Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Tragbarer Multi-Leaf-Faraday-Cup zur Qualitätssicherung in der Strahlentherapie mit geladenen Partikeln

Kategorien:
  • Abteilung 6
  • Jahresbericht-Nachricht
  • Metrologie für die Gesellschaft
  • Presse
23.12.2020

Auf Basis eines eigens für den Forschungs‑Elektronenbeschleuniger der PTB entwickelten Multi‑Leaf‑Faraday‑Cups zur Bestimmung der Energie hochenergetischer Elektronenstrahlung wurde ein weiterentwickeltes Modell fertiggestellt, kalibriert und erfolgreich getestet. Gegenüber dem Vorgängermodell ist das neuentwickelte Gerät tragbar und optimiert für die in der Strahlentherapie relevanten Elektronenenergien. Es wurde auch für den Einsatz bei klinischen Ionenstrahlen erfolgreich erprobt.

Zur Qualitätssicherung in der Strahlentherapie mit hochenergetischen Elektronen, Protonen oder Kohlenstoff‑Ionen muss die Strahlenergie regelmäßig überprüft werden. Dazu wird in der klinischen Routine die Dosis in Abhängigkeit der Eindringtiefe in einem Wasserphantom aufgenommen, da diese von der Energie abhängt. Diese Messungen sind sehr zeitaufwändig und erfordern teures Equipment.

Die Reichweite von hochenergetischen geladenen Teilchen, wie Elektronen oder Ionen kann aber auch mit Hilfe eines Multi‑Leaf‑Faraday‑Cups gemessen werden [1, 2]. Dabei wird die anfängliche Verteilung der vom Strahl in einem Festkörper deponierten Ladung in Abhängigkeit der Eindringtiefe bestimmt. Aus solchen Ladungsverteilungen kann die entsprechende Energie bestimmt werden.

Für den Forschungs‑Elektronenbeschleunigers der PTB wurde eigens ein MLFC‑Detektor entwickelt, um während der Präparation oder Optimierung eines Elektronenstrahls einer bestimmten gewünschten Energie und Strahlleistung diese Größen während der Anpassung der Einstellungen in Echtzeit beurteilen zu können [3 - 5]. Auf Basis dieser Arbeit wurde im vergangenen Jahr ein weiterentwickelter MLFC fertiggestellt, kalibriert und getestet. Gegenüber dem Vorgängermodell ist das neuentwickelte Gerät tragbar und optimiert für die in der Strahlentherapie relevanten Elektronenenergien. Abbildung 1 zeigt den neuen MLFC Detektor vor dem Elektronenapplikator eines klinischen Linearbeschleunigers.

Multi-leaf Faraday Cup Detektor

Abbildung 1: Neuer tragbarer MLFC Detektor vor klinischem Linearbeschleuniger.

Mit dem neuen Detektordesign kann auch die Energie von Protonen- und Kohlenstoffionen‑Strahlen im für die Ionenstrahl‑Therapie relevanten Energiebereich präzise und in Echtzeit ermittelt werden. Das neu entwickelte Gerät verfügt über eine autarke kompakte Ausleseelektronik mit Display, die auch per LAN ferngesteuert werden kann (Abb. 2).

Auslesegerät

Abbildung 2: Autarkes Auslesegerät des neuen tragbaren MLFCs.

Der MLFC-Detektor besteht hauptsächlich aus einem Stapel von 128 voneinander galvanisch isolierten Aluminium‑Platten, die senkrecht zur Einfallsrichtung der geladenen Teilchen stehen. Die Aluminium-Platten wirken wie Kondensatoren und speichern die Ladung, die die jeweilige Platte erreicht hat, bis sie von der Elektronik sequenziell ausgelesen wird, um die Ladungsmenge zu bestimmen. Aus der Verteilung der Ladung auf den Platten bzw. in den 128 entsprechenden Auslesekanälen wird die Strahlenergie bestimmt. Die Dicke der Platten wurden so gewählt, dass die Ladungsverteilungen von Elektronenstrahlen mit Energien im klinisch relevanten Bereich zwischen 3 und 25 MeV gut aufgelöst werden können.

