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Virtuelles Transmissionselektronenmikroskop für die Nanometrologie

Kategorien:
  • Grundlagen der Metrologie
  • 5.2 Dimensionelle Nanometrologie
01.12.2014


Halbleiterstrukturen für aktuelle integrierte Computer-Schaltkreise enthalten kleinste Strukturen von unter 20 nm und benötigen für ihre einwandfreie Funktion Fertigungstoleranzen von unter einem Nanometer. Dies stellt nicht nur für die Herstellung, sondern auch für die Messtechnik eine enorme Herausforderung dar. Referenzstrukturen im gleichen Größenbereich dienen dazu, Messgeräte zu kalibrieren und verschiedene Messmethoden, etwa Raster-Elektronenmikroskopie (engl. Scanning Electron Microscopy, SEM) und Raster-Kraftmikroskopie (engl. Atomic Force Microscopy, AFM) in Übereinstimmung zu bringen.

Die Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) ist ein bildgebendes Messverfahren mit höchster Auflösung. Es liegt nahe, SEM- und AFM-Messungen über Maßvergleiche an Referenzstrukturen auf TEM-Messungen als Bezugsgröße zurückzuführen, da moderne aberrationskorrigierte TEM routinemäßig sub-Ångstrom (1 Å = 0,1 nm) Auflösungen erreichen. Bei kristallinen Proben besteht zudem der Vorteil, die Bildvergrößerung des Geräts direkt über die abgebildeten (und aufgelösten) Gitterebenen zu kalibrieren.

Durch die TEM-Querschnittspräparation werden allerdings die Probenstrukturen für SEM- und AFM-Untersuchungen unbrauchbar. Daher werden zunächst SEM- und AFM-Messungen an den Strukturen eines kompletten Siliziumwafers durchgeführt und dann von einem Teil der Probenstellen TEM-Präparate hergestellt und vermessen. Über den Vergleich der Daten an den ausgewählten Stellen mit den TEM-Daten kann eine quantitative Aussage auf alle Probenstellen erweitert werden.

Die Proben bestehen aus Liniengitterstrukturen aus kristallinem Silizium von 900 nm Höhe und 100 nm Breite. Sie sind mit einer dünnen, nativen Siliziumoxid-Schicht überzogen und werden für die TEM-Abbildung mit Platin bedampft und in ca. 50 nm dicke Querschnitte präpariert.

Die TEM-Bildentstehung an diesem Dreischichtsystem ist komplex und bedarf einer physikalischen Modellierung, um die Position der Materialübergänge von Platin zu Siliziumdioxid bzw. von Siliziumdioxid zu Silizium im TEM-Bild zu bestimmen.

In der Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie der Universität Münster wurde daher unter Leitung von Herrn Prof. Kohl im Rahmen der Masterarbeit von Herrn S. Majert [1] ein Programm zur Simulation der TEM-Bildentstehung an diesem Struktursystem geschrieben, das auf der Multislice-Methode beruht. Dabei wird die modellierte Probe (entlang der optischen Achse) in Schichten dünner als 1 nm unterteilt, in denen jeweils die Verzerrung der einfallenden Elektronenwellenfront durch das Potentialfeld und die Propagation zur nächsten Schicht berechnet wird. Nach Durchtritt durch alle Schichten der Probe lässt sich die Stromdichte in der Bildebene des Mikroskops ermitteln. Aus diesen virtuellen Transmissions-Elektronenmikro¬skopie¬bildern können Signal-Schwellwerte bestimmt werden, die die Position der Materialgrenzen festlegen.

Die simulierten Abbildungen wurden mit TEM-Messungen verglichen, die im Forschungszentrum Jülich und im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durchgeführt wurden. Erste Vergleiche von Messung und Simulationsrechnungen ergaben gute Übereinstimmungen; weitere Untersuchungen werden folgen.

Das Bild 1 zeigt die simulierte TEM-Abbildung einer Platin – Siliziumdioxid – Silizium Materialgrenze, berechnet für ein TEM mit den Aberrationskoeffizienten C1=39,58 Å, C3=-0,0064 mm und C5=2 mm, einer Beschleunigungsspannung von 300 kV und einem Objektivaperturhalbwinkel von 25 mrad. Eine ausführliche Analyse der Simulationen ergibt, dass die tatsächliche Position der Platin-Siliziumdioxid-Grenzfläche (im Bild die obere rote Linie) von der mit Hilfe des Intensitätsmittels zwischen Platin und Siliziumdioxid bestimmten Grenzflächenposition je nach Probendicke um 0.1 – 0.2 nm abweicht.


Bild 1: Simulierte TEM-Abbildung der Dreischichtsystems Platin – Siliziumdioxid – Silizium, berechnet mit der Multislice-Methode.

 

[1] Opens external link in new windowhttps://zivcloudtest.uni-muenster.de/owncloud/public.php?service=files&t=ffd4a72d6ceb530cb44eb6e40331398e

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