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Detektor zur Messung der kinetischen Energie von Mikropartikeln im Weltraum

Kategorien:
  • Grundlagen der Metrologie
06.10.2008

In Kooperation mit industriellen und universitären Partnern wurde ein Detektor zur in-situ-Messung der kinetischen Energie von einschlagenden, schnellen Mikropartikeln entwickelt. Ein Array aus empfindlichen Mikrokalorimetern misst dabei die durch den Partikeleinschlag hervorgerufene Erwärmung des Absorbers. Das neuartige Messprinzip bietet, verglichen mit denen bisheriger Detektoren, wesentlich kleinere Messunsicherheiten und höhere Zuverlässigkeit.

Raumfahrtrückstände (engl. Space Debris) gefährden in zunehmendem Maße die uneingeschränkte Nutzbarkeit des erdnahen Weltraums. Mit weltweit über 4000 Raketenstarts wurde neben den eigentlichen Nutzlasten (Satelliten) insbesondere auch eine sehr große Anzahl von Kleinstpartikeln in den Weltraum gebracht, wie z.B. Schlackerückstände von Raketenmotoren oder bei Explosionen erzeugte Fragmente. Aufgrund der meist hohen Relativgeschwindigkeit im Falle einer Kollision - typischerweise 10 km/s - besitzen selbst Teilchen im Mikrometerbereich schädliche Wirkung. Zwecks Abschätzung und Minimierung der Gefährdung durch kleine Partikel werden diese mit Hilfe von Modellen statistisch erfasst. Die Modelle benötigen echte Partikelmessdaten als Datenbasis, wobei die Messgrößen Detektionszeitpunkt, Partikelgröße, Geschwindigkeit und Richtung die wichtigsten Informationen darstellen.

Da keine existierenden Detektoren derzeit diese Daten mit zufrieden stellender Qualität liefern, wurde in einer Forschungskooperation mit der eta_max Space GmbH, Braunschweig, mit der Entwicklung eines zweistufigen Detektoraufbaus namens AIDA (Advanced Impact Detector Assembly) begonnen [1]. Das gewählte zweistufige Messkonzept bietet gegenüber bestehenden Messverfahren deutlich kleinere Messunsicherheiten bei höherer Zuverlässigkeit. Die erste Messstufe soll dabei die vektorielle Geschwindigkeit eines eintreffenden Partikels über Laser-Lichtvorhänge berührungslos erfassen, und die zweite Messstufe bestimmt seine kinetische Energie aus der Materialerwärmung beim Aufschlag des Partikels auf eine Detektorfläche.

Ein Funktionsmodell des kalorimetrischen Energiedetektors AIDA-cal wurde im Rahmen einer von der ESA/ESTEC geförderten Studie in den zurückliegenden Jahren erfolgreich entwickelt und getestet. Der Messaufbau basiert auf einem zweidimensionalen Thermopile-Array des IPHT Jena mit je 16 x 16 Elementen, das mit einem entsprechend strukturierten Array aus metallischen Absorberplättchen bestückt ist [2, 3]. Die bei einem Hochgeschwindigkeitseinschlag (HVI - Hyper-Velocity-Impact) auftretende Erwärmung des getroffenen Absorbers von 3,6 x 3,6 mm² Fläche und einigen Mikrometern Dicke wird von dem darunter liegenden Thermopile gemessen, der mit dem Absorber über einen Klebepunkt thermisch verbunden ist. Mit dem Funktionsmodell am MPI für Kernphysik in Heidelberg durchgeführte HVI-Tests mit beschleunigten Eisenstaub-Partikeln haben gezeigt, dass sich das kalorimetrische Messverfahren zur Messung der kinetischen Energie von schnellen Mikropartikeln sehr gut eignet. Eine mit 2,8 µm dicken Absorbern aus Gold aufgenommene Kennlinie ist in Bild 1 dargestellt. Das Diagramm zeigt die Messsignale von 131 Partikeleinschlägen unterschiedlicher Energie. Der hierbei erstmals bestimmte Wirkungsgrad der Konversion von kinetischer Energie des einschlagenden Partikels in vom Absorber aufgenommene Wärmeenergie beträgt ungefähr 40 %. Eine Abhängigkeit von der Einschlaggeschwindigkeit wurde im Bereich von 2 km/s bis 9 km/s nicht beobachtet.

