Kleiner Exkurs: Warum ändert der pH-Indikator seine Farbe?
Wenn man sich das überlegt, ist das irgendwie schon ziemlich faszinierend, dass etwas seine Farbe ändert, einfach nur, weil der pH-Wert anders ist. Der pH-Wert ist die Wasserstoffionenkonzentration, also muss der Indikator ja irgendwie damit wechselwirken. Tatsächlich ist der Indikator selber auch ein Säure-Basen-System. Das heißt, die Moleküle können Wasserstoffionen aufnehmen bzw. abgeben. Indikatoren sind schwache Säuren, das heißt, meist gibt nur ein gewisser Teil der Moleküle sein Wasserstoffion ab, während der andere Teil seines behält (das Ganze ist ein Fließgleichgewicht und hat etwas mit der Wahrscheinlichkeit für Abgabe/Aufnahme zu tun; es ist nicht so, dass bestimmte Moleküle einfach ihr Wasserstoffion fester halten). Wie groß der jeweilige Teil mit und ohne Wasserstoff ist, bestimmt die Farbe.
Was also passiert da? Farben allgemein entstehen hier durch delokalisierte Elektronen in Ringstrukturen des Moleküls, die mit dem Licht wechselwirken. Also, wir haben ein organisches Molekül, welches eine Ringstruktur hat. In einer solchen Struktur bilden sich dann Elektronenwolken, und diese beeinflussen das Licht. Gibt ein Molekül jetzt ein Wasserstoffatom ab, dann verändert sich die Ringstruktur. Zum Beispiel verändert sich die Anzahl/Position von Doppelbindungen. Diese Veränderungen verändern die Elektronenwolke, und dies wiederum verändert die Interaktion mit Licht und die Farbe, welche wir sehen.
Jeder Indikator hat seinen spezifischen pH-Bereich, in dem die Farbe von der ohne Wasserstoff zu der mit Wasserstoff übergeht. Kann ein Molekül sogar zwei oder drei Wasserstoffatome aufnehmen bzw. abgeben, gibt es mehrere Farbumschläge. Diese Farbumschlagspunkte sind das, wo die Indikatoren wirklich verwendet werden. Bei einer Titration zum Beispiel wird der Indikator so gewählt, dass der Farbumschlag im gewünschten Bereich liegt. Dann wird so lange gezielt Säure zugegeben, bis die Farbe sich ändert, also der pH-Wert erreicht ist. Daraus kann man dann die ursprüngliche Konzentration der Lösung berechnen.
Ein pH-Indikator, den man aus dem Alltag kennt, ist übrigens Rotkohl. Je nach pH-Wert ist er eher bläulich oder rot/lila.
Das war jetzt nur eine sehr grobe Übersicht. Genauere und ausführliche Erläuterungen zu Indikatoren auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Indikator_(Chemie)
Und weiter geht's:
Wir haben also unsere Probe, fügen mCP hinzu und vergleichen dann die Farbe mit einer Skala. Zumindest grob zusammengefasst ist das so. Die Farbe wird nicht rein visuell verglichen, sondern gemessen und der pH-Wert dann aus bekannten Werten bestimmt. Das ist sehr viel einfacher, als wenn man stundenlang davorsitzen müsste und die kleinsten Farbunterschiede zu erkennen versucht … Schneller und genauer ist es auch. Die genauen Mess- und Berechnungsdetails würden hier etwas weit führen, ich werde weiter unten aber zu genaueren Erklärungen verlinken.
Zusätzlich zu der einen Messung, die man braucht, um die Farbe zu bestimmen, werden noch weitere gemacht, um verschiedene Einflüsse zu minimieren. Zuallererst wird die Probe ohne Indikatorzugabe gemessen, um die Messung für diese Probe zu korrigieren. Nach der Indikatorzugabe wird oft noch ein zweites Mal Indikator hinzugegeben und gemessen. Der Indikator selber ist auch ein Molekül, das als Säure bzw. Base reagiert, damit beeinflusst er aber auch minimal den pH-Wert, wenn man ihn der Lösung hinzufügt. Durch eine zweite Messung versucht man die Größe dieses Effekts abzuschätzen und dann entsprechend zu korrigieren.

