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Neutronenmonitor für gepulste Strahlung

Kategorien:
  • Metrologie für die Gesellschaft
29.09.2008

An Hochenergie-Beschleunigeranlagen wie z. B. am DESY, GSI oder CERN gibt es in unregelmäßigen Abständen Strahlverluste, die zu einer Neutronendosis von 10 bis 20 µSv führen. Diese Dosis wird mit passiven, integrierenden Detektoren - z. B. mit TLDs (Thermolumineszenz Detektoren) oder mit Blasendetektoren - gemessen, von aktiven, derzeit gebräuchlichen Dosimetern zur Umgebungsüberwachung aber wegen hoher Totzeit der Geräte in der kurzen Pulszeit nicht angezeigt [1].

Der von uns entwickelte Neutronenmonitor basiert auf der Registrierung von Aktivierungsprodukten. Ziel der Entwicklung war ein Monitor, der die Neutronendosis sowohl in gepulsten als auch in kontinuierlichen Neutronenfeldern - auch im Falle eines hohen Untergrundes von Photonenstrahlung - direkt anzeigt und bei Anstieg der Dosis innerhalb weniger Sekunden einen Alarm gibt.

Zum Nachweis der Neutronen wurden Aktivierungsreaktionen am Silber gewählt. Natürliches Silber enthält zu etwa gleichen Anteilen die Isotope 109Ag und 107Ag, die über eine Neutronen-Einfangreaktion die Isotope 110Ag und 108Ag bilden, welche wiederum über β--Zerfall mit Halbwertszeiten von 25 s bzw. 144 s zum 110Cd und 108Cd übergehen:

109Ag + n → γ + 110Ag → 110Cd + β- (Emax = 2,9 MeV)

(48% in natAg, thermischer Wirkungsquerschnitt: 90 b, Halbwertszeit 110Ag: 25 s)

107Ag + n → γ +108Ag → 108Cd + β- (Emax = 1,7 MeV)

(52% in natAg, thermischer Wirkungsquerschnitt: 38 b, Halbwertszeit 108Ag: 144 s)

Die resultierende β--Strahlung mit Maximalenergien von 2,9 MeV bzw. 1,7 MeV wird mit Halbleiterdetektoren gemessen. Die Abbildung zeigt den Aufbau der Detektorkapsel, die sich im Zentrum einer Moderatorkugel bestehend aus Polyäthylen mit 30 cm Durchmesser befindet.

Im Zentrum der Detektorkapsel befinden sich 4 Siliziumdioden. Zwei symmetrisch angeordnete Dioden sind von beiden Seiten mit 0,25 mm dicken Silberschichten bedeckt und zwei mit 0,36 mm dicken Zinnschichten. Die Dicke der Silberschichten ist auf den Nachweis der zu messenden Betastrahlung optimiert und die Dicke der Zinnschichten wurde so gewählt, dass die Absorption für Photonenstrahlung für alle Detektoren vergleichbar ist.

Die mit Silber bedeckten Detektoren sind empfindlich auf Neutronen- und Photonenstrahlung, die mit Zinn bedeckten Detektoren nur auf Photonenstrahlung. Durch eine Subtraktion der Zählereignisse und eine Kalibrierung im Neutronenfeld kann die Neutronendosis bestimmt werden.

Um die durch die Subtraktion bedingten Unsicherheiten zu reduzieren wurde im Pulshöhenspektrum eine Schwelle bei einer Energie von 662 keV gesetzt. Damit ist der Monitor unempfindlich auf niederenergetische Photonenstrahlung mit Energien bis zu 662 keV (137Cs Strahlung). Durch das Setzen dieser Pulshöhenschwelle wird außerdem die höherenergetische β--Strahlung des 110Ag effizienter nachgewiesen. Eine Auswertung der Zerfallskurven zeigt, dass die Reaktionsprodukte mit der kürzeren Halbwertszeit (25 s) um einen Faktor 8 stärker zur Anzeige beitragen als die mit der langen Halbwertszeit. Dies ist deutlich höher als der Faktor 2,3, der aus dem Verhältnis der Wirkungsquerschnitte (90 b und 38 b, siehe oben) und den Isotopenhäufigkeiten zu erwarten ist. Damit kann im Falle eines starken Anstiegs der Dosis eine Warnung in wenigen Sekunden erfolgen. Die mittlere Neutronennachweisempfindlichkeit beträgt (9,0 ± 0,4) Zählereignisse pro µSv und ist damit empfindlich genug um die oben erwähnten Strahlverluste zu registrieren.

Der Aufbau und die Funktionsweise des Monitors, Ergebnisse von Messungen mit dem Monitor in Neutronenfeldern (Radionuklidquellen, monoenergetische Neutronenfelder bis 15 MeV) und in Photonenfeldern (137Cs, 60Co, 6 MeV), Ergebnisse von Rechnungen in Neutronenfeldern mit Energien bis 1 GeV und Unsicherheitsabschätzungen in gemischten Neutronen/Photonenfeldern wurden auf der IRPA12 (12th International Congress of the International Radiation Protection Association) in Buenos Aires vorgestellt und veröffentlicht [2].

Wenige Tage vor der Tagung wurde außerdem die Erfindung von der PTB beim Deutschen Patentamt eingereicht. Der Monitor hat gute Aussicht auf Umsetzung in die Praxis.

Abbildung : Aufbau der Detektorkapsel des Neutronenmonitors.

Literatur:

  1. Leuschner, A.:
    The 12B counter: an active dosemeter for high-energy neutrons,
    Radiat. Prot. Dosim. 116 (2005) 144.
  2. Luszik-Bhadra, M.; Hohmann, E.:
    A new neutron monitor for pulsed fields at high-energy accelerators,
    Proceedings of the IRPA 12 "Strengthening Radiation Protection Worldwide", Buenos Aires, Argentinien, 19-24. Oktober 2008, to be published on website: irpa12.irpa.net.

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