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Erweiterung des RDI model observers für Bilder mit anatomischem Hintergrund

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23.12.2020

In der Mammographie werden Rohbilder mit aufwändigen Verfahren bearbeitet, bevor diese zur Befundung vorgelegt werden. Zur Qualitätssicherung werden nach derzeitigen Protokollen in Europa jedoch nur Rohbilder von technischen Prüfkörpern verwendet. Mittelfristig sollen anthropomorphe Prüfkörper, d.h. solche mit realistischen, anatomischen Strukturen verwendet werden. Um bearbeitete Bilder prüfen zu können, werden Verfahren der sog. aufgabenspezifischen Qualitätseinschätzung benötigt, bei denen modellbasierte Beobachter (model observer) den Befunder ersetzen.

Für die Sicherung der Bildqualität in der Mammographie werden derzeit technische Prüfkörper wie das sog. CDMAM‑Phantom verwendet [1]. Dabei wird mit Hilfe einer Reihe kleiner Objekte unterschiedlicher Dicken und Durchmesser eine Kontrast‑Detail‑Kurve gewonnen. Diese muss unterhalb einer europaweit einheitlich festgelegten Schwelle bleiben, damit die Qualitätskontrolle als „bestanden“ gilt [2]. Dazu werden Rohbilder (for processing) verwendet.

Ob in der Praxis der Verdacht auf eine Läsion vorliegt, wird von Radiologen jedoch nicht anhand der Rohbilder, sondern anhand bearbeiteter Bilder (for presentation) festgestellt. Die Bildbearbeitung ist – natürlich – auf anatomische Strukturen optimiert. Damit ist eine Überprüfung der Bildqualität anhand bearbeiteter Bilder technischer Phantome nicht aussagekräftig, weswegen die technischen Prüfkörper mittelfristig durch 3D‑gedruckte Prüfkörper mit realistischen, anatomischen Strukturen ersetzt werden sollen.

Die Bildqualität wird in diesen Fällen durch die sog. aufgabenspezifische Qualitätseinschätzung (task specific quality assessment) quantifiziert. Hierbei werden mathematische Modelle (modellbasierte Beobachter, model observer) als Surrogat für die Radiologen verwendet. Ein Nachteil der Verfahren ist der hohe Bedarf an Bildern, typischerweise werden z.B. 200 Bilder mit der Signatur einer Läsion und 200 Bilder mit ähnlichem Hintergrund, aber ohne Signatur einer Läsion benötigt, um einen Klassifikationsprozess nachzubilden (Läsion sichtbar/nicht sichtbar). Ein Maß für die Bildqualität ist in diesem Falle (u.a.) die sog. Detektierbarkeit [3].

Die PTB hat im vergangenen Jahr einen neuen modellbasierten Beobachter entwickelt, der mit deutlich weniger Bildern zuverlässige Aussagen über die Bildqualität ermöglicht (RDI, regression detectability index). Allerdings muss der Untergrund unstrukturiert sein, um diesen Beobachter anwenden zu können. Damit ist der RDI in seiner bisher veröffentlichten Form [4] nicht für Bilder mit anatomischer Struktur geeignet.

Das Problem konnte dadurch gelöst werden, dass der anatomische Untergrund vor der Anwendung des RDI‑Beobachters modelliert und abgezogen wird. Dies geschieht mit Hilfe von sogenannten thin plate splines, einer Sonderform radialer Basisfunktionen, die eine zweidimensionale Verallgemeinerung der bekannten splines darstellen [5]. Die Form der zweidimensionalen Fläche entsteht dabei analog zur Verformung einer dünnen Metallplatte (daher der Name), die an bestimmten Stützpunkten festgehalten wird. Die Anpassung hängt sowohl von der Anzahl und Verteilung der Stützpunkte als auch von der - ebenfalls zu wählenden - Steifigkeit der Platte ab.

Der modifizierte RDI konnte erfolgreich angewendet werden, und zwar sowohl auf simulierte Bilder als auch auf Mammographie‑Bilder 3D‑gedruckter Prüfkörper. Von unseren Kooperationspartnern LRCB, dem niederländischen Referenzzentrum für Mammographie, und RUMC, dem Radboud University Medical Center (beide Nijmegen, Niederlande) wurden Bilder von Geräten zweier Hersteller (FUJI und HOLOGIC) bereitgestellt, welche kreisförmige Objekte von 0,1 mm und 0,25 mm Durchmesser enthielten. Die Objekte waren bei der mammographischen Aufnahme in einen Prüfkörper mit anatomischer Struktur eingebettet [6].

