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Multisensor-Messtechnik für Mikroteile in innovativen industriellen Produkten

28.09.2016

Mikroteile sind in vielen industriellen Bereichen notwendig. Für deren Qualitätssicherung müssen häufig die funktionsrelevanten Merkmale mit geringen Messunsicherheiten von kleiner 1 µm gemessen werden. Aufgrund komplexer Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit dieser Teile, liefern Messungen mit einem einzelnen Sensor oft nur unvollständige Informationen über das Objekt. Die Multisensor-Messtechnik nutzt die Vorteile unterschiedlicher Sensoren, um das Objekt vollständig zu erfassen. Allerdings existieren einige Faktoren, die die Anwendung von Multisensor-Koordinatenmesssystemen derzeit beschränken, wie z.B. die zu großen Tastkugeln taktiler Taster, die unzureichende Rückführbarkeit optischer Messergebnisse oder zusätzliche Messunsicherheitsbeiträge, die durch die Fusion der Messdaten der unterschiedlichen Sensoren entstehen können. Ziel des Projektes war es, die messtechnischen Möglichkeiten von Multisensor-Koordinatenmesssystemen zur Erfassung von kleinen Objekten so zu erweitern, dass präzise und rückführbare Messungen von praxisrelevanten Mikrobauteilen und deren geometrischen Merkmalen möglich sind. Dafür wurden im Projekt taktile, optische und computertomographische (CT) Messverfahren untersucht sowie neue Ansätze für die Fusion der Messdaten mehrerer Sensoren entwickelt.

Die Größe der Strukturen, die taktil gemessen werden können, ist durch den Tastkugeldurchmesser begrenzt, wobei die meisten Taster einen Durchmesser > 100 µm oder eine starke Formabweichung aufweisen. Um präzise Messungen von Mikrogeometrien zu ermöglichen, wurden daher im Rahmen des Projektes Taster mit einem Tastkugeldurchmesser kleiner 100 µm und geringen Formabweichungen hergestellt und erprobt. Zudem wurden erstmals Reibung und Verschleiß von Tastkugeln mit einer Diamantbeschichtung untersucht. Die Beschichtung führte zu einer signifikanten Steigerung der Lebensdauer dieser Taster um den Faktor 100. Hierdurch werden die Kosten für taktile Messungen an Mikrogeometrien deutlich reduziert.

Im Gegensatz zu den taktilen Verfahren, ist die messtechnische Rückführbarkeit optischer und CT Messungen oft noch nicht gegeben. Um eine Rückführbarkeit von diesen Messungen im industriellen Umfeld zu erreichen, wurden vier sogenannte „werkstückähnliche Prüfkörper“ realisiert. Die Prüfkörper wurden in enger Zusammenarbeit mit Industriepartnern aus verschiedenen Branchen, z.B. Fahrzeugbau, Medizintechnik und Forschung, ausgewählt. Die zu messenden Merkmale, z. B. Kegelwinkel, Radien und kleine Durchmesser, sind praxisnahe Beispiele üblicher industrieller Anwendungen.


Auf der Abbildung sind die werkstückähnlichen Bauteile zu sehen, die in dem Projekt zur Bestimmung der Messunsicherheit verwendet wurden.    
Abb. 1. Von links nach rechts: Prüfkörper mit Kegel aus Stahl, wie er in Systemen zur Kraftstoffeinspritzung vorkommt (Fahrzeugbau); Plastikverbinder (Spielzeugindustrie); Nadel für Insulininjektion (Medizintechnik) aus Stahl; Nadelspitze vergrößert; Mikrotarget aus Gold für Plasmaphysikforschung. Quellen: PTB und STFC (RAL Space).

Die Prüfkörper wurden mit taktilen Mikro-Koordinatenmesssystemen (µKMS) kalibriert und anschließend mit optischen Messgeräten, industrieller CT und Synchrotron-CT gemessen. Die Messzeit der CT-Messungen wurde dabei an die realen industriellen Bedingungen angepasst. Durch den Vergleich mit den taktilen Messungen konnten Messabweichungen identifiziert und anschließend Messunsicherheitsbilanzen erstellt werden. Dadurch konnte die Qualitätskontrolle beim Endanwender verbessert und beschleunigt werden, da nun rückführbare Messungen mit schnelleren optischen oder CT Sensoren an ähnlichen Werkstücken möglich sind.


Auf der Abbildung sind die Ergebnisse der CT-Messungen an der Spitze der Injektionsnadel mit einer industriellen CT und mit Synchrotron-CT zu sehen.
Abb. 2. Tomografische Messergebnisse an einer Injektionsnadel mit einem Außendurchmesser von 250 μm mit industrieller CT-Anlage von der PTB (links) und Synchrotron-CT von der BAM (rechts).

Anschließend wurden numerische Verfahren zur Bestimmung der Messunsicherheit für taktile µKMS und CT entwickelt und angewandt. Dies erfolgte z.B. für CT mittels Simulation mehrerer CT Aufnahmen mit kleinen Parameteränderungen, wobei die Parameter möglichst nah an das reale CT angepasst wurden. Das Verfahren wurde für die Messungen an einem der werkstückähnlichen Prüfkörper, dem Plastikverbinder, genutzt. Die Messunsicherheiten wurden zudem empirisch aus den Wiederholmessungen mit dem realen CT ermittelt. Die Ergebnisse der Simulation stimmten mit den Messunsicherheiten aus Wiederholungsmessungen überein, allerdings nur für die Messungen, die wenig oder keine Bildartefakte bzw. -störungen enthielten. Reale CT Messungen sind in der Regel mit Artefakten behaftet, daher soll das Simulationsverfahren weiter angepasst werden, um eine realistische Abschätzung der Messunsicherheit zu erreichen. 

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