Wenn er denn wollte, würde dieser Lab-on-chip-Sensor den pHT-Wert spektrophotometrisch messen … (Foto: Rieke Schäfer)
Auch wenn die Details dann doch komplex werden, ist das Konzept an sich hoffentlich klar geworden: Probe nehmen, Indikator hinzugeben, Farbe messen, pH-Wert nachgucken. Da bleibt jetzt ja die Frage: Wer hat denn festgelegt, welche Farbe welchem pH-Wert entspricht? Das denkt man sich ja nicht einfach so aus, und irgendwo muss es ja herkommen. Das gilt natürlich nicht nur für das mCP, das in der Ozeanografie verwendet wird, sondern für alle pH-Indikatoren. Die Farbskalen sind ja nicht vom Himmel gefallen.
Und genau diese Farbzuordnung für mCP genauer zu bestimmen, ist (neben ein paar anderen Dingen) das Ziel des
SapHTies-Projekts, in dem ich arbeite. Wie also funktioniert das? Im Rahmen des Projekts messen wir an der PTB, am LNE (Frankreich) und am IPQ (Portugal) den pHT-Wert von Puffern mit verschiedenen Salinitäten. Puffer sind Lösungen, deren pH-Wert konstant bleibt (zumindest solange die Einflüsse nicht zu groß werden). Für Meerwasserexperimente wird meistens TRIS als Puffer verwendet. Verschiedene Salinitäten werden gemessen, weil diese den pH-Wert beeinflussen und man am Ende Ergebnisse haben möchte, die nicht nur für genau eine Salinität zutreffen. Damit wir die Salinität genau kennen, wird kein echtes Meerwasser genommen, sondern selber welches gemischt. Dabei wird versucht, die Komposition an Ionen ähnlich der zu Meerwasser zu wählen, aus experimentellen und praktischen Gründen wird sie allerdings etwas verändert. Das Messverfahren, welches wir nutzen, beruht auf der Messung von Spannungsunterschieden in Harnedzellen. Harnedzellen sind ziemlich komplexe Glasgerätschaften, in denen der pH-Wert eines Puffers gemessen werden kann (Details zur Methode unten in den Links).

So sieht eine Harnedzelle aus. (Foto: Ralf Eberhardt)
So, also wir haben jetzt den pH-Wert unserer Lösungen verschiedener Salinität (und Temperatur, schließlich wollen wir es genau wissen, und die Temperatur hat einen großen Einfluss). Genau diese Lösungen werden dann am
GEOMAR genutzt, um mit mCP spektrophotometrische Messungen zu machen. Einziger Unterschied zu meiner Beschreibung oben: Wir kennen den pH-Wert ja schon und können deshalb sagen, dass die Farbe, die gemessen wird, diesem pH-Wert entspricht. So wird dann die Farbskala zusammengestellt (und die Rückführung des pH-Wertes sichergestellt). Für mCP gibt es natürlich schon Farbzuordnungen, sonst könnte man es ja nicht benutzen. Das Ziel des
SapHTies-Projekts ist es, neben der Klärung einiger Details hinsichtlich der Messung der pH-Werte der Puffer, die Messunsicherheiten genauer zu bestimmen und zu verringern.
Aber zurück zu unseren Meerwasser-pH-Messungen. Man kann den pH-Wert nicht nur spektrophotometrisch messen, es gibt noch einige weitere Verfahren, und daran wird momentan auch noch fleißig entwickelt. Was man davon vielleicht noch kennt, sind „klassische“ pH-Glaselektroden. Die sehen aus wie ein dicker Stift, man hält sie eine Weile in die Lösung, und schon zeigt einem das Gerät den pH-Wert an. Klingt erstmal schön und einfach, leider haben die Glaselektroden ein paar Nachteile. Sie sind recht zerbrechlich, müssen häufig kalibriert werden und sind für Salzwasser nicht gut geeignet. Der große Vorteil ist jedoch, dass sie im Gegensatz zu den spektrophotometrischen Messungen keine Chemikalien benötigen. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe von Alternativen entwickelt, die auf verschiedenen Verfahren beruhen. Der pH-Sensor, den ich hier zum Beispiel nutze (der, der funktioniert), misst zum Beispiel mithilfe einer Optode. Dabei wird ein fester Indikator mit rotem Licht angeregt und die Lumineszenz im nahen Infrarot gemessen (Konzept auf der
Herstellerseite). Außerdem versuchen wir einen weiteren pH-Sensor zum Laufen zu kriegen, der den pH-Wert basierend auf Redox-Potenzialen bestimmt. Es gibt auch noch diverse weitere Entwicklungen für Meerwasser-pH-Messungen, ISFET zum Beispiel. Je nach Verfahren gibt es immer verschiedene Vor- und Nachteile. Mit zunehmender Anzahl autonomer Beobachtungen sind gerade geringer/kein Verbrauch von Chemikalien, seltene Kalibrierung und Biofouling-Resistenz häufige Verkaufsargumente.

