-Out Bragg Peak (SOBP) eines Kohlenstoffstrahls bestimmt. Hierzu wird wiederum das portable PTB-Wasserkalorimeter [3] zur Bestimmung der Wasser-Energiedosis verwendet.
Die Erzeugung eines SOBPs durch ein aktiv gescanntes Strahlungsfeld inkl. Energievariation würde die gesamte Scanzeit jedoch deutlich verlängern, der Einsatz der Wasserkalorimetrie wäre nur mit erheblich größeren Messunsicherheiten möglich.
Daher wird der SOPB passiv mit Hilfe eines Reichweitenmodulators erzeugt. Dieser besteht aus vielen pyramidenförmigen Pins mit einer Grundfläche von 1,5 x 1,5 mm2 und einer Höhe von ca. 5 cm [4], wodurch die einzelnen Ionen, je nachdem an welcher Stelle sie einen der Pins durchtreten, unterschiedlich stark abgebremst werden. Dadurch wird der zuvor monoenergetische Strahl in seiner Reichweite moduliert und ein SOBP mit ca. 5 - 6 cm Tiefe erzeugt.
Um den durch die Wärmedispersion verursachten Beitrag zur Messunsicherheit gering zu halten, ist ein möglichst homogenes Strahlungsfeld am Messort des Kalorimeters erforderlich. Erste Messungen zeigten, dass eine relative Standardabweichung der Dosiswerte in einem Umkreis von 15 mm um den Messort von 1,0% zu erreichen ist durch die Überlagerung von vier einzelnen Feldern gleicher Energie. Dabei besteht jedes einzelne Feld aus 35 x 35 Spots mit einer Spot-Halbwertsbreite von 6 mm und einem Spotabstand von 2 mm. Die Felder sind um jeweils einen Millimeter in x-Richtung, y-Richtung bzw. x- und y-Richtung gegeneinander verschoben.
Für die Wärmeleitungskorrektion ist die genaue Kenntnis des Strahlungsfeldes erforderlich. Um dieses detailliert zu vermessen und zu charakterisieren wurde das bereits vorhandene Ersatz-Phantom, das die realen Messbedingungen des Kalorimeters „im Trockenen“ nachbildet [2], verwendet. Da die Messungen im SOBP nun in einer Wassertiefe von 10 cm durchgeführt werden, wurde das Phantom durch zusätzliche RW3-Platten mit einer Gesamtdicke von 48,8 mm angepasst. Mit Hilfe des zweidimensionalen Ionisationskammer-Arrays “Octavius 1000P” von PTW kann das Strahlungsfeld dann in verschiedenen Wassertiefen (nachgebildet durch RW-3 Platten) charakterisiert werden.
Um wesentlich realistischere Messbedingungen zu erhalten, und um die Zeit zwischen zwei Messungen, die zum Austauschen der RW-3 Platten benötigt wird, deutlich zu verkürzen, wird z. Zt. ein Wasserphantom inkl. motorgesteuertem Antrieb entwickelt, mit dem das Array direkt in Wasser in unterschiedlichen Tiefen positioniert werden kann.
Zur weiteren Verifikation der Ergebnisse der Strahlungsfeldmessungen sind zusätzlich Messungen mit Gafchromic EBT-3 Filmen geplant. Die Filme werden mit Hilfe der Drei-Kanal-Methode ausgewertet, bei der durch die Bestimmung des sogenannten “Störfaktors” der Dosis-unabhängige Teil der gescannten optischen Dichte vom Dosis-abhängigen Teil getrennt werden kann [5].
Nach Optimierung und detaillierter Bestimmung der Strahlungsfeldparameter erfolgen die Messungen mit dem Wasserkalorimeter zur Bestimmung der Wasser-Energiedosis und anschließender Bestimmung der kQ-Faktoren von Ionisationskammern.
Referenzen
- IAEA TRS-398, V.12 (2006)
- J.-M. Osinga-Blättermann et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017) 2033–2054
- A.Krauss, Metrologia 43 (2006), 259-272
- Y.Simeonov et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017), 7075-7096
- A. Micke et al, Med. Phys. 38(5) (2011), 2523-2534
AnsprechpartnerA. Krauss, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23,
K. Holm, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23