Wer bei Uhren an das Verstreichen von Stunden, Minuten und Sekunden denkt, liegt nicht falsch, aber auch nur halb richtig. Denn wer Uhren hat, um die Zeit besonders gut zu messen, kann damit viel mehr tun, als nur die Uhrzeit anzugeben:
- Navigieren: In der Satellitennavigation sind Atomuhren im Einsatz. Um sich oder ein Objekt zu lokalisieren, werden die Laufzeiten der ausgetauschten Signale ausgewertet. Prinzipiell gilt: Je präziser die Uhren ticken, umso genauer gelingt die Verortung.
- Das Schwerefeld der Erde vermessen: Atomuhren spüren sehr sensibel, wo sie sind. Nach Einsteins Relativitätstheorie beeinflusst die lokal wirkende Gravitation den Gang der Zeit und damit den Gang der Uhren. Eine Atomuhr tickt daher etwa auf Meereshöhe anders als auf einem Berg. Die besten heutigen Uhren registrieren bereits Höhenunterschiede von wenigen Zentimetern.
- „Neue Physik“ suchen: Unsere Welt ist, wie sie ist, weil Naturkonstanten sind, was sie sind. Änderten sich Naturkonstanten, änderte sich die Welt. Und so ist es eine fundamentale Frage, ob Naturkonstanten wirklich konstant sind. Da in Atomuhren auch Naturkonstanten eine Rolle spielen und das Zeitmaß beeinflussen, versucht man mit ihrer Hilfe, einer möglichen Änderung der Naturkonstanten auf die Schliche zu kommen.
Wer Forschung an und mit Atomuhren betreibt, hat alle diese Anwendungsfelder vor Augen, sei es in der Satellitennavigation, der Geodäsie, der Kommunikationstechnik oder der Grundlagenforschung.
Zeitgemäß: Angeregtes Atom (leuchtend)
in einer optischen Uhr
Die PTB hat eine über Jahrzehnte erarbeitete Expertise beim Bauen und Betreiben von Atomuhren und gehört zu den weltweit prominentesten Zeitorten. Dass die PTB mit ihren Atomuhren die nationale Zeit in Deutschland bereitstellt, ist dabei nur eine kleinere, wenn auch wichtige Aufgabe. Die weit größere ist die Entwicklung von Uhren für morgen. Sogenannte „optische Uhren“, die mit Frequenzen im sichtbaren Spektralbereich statt im Mikrowellenbereich arbeiten, sind hier der entscheidende Schritt zu den nächsten Uhrengenerationen, die etwa mit einzelnen oder einem kleinen Ensemble von neutralen oder geladenen Atomen (Ionen) arbeiten. Die Zeitmessung wird mit diesen optischen Uhren auf ein neues Präzisionsniveau gehoben, von dem alle zu erwartenden praktischen Anwendungen enorm profitieren werden – von den Höhenmessungen in der Geodäsie bis zur Synchronisation von Netzwerken mit hochgenauen Frequenzstandards. Für solche praktischen Anwendungen muss allerdings die äußerst empfindliche Technologie zur Bändigung der zugrundeliegenden Quantenzustände aus dem wohlbehüteten und mit viel Aufwand stabilisierten Grundlagenforschungslabor in die raue Umgebung der Praxis überführt werden, etwa aufs freie Feld in der Geodäsie (die Sr-Gitteruhr der PTB ist hier bereits im Einsatz) oder zur Nutzung als Frequenzstandard im Serverraum. Hierzu wurde an der PTB in einem Konsortium aus Industrie- und akademischen Partnern die erste und bisher einzige anwenderfreundliche, robuste und nah-kommerzielle optische Atomuhr im „opticlock“ Projekt realisiert.