In HVI-Tests gemessene Kennlinie des kalorimetrischen Enerigedetektors: Funktionsmodell, Au-Absorber mit 2,8 µm Dicke.

Bild 1: In HVI-Tests gemessene Kennlinie des kalorimetrischen Enerigedetektors: Funktionsmodell, Au-Absorber mit 2,8 µm Dicke.

In einem von der DLR geförderten Nachfolgeprojekt entstand jetzt in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern, den Instituten IDA, IFS und IWF der TU Braunschweig, ein weiter entwickelter Messaufbau des kalorimetrischen Energiedetektors. Mit diesem so genannten Demonstrationsmodell wurde nachgewiesen, dass die für ein zukünftiges Flugmodell benötigten Technologien beherrscht werden. Im FB 5.5 gefertigte vollflächige Absorber-Arrays mit 16 x 16 Elementen wurden mittels Laserablation aus einer Goldfolie geschnitten (siehe Bild 2). Nach Aufbringen von reproduzierbar dosierten Klebetropfen wurden die Absorber- und Thermopile-Arrays in einem halbautomatischen Prozess zusammengefügt.

Mikrofoto vom Absorber-Array: Demonstrationsmodell, 50 µm dicke Absorberplättchen aus Gold, miteinander verbunden über schmale Stege an den Ecken.

Bild 2: Mikrofoto vom Absorber-Array: Demonstrationsmodell, 50 µm dicke Absorberplättchen aus Gold, miteinander verbunden über schmale Stege an den Ecken.

Bild 3 zeigt ein fertiges, auf einer Sensorplatine aufgebrachtes Mikrokalorimeter-Array, bestückt mit 50 µm dicken Absorbern aus Gold. Das in Modulbauweise konzipierte Detektorgehäuse hat Abmessungen von 25 x 24 x 6 cm³ und kann insgesamt 9 Sensorplatinen einschließlich der Messelektronik aufnehmen (siehe Bild 4). Der Energie-Messbereich des kalorimetrischen Detektors AIDA-cal lässt sich durch Wahl der Absorberdicke an die missionsspezifischen Anforderungen leicht anpassen [4]. Die Weiterentwicklung in Richtung einer flugfähigen Version wird in Kürze beginnen.

Sensorplatine des Demonstrationsmodells

Bild 3: Sensorplatine des Demonstrationsmodells

Demonstrationsmodell des kalorimetrischen Detektors AIDA-cal:  Das Detektorgehäuse ist hier mit zwei (von neun) Sensorplatinen bestückt.

Bild 4: Demonstrationsmodell des kalorimetrischen Detektors AIDA-cal: Das Detektorgehäuse ist hier mit zwei (von neun) Sensorplatinen bestückt.

[1] K.-D. Bunte; M. Kobusch; J. Hollandt; J. Illemann; F. Jäger; M. Gläser; S. Sarge: AIDA - An Advanced Impact Detector Assembly, International Astronautical Congress 2003, Sept. 29-Oct. 3, Bremen, Germany, CD-ROM, IAC-03-IAA.5.P02.

M. Kobusch; F. Jäger; K.-D. Bunte; T. Fichna: Breadboard Model of a Calorimetric Impact Detector, Proceedings of the 4th European Congress on Space Debris, April 18-20, 2005, ESOC, Darmstadt, pp. 189-194.

[3] M. Kobusch; F. Jäger; K.-D. Bunte; T. Fichna; E. Kessler: Calorimetric Energy Detector for Space Debris, 57th International Astronautical Congress, October 2-6, 2006, Valencia, Spain, DVD-ROM, IAC-06-B6.3.9.

[4] M. Kobusch; S. Sarge; K.D. Bunte; T. Fichna; D. Hagedorn; F. Jäger; R. Meeß: Microcalorimeter array for the measurement of kinetic energies of small particles in space, 2008, zur Veröffentlichung eingereicht in Thermochimica Acta.

Ansprechpartner:

M. Kobusch, FB 1.3, AG 1.34, E-Mail: michael.kobusch@ptb.de

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