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Bestimmung der Wasser-Energiedosis im SOBP eines C-12-Strahls

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23.12.2020

Die Referenzdosimetrie mit kalibrierten Ionisationskammern weist in Kohlenstoffstrahlen eine deutlich höhere Messunsicherheit auf als in hochenergetischen Photonenfeldern. Das ist vor allem auf die relativ hohe Unsicherheit des Korrektionsfaktors für die Strahlenqualität kQ zurückzuführen, der in Kohlenstoffstrahlen aufgrund fehlender experimenteller Daten theoretisch berechnet wird.

Mit Hilfe der Wasserkalorimetrie können kQ‑Faktoren experimentell mit geringer Messunsicherheit bestimmt werden. Entsprechende Messungen werden nun im Spread‑Out Bragg Peak (SOBP) eines Kohlenstoffstrahls durchgeführt.

Die Strahlentherapie mit hochenergetischen Ionen, wie sie am Heidelberger Ionenstrahl‑Therapiezentrum (HIT) angewendet wird, bietet gegenüber der konventionellen Photonen‑Therapie einige Vorteile [1]. So zeigen Ionen gegenüber Photonen eine höhere biologische Wirksamkeit, eine höhere Eindringtiefe sowie, aufgrund der inversen Tiefendosiskurve und des geringeren Streuverhaltens, eine präzisere räumliche Verteilung. In Kombination mit dem am HIT verwendeten Intensitäts‑modulierten Rasterscan‑Verfahrens ist so eine hochpräzise Dosisdeposition im Zielvolumen bei gleichzeitiger Schonung des umliegenden Gewebes möglich. Zusätzlich zur präzisen räumlichen Dosisdeposition wird jedoch auch eine präzise Bestimmung der applizierten Dosis benötigt. Die Messgröße ist hierbei die Wasser‑Energiedosis, die in der Praxis mit Hilfe kalibrierter Ionisationskammern bestimmt wird.

Die Standardmessunsicherheit der Ionisationskammer-basierten Dosimetrie ist momentan in Kohlenstoffstrahlen noch deutlich höher als bei hochenergetischen Photonen. Dies ist vor allem auf die hohe Unsicherheit des Korrektionsfaktors für die Strahlungsqualität kQ,Q0 (kurz kQ) zurückzuführen. Er korrigiert den Unterschied im Ansprechvermögen der Ionisationskammer zwischen der Referenzstrahlenqualität Q0, in der die Kammer kalibriert wurde (i. d. R. Co-60), und der gegebenen Strahlenqualität Q (hier: C-12).

Aufgrund fehlender experimenteller Daten wird kQ in Kohlenstofffeldern bislang berechnet, wobei eine Gesamtunsicherheit von 2,8 % erzielt wird [2]. Für Photonen liegt diese bei lediglich 0,6 % [3].

In einer Kooperation zwischen PTB und HIT konnten innerhalb eines vorangegangenen Projekts bereits experimentelle kQ‑Faktoren für verschiedene Ionisationskammern für den flachen Eingangskanal eines monoenergetischen Kohlenstofffeldes bestimmt werden. Die entsprechenden Messungen wurden mit Hilfe der Wasserkalorimetrie an der QS‑Beamline am HIT durchgeführt, und es konnte hierbei eine Gesamtunsicherheit für kQ von 0,8 % erreicht werden [4].

Als Weiterführung dieses Projektes werden nun kQ‑Faktoren für den Spread‑Out Bragg Peak (SOBP) bestimmt. Mögliche Unterschiede zwischen den bestimmten kQ‑Faktoren für Eingangskanal und SOBP könnten auf eine Abhängigkeit des Faktors vom linearen Energietransfer (LET) der Strahlung hindeuten.

Bei der Anwendung der Wasserkalorimeter im SOBP sind besonders Wärmeleitungseffekte zu beachten. Ein aktives Scannen des SOBPs, d. h. durch Variation der Teilchenenergie für verschiedene Maximalreichweiten, wie es in der klinischen Praxis gemacht wird, benötigt bei einer für die Kalorimetrie ausreichenden Feldgröße und Dosis (hier: 6 x 6 x 6 cm³, 1,5 Gy) ca. 8 min. Die induzierte Wärmeverteilung würde in dieser Zeit jedoch stark zerfließen, was zu einem sehr großen Korrektionsfaktor für diesen Effekt mit damit verbundener hoher Unsicherheit führt. Dies wiederum würde sich in einer erhöhten Gesamtunsicherheit des ermittelten kQ widerspiegeln.

