Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Thermochrome Folien zur einfachen, Magnetresonanztomographie (MRT)-kompatiblen Erfassung von Ultraschall-induzierter Erwärmung

03.08.2015

Ultraschall wird in der Medizin zu verschiedenen therapeutischen Zwecken eingesetzt - unter anderem kann gezielt und lokal Gewebe erwärmt werden, z. B. zur gezielten Zerstörung von Tumoren durch Erhitzung. Die beiden gebräuchlichsten Verfahren zur Bestimmung dieser Temperaturerhöhung sind entweder nicht rückführbar und bieten eine schlechte zeitliche und räumliche Auflösung (Messung mit einem Magnetresonanztomographen (MRT)) oder sind sehr zeitaufwändig (Messung mit Thermoelementen). An der PTB wurde daher nun ein Aufbau entwickelt, mit dem schnell, einfach und rückführbar eine zweidimensionale Temperaturverteilung in Gewebephantomen bestimmt werden kann.

Ultraschall wird in der Medizin zu verschiedenen therapeutischen Zwecken eingesetzt. Unter anderem kann gezielt und lokal Gewebe erwärmt werden, da absorbierte Ultraschallenergie in Wärme umgewandelt wird. Beim hochintensiven therapeutischen Ultraschall-Verfahren (HITU) werden so z. B. gezielt Tumore erhitzt und die Tumorzellen abgetötet. Die beiden gebräuchlichsten Verfahren zur Bestimmung dieser Temperaturerhöhung sind die Messung mit einem Magnetresonanztomographen (MRT) und die Messung mit Thermoelementen. MRT-Thermometrie ist zwar nichtinvasiv und wird daher bei einigen Verfahren auch zur in vivo Kontrolle der Temperaturverteilung während einer Behandlung benutzt, ist aber sehr kostenintensiv und aufwändig. Darüber hinaus bietet es eine vergleichsweise schlechte räumliche und zeitliche Auflösung und ist im Allgemeinen nicht rückführbar. Messungen mit Thermoelementen hingegen werden typischerweise nicht in vivo, sondern in gewebeähnlichen Materialien (sogenannten Phantomen) durchgeführt, aus deren gemessener Erwärmung dann die Erwärmung im Körper bei gleicher Beschallung berechnet werden kann oder Verfahren zur Temperaturberechnung verifiziert werden können. Messungen mit Thermoelementen sind einfach durchzuführen und rückführbar, aber die Bestimmung von zweidimensionalen Temperaturverteilungen ist sehr zeitaufwändig, da nur punktweise gemessen werden kann und für die Messung am nächsten Punkt erst eine vollständige Abkühlung abgewartet werden muss. Weiterhin sind die metallenen Thermoelemente nicht MRT-kompatibel, so dass ein direkter Vergleich der beiden Verfahren nicht möglich ist.

An der PTB wurde daher nun ein Aufbau zur schnellen und einfachen Messung der zweidimensionalen Temperaturverteilung in Gewebephantomen entwickelt. Grundlage des Aufbaus sind thermotrope Flüssigkristall-Folien („TLC-Folien“), die z. B. auch zur Visualisierung der Temperatur in Aquarien oder Weinkühlern benutzt werden. Diese Folien sind reversibel thermochrom – das heißt, dass sie bei Erwärmung ihre Farbe ändern und bei Abkühlung wieder ihre ursprüngliche Farbe annehmen.  Mit diesem Aufbau können nun erstens MRT-Thermometriemessungen unabhängig validiert und rückgeführt werden, zweitens eine schnelle und unkomplizierte Konstanzprüfung von therapeutischen Ultraschallgeräten durchgeführt werden („Erzeugt das Gerät noch die gleiche Temperaturverteilung?“) und drittens Berechnungsalgorithmen zur Vorhersage der Temperaturverteilung experimentell mit geringem Aufwand verifiziert werden. 

Zur Umsetzung des Aufbaus mussten zunächst eigens transparente gewebeähnliche Materialien („tissue-mimicking material“, TMM wie in Bild 1 gezeigt) entwickelt werden, die die Beobachtung der Farbänderung der TLC-Folien mit einer Kamera (C) ermöglichen.

 

Bild 1: Links: Visualisierung der Temperaturerhöhung durch Farbänderung im Schallfeld eines hochintensiven therapeutischen Ultraschallwandlers (unten im Bild) durch eine TLC-Folie in einem transparenten Phantom. Rechts: Schematischer Aufbau zur quantitativen Erfassung der Farbänderung, wichtige Abkürzungen sind im Text erläutert. 

Weiterhin mussten eine reproduzierbare Beleuchtung der Folien und ein effektiver Schutz der Kamera vor dem Schallfeld und vor dem Magnetfeld des MRTs realisiert werden. Ersteres wurde durch die Verwendung einer LED und einer diffusen Beleuchtung über einen Lichtleiter (LG) und ein Streuprisma (P) umgesetzt. Der Schutz vor dem Schallfeld wurde durch die Verwendung von stark absorbierendem Öl (OIL) und eine indirekte Betrachtung der TLC Folien über eine total reflektierende Fläche (G) gewährleistet. Durch die ausschließliche Verwendung von entsprechend geeigneten Materialien wurde der gesamte Aufbau MRT-kompatibel gestaltet – lediglich die Kamera wird durch einen entsprechenden Aufbau vom Magnetfeld des MRT-Gerätes ferngehalten (siehe Bild 2).

Bild 2: Einsatz des Aufbaus in einem MRT-Gerät am Fraunhofer-Institut für bildgestützte Medizin in Bremen. Der eigentliche Aufbau befindet sich in dem schwarzen Kasten in der Bildmitte, die Kamera am rechten Ende des grauen Rohres. 

Zur quantitativen Temperaturerfassung wurde weiterhin eine Software zur automatischen Aufnahme der Farbinformation mit der Kamera und einer anschließenden Umrechnung der Einzelbilder in zweidimensionale Temperaturaufnahmen entwickelt und eine rückführbare Kalibrierung der Zuordnung von „Farbe“ zu „Temperatur“ mit einer einstellbaren elektrischen Heizfolie und kalibrierten Thermoelementen implementiert. Entsprechende Untersuchungen ergaben dabei, dass unter verschiedenen Möglichkeiten der Farbanalyse die Verarbeitung im HSV-Farbraum (Farbton, Sättigung, Wert) eine höhere Genauigkeit und Reproduzierbarkeit als die im RGB-Farbraum (Rot, Grün, Blau) aufweist.

Ansprechpartner:

Julian Haller, FB 1.6, AG 1.62, E-Mail:julian.haller@ptb.de
Volker Wilkens, FB 1.6, AG 1.62, E-Mail: volker.wilkens@ptb.de


Abt. 1 Mechanik und Akustik

Kontakt

Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dr. Dr. Jens Simon

Telefon: (0531) 592-3005
E-Mail:
jens.simon(at)ptb.de

Anschrift

Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Bundesallee 100
38116 Braunschweig