Pyroscience-pH-Sensor, der den pH-Wert durch Lumineszenz misst. Die Messung passiert in der schwarzen Kappe vorne. Durch eine Pumpe wird ständig Wasser hineingepumpt, der Sensor misst jede Minute, und das Wasser fließt durch den zweiten Schlauch wieder ab. (Foto: Rieke Schäfer)

Messkopf des Pyroscience-pH-Sensors (mit USB-Stick als Größenvergleich). Auch in Echt ist da nicht wirklich viel zu sehen. Die eigentliche Reaktion passiert an dem schwarzen Zylinder in dem grünen „Käfig“. Der Messkopf muss von Zeit zu Zeit ausgewechselt werden. (Fotos: Rieke Schäfer)
Alkalinität
Jetzt geht’s mit der Messung von Alkalinität weiter. Aber keine Angst, dieser Abschnitt wird deutlich kürzer. Die Details von Alkalinität sind sehr kompliziert, und ich habe damit bisher deutlich weniger als mit dem pH-Wert gemacht. Deshalb gibt es hier einen groben Überblick, welche Konzepte wir nutzen.
Meist wird die Alkalinität einer Probe mithilfe einer Titration bestimmt. Wie erwähnt, handelt es sich bei der Alkalinität um eine Beschreibung, wie stark Säurezugabe den pH-Wert beeinflusst. In der Titration wird also eine Säure zugegeben und bestimmt, wie viel Säurezugabe bis zu einem bestimmten pH-Wert notwendig ist. Das Ganze kann man natürlich manuell machen, aber es gibt auch halbautomatische und voll automatisierte Systeme, die die Säurezugabe und die Messung übernehmen.
Hier auf dem Schiff haben wir zwei Systeme dabei. Ich betreue ein System, das kontinuierlich messen kann und darauf beruht, dass Meerwasserprobe und ein Indikator-Säure-Gemisch in einem konstanten Verhältnis gemischt werden. Von dieser Mischung wird dann der pH-Wert spektrophotometrisch bestimmt (deshalb der Indikator) und daraus die Alkalinität berechnet. Im Grunde ist es also ähnlich wie eine Titration, nur wird immer gleich viel Säure hinzugegeben.
Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass das Alkalinitätssystem nicht so ganz einfach ist. Neulich sind zum Beispiel Luftblasen reingekommen. Also ging es dann abends vor dem Schlafengehen erstmal auf Problemsuche. So richtig habe ich die Stelle dann allerdings nicht gefunden, aber es wirkte erstmal besser, da habe ich es auf den nächsten Morgen verschoben. Über Nacht war dann noch deutlich mehr Luft reingekommen, aber zumindest habe ich auch eine Stelle gefunden, die verantwortlich war. Also den Schlauch getauscht und gewartet, bis die Luft wieder rausgespült war und sich alles wieder etwas eingependelt hatte. Das sah dann auch erstmal ganz gut aus, nach ein paar Messungen waren die Werte aber wieder zu niedrig. Also noch mal ganz genau nach Luftbläschen und sonstigen Problemen gucken. Da habe ich aber nichts gefunden und nach fünf niedrigen Werten passten die Ergebnisse auch wieder. Nur ohne das Problem gefunden zu haben, kann man es ja nicht lösen und deshalb blieb immer das Gefühl, es könnte ja wieder was Falsches messen. Also gehe ich jetzt häufiger zum Kontrollieren runter ins Labor, aber bisher sieht es gut aus.