Der neue tragbare MLFC wurde mit monoenergetischer Elektronenstrahlung am Ausgang eines 180‑Grad‑Magnetspektrometers am PTB Forschungs‑Elektronenbeschleuniger kalibriert. Dazu wurden Ladungsverteilungen in Abhängigkeit der bekannten Strahlenergien aufgenommen. Abbildung 3 zeigt die auf das Maximum normierte Ladung als Funktion der Plattennummer, wobei #1 die vorderste und #128 die hinterste Platte ist.

Diagramm Ladungsverteilungen Elektronenstrahlenergien

Abbildung 3: Ladungsverteilungen für verschiedene Elektronenstrahlenergien: auf Maximum normierte Ladung als Funktion der Plattennummer.

Das neue tragbare MLFC‑Systems wurde auch für den Einsatz bei klinischen Ionenstrahlen in Zusammenarbeit mit dem Ionenstrahl‑Therapiezentrum MedAustron (Wiener Neustadt) erprobt. Abbildung 4 zeigt gemessene Ladungsverteilungen für verschiedene klinische Protonenenergien. Im Gegensatz zu Elektronenstrahlen stoppen Ionen mit gleicher Primärenergie alle in der gleichen Materialtiefe, sodass die vom MLFC gesammelte Landung nur von wenigen Platten stammt. Da die Endringtiefe der Ionen bei klinischen Energien größer ist als die Dicke des gesamten Aluminium‑Plattenstapels des MLFCs wurde vor dem Detektor eine 3 cm dicke Aluminium‑Scheibe als Reichweitenmodulator platziert. Für Energien größer 160 MeV bzw. größer 220 MeV wurden 9 cm bzw. 15 cm dicke Aluminium‑Scheiben verwendet.

Diagramm Ladungsverteilungen Protonenenergien

Abbildung 4: Ladungsverteilungen bei verschiedenen Protonenenergien bei Verwendung einer 3 cm dicken Aluminium-Scheibe vor dem MLFC‑Detektor als Reichweitenmodulator.

Die Energie und die Ladung jedes einzelnen Spills des Synchrotrons (5 s langer Puls von Ionen) können so in Echtzeit aufgenommen werden. Prinzipiell sollte es möglich sein, die Position des Ladungsmaximums im MLFC gegen eine Messung der Position des Dosismaximums (Braggpeak) im Wasserphantom zu kalibrieren. Mit dem tragbaren MLFC wäre es möglich, sehr schnell und ohne großen Aufwand Messungen zur Überprüfung der Strahlenergie für die Qualitätssicherung durchzuführen. MedAustron plant in Zusammenarbeit mit der PTB einen MLFC Detektor permanent anstelle eines vorhandenen Strahlfängers zu installieren, um parasitär, während der Behandlung der Patienten, Messungen zur Überwachung der Energiestabilität durchführen zu können.

Literatur:

[1]        B. Gottschalk et al., “Nuclear interactions of 160 MeV protons stopping in copper: A test of Monte Carlo nuclear models”, Med. Phys. 26 (1999) 2597-2601. https://doi.org/10.1118/1.598799

[2]        K. Nesteruk et al., “Measurement of the Beam Energy Distribution of a Medical Cyclotron with a Multi‑Leaf Faraday Cup”, Instruments 2019, vol. 3, p. 4. doi: 0.3390/instruments3010004

[3]        C. Makowski und A. Schüller, Entwicklung und Kalibrierung eines Multi‑Leaf‑Faraday‑Cups für die Bestimmung der Energie des Elektronenstrahls des Forschungs‑Elektronenbeschleunigers der PTB in Echtzeit, Forschungsnachricht 2019

[4]        C. Makowski and A. Schüller, “Development and Calibration of a Multi‑Leaf Faraday Cup for the determination of the Beam Energy of a 50 MeV Electron LINAC in real‑time” in Proceedings of IBIC2019, Malmö, Sweden, MOPP004; https://doi.org/10.18429/JACoW-IBIC2019-MOPP004

[5]        Zum Patent angemeldet: PCT/EP2019/065254

 Ansprechpartner:

Opens local program for sending emailC. Makowski, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21

Opens local program for sending emailA. Schüller, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21

Kontakt

Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dr. Dr. Jens Simon

Telefon: (0531) 592-3005
E-Mail:
jens.simon(at)ptb.de

Anschrift

Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Bundesallee 100
38116 Braunschweig