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Entwicklung von Messverfahren

Entwicklung von Messverfahren für die Dosimetrie in kleinen und irregulär geformten Strahlungsfeldern

Ein Ziel der modernen Strahlentherapie ist die Erzeugung einer möglichst tumorkonformen Dosisverteilung, mit der sich die durch Bestrahlung gesunden Gewebes erzeugten unerwünschten Nebenwirkungen weitestgehend vermeiden lassen. Solche Dosisverteilungen zeichnen sich in der Regel durch kleine Abmessungen (im cm- oder mm-Bereich) und große Dosisgradienten aus; sie unterscheiden sich daher stark von den Dosisverteilungen, die in den Dosimetrieprotokollen DIN6800-2 oder IAEA TRS-398 für die Messung der Dosis unter Referenzbedingungen empfohlen werden.

Im Hinblick auf Qualitätssicherung und Patientenschutz ist es erforderlich, auch in kleinen und komplexen Strahlungsfeldern mit den oben genannten Eigenschaften zuverlässig und mit kleiner Unsicherheit die Dosis zu messen. Hierfür sind jedoch die für die Referenzdosimetrie in den Dosimetrieprotokollen DIN 6800-2 oder IAEA TRS-398 empfohlenen Verfahren und Daten nur bedingt geeignet. Probleme bereiten z.B. die endliche Ausdehnung der Ionisationskammern, die zu einer Mittelung der gemessenen Dosis führt (wünschenswert wäre die Messung einer Punktdosis), das evtl. fehlende laterale Sekundärelektronengleichgewicht oder die Änderung der spektralen Photonenfluenz im Vergleich zur Dosimetrie unter Referenzbedingungen.

In Kooperation mit anderen Forschungsinstituten werden in der Arbeitsgruppe 6.21 Dosismessverfahren zur Anwendung unter diesen Bedingungen entwicklet.

Dosimetrie für die MR-geführte Strahlentherapie

Die Bildgebung mit Magnetresonanztomographie (MRT) gewinnt in der Strahlentherapie zunehmend an Bedeutung. In der sogenannten „MR-geführten Strahlentherapie“ können mittels geeigneter Hybridgeräte – sogenannter MR Linacs – Tumorbestrahlungen mit hochenergetischer Photonenstrahlung bei gleichzeitiger MR-Bildgebung durchgeführt werden. Da sich an diesen Hybridgeräten das für die MR Bildgebung erforderliche statische Magnetfeld nicht ohne Weiteres ausschalten lässt, müssen Dosismessungen zur Qualitätssicherung ebenfalls in diesem starken, statischen Magnetfeld stattfinden. Das Standarddosimeter in der Strahlentherapie, die Ionisationskammer, kann aber bisher nicht für zuverlässige Dosismessungen im Magnetfeld verwendet werden. Nach Untersuchungen von Meijsing et al. [Meijsing2009] ändert sich bei gleicher Dosis die Anzeige einer Ionisationskammer im Magnetfeld um bis zu 11 %, was auf die Beeinflussung der Bahnen der Sekundärelektronen durch das Magnetfeld zurückgeführt werden kann (electron return effect, ERE, Raaijmakers et al. [Raaijmakers2005]). Ionisationskammern sind jedoch – unter anderem wegen ihrer einfachen Handhabbarkeit und der in den Strahlentherapiekliniken vorhandenen Erfahrung – aus der klinischen Strahlentherapie nicht wegzudenken. Aus diesem Grund sollen die bewährten Messverfahren zur Dosismessung mit Ionisationskammern (ohne Magnetfeld), wie sie z. B. in den Dosimetrieprotokollen IAEA TRS-398 oder DIN 6800-2 beschrieben sind, für die Anwendung in der MR geführten Strahlentherapie (mit Magnetfeld) erweitert werden. Dazu müssen insbesondere neue Korrektionsfaktoren bestimmt werden, die die Änderungen des Ansprechvermögens von Ionisationskammern im Magnetfeld aufgrund des ERE korrigieren. Zur Bestimmung dieser Korrektionsfaktoren benötigt man ein  Sekundärnormal für die Wasserenergiedosis, dessen Ansprechvermögen vom Magnetfeld möglichst nicht beeinflusst wird.

Innerhalb eines Promotionsprojekts wird dazu das in der PTB etablierte Dosismessverfahren mit Alanin und Elektronspinresonanz (ESR) auf seine Eignung als ein solches Sekundärnormal für die MR-geführte Strahlentherapie überprüft. Dieses soll anschließend benutzt werden, um experimentell die erforderlichen Korrektionsfaktoren für Ionisationskammern im Magnetfeld zu bestimmen.

Für die Untersuchungen der Eigenschaften des auf Alanin/ESR basierenden Dosismesssystems im statischen Magnetfeld sowie für die spätere Bestimmung von Korrektionsfaktoren steht ein Elektomagnet vom Typ Bruker ER0173W zur Verfügung. Dieser erzeugt Magnetfelder mit Flussdichten bis 1.1 T im 100 mm breiten Spalt zwischen den Polschuhen (Durchmesser ca. 25 cm). Die magnetische Flussdichte kann auf 1.4 T erhöht werden, indem zusätzliche Polkappen an den Polschuhen montiert werden; dadurch verkleinert sich jedoch der Abstand zwischen den Polschuhen auf 72 mm. Die wesentlichen Eigenschaften des Elektromagneten sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

Höhe:1219 mm
Breite:790 mm
Gewicht:1700 kg
Maximale Straomstärke:60 A
Maximale magnetische Flussdichte
- ohne zusätzlichen Polkappen:
- mit zusätzlichen Polkappen:

1.1 T
1.4 T
Abstand zwischen den Polkappen
- ohne zusätzlichen Polkappen:
- mit zusätzlichen Polkappen:

100 mm
72 mm

Der Elektromagnet kann vor den Linearbeschleunigern positioniert werden, so dass sich das Isozentrum des Beschleunigers im Bereich hoher magnetischer Flussdichte zwischen den Polschuhen befindet. In diesem Bereich können Messungen zur Untersuchung der Eigenschaften dosimetrischer Detektoren in einem Wasserphantom in hochenergetischen Photonenfeldern bei gleichzeitigem Vorhandensein eines starken statischen Magnetfeldes durchgeführt werden. Sowohl die Eigenschaften des Photonenstrahlungsfeldes als auch die Stärke des Magnetfeldes können dabei variiert werden.

Der Elektromagnet Bruker ER0173W vor dem klinschen Beschleuniger.

Literatur

  • [Raaijmakers2005]
    Raaijmakers, A. J. E., B. W. Raaymakers, and J. J. W. Lagendijk:
    Integrating a MRI scanner with a 6 MV radiotherapy accelerator: dose increase at tissue–air interfaces in a lateral magnetic field due to returning electrons.
    Physics in medicine and biology 50.7 (2005): 1363.
  • [Meijsing2009]
    Meijsing, I., et al.:
    Dosimetry for the MRI accelerator: the impact of a magnetic field on the response of a Farmer NE2571 ionization chamber.
    Physics in medicine and biology 54.10 (2009): 2993.