Als zweites Alkalinitätsmesssystem gibt es noch ein System, das direkt titriert. Es wird für die Wasserproben von der CTD genutzt. Auch das macht gerne mal verschiedene Probleme. Abgesehen davon, dass ein Glasteil den Transport nicht überstanden hat, waren auch noch diverse Verbindungen nach und nach undicht, und im Programm muss man wissen, welche Knöpfe man drücken darf.
Die Vergleichbarkeit der einzelnen Alkalinitätsmessungen wird übrigens über Referenzlösungen sichergestellt. Die werden nach der Kalibrierung gemessen. Bei dem System, das ich betreue, ist es zusätzlich so, dass ein „Standard“ in regelmäßigen Abständen gemessen wird, um Drift und sonstige Abweichungen zu bemerken. In diesem Fall ist der Standard einfach Meerwasser, das mit Quecksilberchlorid versetzt wurde, um die Alkalinität zu fixieren. Alkalinität wird fast nicht durch den CO2-Austausch mit der Luft beeinflusst, was die Konservierung vereinfacht. Das Quecksilberchlorid tötet Mikroorganismen, die die Alkalinität verändern würden.
Meine Aufgabe(n)
Das war jetzt ziemlich viel Ozeanografie, und manche fragen sich jetzt vielleicht, wo die Metrologie da reinkommt. Tatsächlich sind die Messungen an sich ganz normale Messungen. Was uns aus metrologischer Sicht interessiert, ist, wie die Messungen unter echten Bedingungen ablaufen und welche Einflüsse es da gibt. Im Büro kann man sich ja viel zu Messunsicherheiten überlegen, aber die echte Anwendung ist halt eine ganz andere. Die Messungen selber zu machen und mit den Menschen hier ins Gespräch zu kommen, gibt mir die Gelegenheit, Einblick in die Herausforderungen, die Herangehensweisen und das momentane metrologische Verständnis zu erhalten.
Zusätzlich wollten wir gerne noch die Drift des spektrophotometrischen pH-Sensors bestimmen. Wie erwähnt, habe ich TRIS-Puffer dabei. Der Plan war, regelmäßig den pH-Wert der Puffer zu messen, um Änderungen feststellen zu können. Leider mag der Sensor ja nicht messen, und deshalb habe ich etwas umgeplant. Jetzt messe ich mit dem anderen pH-Sensor den Puffer. Da dieser zum Messen ein deutlich größeres Volumen braucht, geht das leider nicht so regelmäßig, aber ein paar Punkte sind ja besser als nichts. Man muss halt mit dem klarkommen, was man hier hat. Was bei den Messungen rauskommt, wird sich zeigen, momentan bin ich aber sehr froh, den Puffer dabeizuhaben, wir zweifeln nämlich etwas an den pH-Werten, die der Sensor ausgibt … Den pH-Wert des TRIS-Puffers kennen wir sehr genau, und so wissen wir dann zumindest, wie falsch die Ergebnisse sind.
So, ich hoffe, das Ganze hat einen groben Überblick gegeben, wie pH und Alkalinität gemessen werden, ein bisschen, welche Schwierigkeiten dabei auftreten können und was ich hier so mache.
Als Abschluss zur Entspannung ein Sonnenuntergang:
Wie versprochen, hier ein paar weiterführende Links zu den diversen Themen, die ich angeschnitten habe:
Meerwasser-pH-Messungen an der PTB
Übersicht zu spektrophotometrischen pH-Messung für Meerwasser (auf Englisch)
Erklärungen zu Indikatoren bei Khan Academy (auf Englisch und setzt ein gewisses Vorwissen zu Säuren voraus, das die vorhergehenden Videos abdecken):
Zwei Veröffentlichungen zu einem früheren Projekt, das ebenfalls die Farbskala von mCP genauer bestimmt hat (auf Englisch):
Beschreibung der primären pH-Messung (pHT wird etwas anders gemessen und berechnet, aber das gibt zumindest einen Überblick)
Übersicht über Meerwasser-pH-Messungen des NIST (auf Englisch)
Sehr detaillierter (und anspruchsvoller) Überblick zu Alkalinität (auf Englisch)
Hier bloggt PTB-Doktorandin
Rieke Schäfer von ihrer Reise mit dem Forschungsschiff "Sonne", unterwegs westlich von Südamerika auf dem Pazifik.