
Im Rahmen des vom BMBF unterstützten Verbundforschungsprojektes "ACCIS" soll mittels eines energieselektiven Radiografieverfahrens mit Neutronen- und Gammastrahlung die lokale Konzentration von bestimmten Elementen (C, N, O und H) bestimmt werden, um damit verbotene Stoffe in Frachteinheiten (kleineren Containern, Palettenfracht etc.) aufzuspüren und zu identifizieren. Die Elementverteilung wird aus einem komplexen mehrdimensionalen Datensatz rekonstruiert, der neben der Ortsinformation eines detektierten Neutrons und Gammaquants auch dessen Energie enthält. Die Elementrekonstruktion basiert auf einem statistischen MCMC (Marcov Chain Monte Carlo) Verfahren. Dieses wurde auf der Basis der im Fachbereich bereits erprobten und vielfältig eingesetzten Software WinBUGS implementiert und mit verschiedenen experimentellen und simulierten Datensätzen getestet und optimiert. Ein großer Vorteil der Methode gegenüber anderen Entfaltungsverfahren besteht darin, dass auch eine quantitative Aussage zur Unsicherheit der detektierten Stoffmenge ermittelt wird und anhand des Verhältnisses der absoluten Menge zu ihrer Unsicherheit können zuverlässig falsch-positive Treffer ausgesondert werden (falsch-positiv sind Stoffe, die in der Probe definitiv nicht enthalten aber laut Rekonstruktion der simulierten oder gemessenen Daten angeblich doch vorhanden sind).
Neben der noch nicht abgeschlossenen Analyse von experimentellen Daten aus Durchleuchtungsmessungen von Testcontainern an der Beschleunigeranlage der PTB (PIAF) wurden zur Evaluation und Optimierung der Methode insbesondere Datensätze rekonstruiert, die aus der numerischen Simulation von Durchstrahlungsbildern von Luftfrachtcontainern mittels des GEANT Programms gewonnen wurden. Ein weiteres wesentliches Ziel dieser Arbeit war die Ermittlung der Detektionsempfindlichkeit bzw. der falsch-positiv Detektion bei einer gegebenen Neutronenfluenz und für unterschiedliche Beladungen des Containers. Damit hängt, was wichtig für die Praxis ist, unmittelbar die erforderliche Inspektionszeit zusammen, die bei gegebenem Strahlungsgenerator und Bestrahlungsgeometrie mindestens erforderlich ist um das gewünschte Detektionsergebnis zu erzielen.
Dazu wurden die Simulationsergebnisse, die zunächst bei einer sehr hohen Neutronenfluenz nur geringe statistische Unsicherheiten aufweisen, durch Aufmodulieren statistischer Unsicherheit auf die Transmissionsspektren stufenweise "verschlechtert" und dann mit Hilfe des Rekonstruktionsalgorithmus zurückentfaltet und die Ergebnisse mit den Eingabewerten verglichen. Abb.1. zeigt das Transmissionspektrum eines Containers innerhalb einer Detektorzelle bei einer Neutronenfluenz von 9⋅106 cm-2 in der Detektorebene (8 m Abstand von der Quelle) verglichen mit dem Spektrum, das mit einer statistischen Unsicherheit belegt wurde, die einem Prozent dieser Fluenz entspricht.
Abb. 2 und Tab.1 zeigen die Ergebnisse der Berechnung eines mit Baumwolle gefüllten Containers und einer eingebetteten Stickstoffprobe (Abb. 2) sowie Proben aus weiteren Elementen (Tab. 1) bei der geringsten von uns gerechneten Neutronenfluenz von 9⋅104 cm-2 in der Detektorebene. Bestimmt wurden die rekonstruierten Häufigkeitsverhältnisse verschiedener relevanter Elemente zu den Vorgabewerten.
Eine wichtige Schlussfolgerung aus diesen Rechnungen ist, dass das Rekonstruktionsverfahren unerwartet robust auf statistische Unsicherheiten im Transmissionspektrum ist. Die berechnete Neutronenfluenz zur Erzielung eines Detektionslimits von ca. 300 g Sprengstoff ist damit um etwa einen Faktor 10 geringer als der Wert, der zu Beginn des Projektes durch analytische Abschätzung gewonnen wurde. Diese Abschätzung hätte nicht nur zu grenzwertigen Bestrahlungszeiten von 10 Minuten pro Container geführt, sondern auch zu Anforderungen an den Strahlungsgenerator, die an der Grenze des derzeit technisch realisierbaren liegen.
Einschränkend muss allerdings auch betont werden dass dieses gute Ergebnis nur auf solche Fracht zutrifft, die keine zu hohe Wasserstoffdichte aufweist. In der letzten Zeile der Tab. 1 ("H+Baumwolle"), bei der eine 10 cm lange Wasserstoffprobe mit einer Dichte von 0,3 g/cm3 eingebettet in Baumwolle untersucht wurde, ist das Rekonstruktionsergebnis mit bis zu 16 % Abweichung mangelhaft. In diesem Fall ist aufgrund der hohen Wasserstoffdichte das transmittierte Neutronensignal zu klein um statistisch aussagekräftige Werte zu liefern. Als Konsequenz daraus wird deshalb empfohlen, in einer praktischen Anlage die Scangeschwindigkeit nicht konstant zu lassen sondern die Bestrahlungszeit entsprechend der transmittierten Neutronenfluenz derart anzupassen, dass daraus aussagefähige Transmissionsspektren mit für das jeweilige Detektionsziel noch akzeptablen statistischen Unsicherheiten resultieren.
Abbildung 1: Gerechnete Neutronentransmission durch einen mit Baumwolle und einer Stickstoffprobe gefüllten LD3-Container als Funktion der Energie bei unterschiedlicher inzidenter Neutronenfluenz. Bei der niedrigen Fluenz sind die Schwankungen der Transmission deutlich sichtbar bestimmt durch die Zählstatistik, bei der hohen Fluenz dagegen dominieren die energieabhängigen Wirkungsquerschnitte der durchstrahlten Stoffe. Letztere tragen die für die Elementrekonstruktion relevante Information.
Abbildung 2: Vorgegebene (rot) und nach Bestrahlung aus den Transmissionsspektren rekonstruierte (blau) Häufigkeitsverteilung der Elementverhältnisse bei einer inzidenten Neutronenfluenz von 9⋅104 cm-2 im Abstand 8 m von der Quelle (Detektorebene).
Tabelle 1: Relative Abweichung der rekonstruierten Elementverhältnisse bei der geringsten gerechneten Neutronenfluenz von 9⋅104 cm-2 in der Detektorebene für die unterschiedlichen Proben im baumwollgefüllten LD3-Transportbehälter.