Die Detektierbarkeit, die mit dem RDI erhalten wurde, konnte sowohl mit der Detektierbarkeit eines etablierten modellbasierten Beobachters, dem CHO (channelised Hotelling observer), als auch mit Daten menschlicher Beobachter verglichen werden. Letztere wurden ebenfalls von den Kooperationspartnern aus Nijmegen bereitgestellt. Die Detektierbarkeiten von RDI, CHO und menschlichen Beobachtern sind dabei durch lineare Relationen verknüpft. Die Korrelation der Detektierbarkeiten von RDI und menschlichen Beobachtern ist außerordentlich gut. Dabei benötigt der RDI 75 % weniger Bilder, bei vergleichbarer Unsicherheit des Qualitätsmaßes.

Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, die Parameter der Untergrund‑Anpassung sind noch zu optimieren. Trotzdem lassen die vorläufigen Ergebnisse hoffen, dass der modifizierte RDI für moderne Qualitätssicherungs‑Messungen in der Mammographie eingesetzt werden kann.

Abb. 1: Mittelwerte über 25 Bilder mit einer Kantenlänge von 65 Bildpunkten (links) und die entsprechende Kovarianz der Grauwerte als Funktion des Abstandes von Bildpunkt zu Bildpunkt. Oben: vor dem Untergrundabzug mit thin plate splines; Unten: nach Untergrundabzug. Als Beispiel: Ausschnitte von Mammographieaufnahmen eines anatomischen Phantoms [6], HOLOGIC, Objektdurchmesser 0,25 mm, for processing.

 

Abb. 2: Detektierbarkeit d‘ als Funktion des Strom‑Zeit‑Produktes (proportional zur Dosis), als Beispiel für Aufnahmen mit einem HOLOGIC‑Mammographiegerät (Auflösung 0,07 mm), Durchmesser des zu detektierenden Objekts 0,25 mm, bearbeitete Bilder (for presentation). Gefüllte Kreise: CHO; gefüllte Dreiecke: RDI mit Untergrundabzug; offene Dreiecke: drei menschliche Beobachter. Fehlerbalken geben die 95 % Überdeckungsintervalle wieder. Die durchgezogenen Linien sind Polynomanpassungen, die lediglich zur Klarheit der Darstellung dienen sollen.

 

Abb. 3: Detektierbarkeit d‘ des RDI als Funktion der mittleren Detektierbarkeit der drei menschlichen Beobachter (h.o.). HOLOGIC, for presentation, Objektdurchmesser 0,1 mm und 0,25 mm. Korrelationskoeffizient r=0.99, der p-Wert beträgt 3,2e-7.

 

Literatur

[1]       Karssemeijer, N. & Thijssen, M.: Determination of contrast-detail curves of mammography systems by automated image analysis. Digital mammography (1996) 96, 155-160

[2]       Van Engen, R.; Bosmans, H.; Dance, D.; Heid, P.; Lazzari, B.; Marshall, N.; Schopphoven, S.; Thijssen, M.; Young, K. & others: Digital mammography update. European protocol for the quality control of the physical and technical aspects of mammography screening. S1, Part 1: Acceptance and constancy testing. European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis, European Commission, Office for Official Publications of the European Union (2013)

[3]       ICRU Report No. 54: Medical imaging - the assessment of image quality. Journal of the ICRU (2006)

[4]       Anton, M.; Veldkamp, W.; Hernandez-Giron, I. & Elster, C.:  RDI - a regression detectability index for quality assurance in x-ray imaging. Physics in Medicine & Biology, (2020) 65, 085017

[5]       Reginatto, M. & Behrens, R.: Multi-parameter interpolation of beta radiation dose rates using radial basis functions. Radiation protection dosimetry, (2016) 171, 463-469

[6]       Balta, C.; Bouwman, R. W.; Sechopoulos, I.; Broeders, M. J. M.; Karssemeijer, N.; van Engen, R. E. & Veldkamp, W. J. H.: Can a channelized Hotelling observer assess image quality in acquired mammographic images of an anthropomorphic breast phantom including image processing? 
Medical Physics, (2019) 46, 714-725 

 

Autoren:

M. Anton, M. Reginatto, C. Elster (8.42), R. van Engen (LRCB, NL), Ioannis Sechopoulos (RUMC, NL)

 

Ansprechpartner:

Opens local program for sending emailM. Anton, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.24

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