Um dies zu vermeiden, muss die Dauer der Bestrahlung drastisch verringert werden. Das wird erreicht, indem der SOBP in der Tiefe passiv moduliert wird mit Hilfe eines am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung (GSI, Darmstadt) entwickelten sogenannten 2D‑Reichweitenmodulators (2DRM) [5] (s. Abb. 1). Der 2DRM besteht aus vielen pyramidenförmigen Pins, die die Energie des auftreffenden Strahls je nach Position auf den Pins variieren und so in der Tiefe auffächern. Somit muss lediglich ein monoenergetisches Feld abgestrahlt werden und die Bestrahlungsdauer reduziert sich auf ca. 90 s. Der 2DRM wird im 3D‑Druckverfahren speziell auf die gewünschte Feldverteilung angepasst hergestellt.

Abb. 1: Schematische Zeichnung des 2DRM.

Der verwendete Bestrahlungsplan für die kalorimetrischen Messungen wurde hinsichtlich Homogenität optimiert und das in Kombination mit dem 2DRM entstehende Feld wurde eingehend charakterisiert [6]. Die Dosisverteilung wurde hierzu dreidimensional mit Hilfe eines Ionisationskammer-Arrays, das in einem Wasserphantom ferngesteuert in der Tiefe verfahren werden kann, gemessen. Der dazugehörige Aufbau wurde an der PTB angefertigt und ist in Abb. 2 zu sehen.

Abb. 2: Frontansicht des Ionisationskammer‑Arrays im Wasserphantom‑Aufbau mit wasserdichter Plexiglashülle um das Array sowie Linearantrieb zum ferngesteuerten Verfahren in der Tiefe.

Die Homogenität des Feldes wurde als Standardabweichung der gemessenen Dosiswerte innerhalb eines Kugelvolumen mit einem Radius von 20 mm um das Zentrum der Verteilung (späterer Messort des Kalorimeters) bestimmt. Sie lag für alle Wiederholungsmessungen unter 1,1 %. Die Zeitstabilität des Feldes wurde aus der mittleren Standardabweichung der Wiederholungsmessungen voneinander bestimmt. Diese lag bei 0,26 %. Die Feldverteilung ist in Abb. 3 zu sehen.

Aus diesen Werten ließ sich schließen, dass die Feldverteilung geeignet ist für die folgenden wasserkalorimetrischen Messungen zur Bestimmung von kQ‑Faktoren.

Abb. 3: Dosisverteilung des Feldes für die Kalorimetermessungen. Links: Tiefendosisprofil (rote Punkte wurden mit dem Ionisationskammer-Array im Wasserphantom gemessen, blau mit dem PTW Peakfinder). Rechts: Laterale Verteilung am Messort (Mitte des SOBPs) über die x- (y=0) und die y‑Achse (x=0), gemessen mit dem Ionisationskammer‑Array.

Bisher wurden innerhalb von drei Messkampagnen insgesamt 223 Messungen mit dem Wasserkalorimeter sowie jeweils 70 Ionisationskammer‑Messungen für die Kammern PTW TM30013 sowie IBA FC65G durchgeführt.

Die aus vorläufigen Auswertungen der Messungen ermittelten kQ‑Faktoren deuten auf einen Unterschied zu den früheren Ergebnissen im Eingangskanal hin. Diese Abweichung soll innerhalb einer weiteren Messkampagne untersucht werden. Das vorläufige Unsicherheitsbudget zeigt eine Gesamtunsicherheit der kQ‑Faktoren von weniger als 1 % für beide verwendeten Kammern.

 

Referenzen:

[1]       M. Durante and J. Loeffler,  Nat. Rev. Clin. Oncol. 7 (2010) 37–43

[2]       IAEA TRS-398, V.12 (2006)

[3]       P. Andreo et al, Phys. Med. Biol. 65 (2020) 095011

[4]       J.-M. Osinga-Blättermann et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017) 2033–2054

[5]       Y. Simeonov et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017) 7075-7096

[6]       Holm et al, Phys. Med. Biol. (2020), DOI: 10.1088/1361-6560/aba6d5

 

Ansprechpartner:

Opens local program for sending emailA. Krauss, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23

Opens local program for sending emailK. Holm, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23

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