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Verbesserte Rückführungskette für Brachytherapiequellen mit hoher Dosisleistung (HDR) in der PTB

15.08.2023

Die Brachytherapie ist eine spezifische Tumortherapie mit ionisierender Strahlung, bei der eine radioaktive Quelle in die Nähe von oder in engem Kontakt mit menschlichem Gewebe positioniert wird. Sie wird häufig bei der Behandlung von Gebärmutterhals-, Prostata-, Speiseröhren-, Lungen- und Brustkrebs eingesetzt. Da die Krebszellen direkt bestrahlt werden, ist eine Durchstrahlung von gesundem Gewebe nicht erforderlich, wie dies bei der externen Strahlentherapie der Fall ist. Aufgrund der sehr kurzen Entfernungen ist die Dosimetrie bei der Brachytherapie jedoch recht anspruchsvoll.

Seit etwa drei Jahrzehnten bietet die PTB die Kalibrierung von 192Ir- und 60Co‑Hochdosisleistungs‑Brachytherapiequellen in Bezug auf die Dosisgröße Referenz‑Luftkerma‑Rate (RAKR) an. Die kalibrierten Quellen werden von den Herstellern zur Qualitätssicherung der Quellenproduktion verwendet. Zusätzlich bietet die PTB die Kalibrierung von Schachtkammern für beide Radionuklide an. Schachtkammern werden in Kliniken zur Qualitätssicherung der Therapie eingesetzt.

Die RAKR einer Quelle wird durch Messungen in einem kollimierten Strahlenfeld bestimmt, das durch Positionierung der Quelle in der Mitte einer 30 cm x 30 cm x 40 cm großen Bleikammer mit einer Wandstärke von 5 cm und Kollimatoren aus DensiMet® (einer Legierung aus circa 92 % Wolfram, 4 % Nickel und 4 % Eisen mit einer Dichte von etwa 18 g/cm3) mit einem Durchmesser von entweder 5,5 cm oder 11 cm; ein Roboter positioniert den Mess‑Standard in der Zentralachse des durch den Kollimator definierten Strahlenfeldes (siehe Abbildung 1).

 Aufbau zur Kalibrierung von HDR‑Brachytherapiequellen

Abbildung 1: Aufbau zur Kalibrierung von HDR‑Brachytherapiequellen in einer kollimierten Feldgeometrie: hinten: Bleigehäuse der Quelle mit Kollimator; vorne links: speziell angefertigtes Afterloading‑System; Mitte: Sekundärstandard‑Ionisationskammer LS‑01 (schwarz), die von einem Roboter gehalten wird (vorne rechts).

Zur Bestimmung der RAKR wird eine Sekundärnormal‑Ionisationskammer LS‑01 für Luftkerma frei in Luft verwendet. Um ihre Position in Bezug auf das Zentrum der Strahlungsquelle mit einer Genauigkeit von besser als 0,1 mm zu bestimmen, werden Messungen in fünf verschiedenen Abständen von 800 mm bis 1600 mm in Schritten von 200 mm durchgeführt. Nach Anwendung geeigneter Korrekturen für Streuung und Absorption in der Luft wird die genaue Position der Strahlungsquelle mit Hilfe des inversen quadratischen Gesetzes berechnet. Die Korrekturfaktoren für die Streuung und die Absorption wurden durch Schattenkegel‑Messungen, unterstützt durch Monte‑Carlo‑Rechnungen, ermittelt (Selbach und Büermann 2004).

Bis 2022 wurde die LS‑01 rückführbar auf die Luftkerma‑Primärnormale der PTB für Röntgenstrahlung, das sind die Freiluftkammern PK 100 und PK 400, sowie auf das Luftkerma‑Primärnormal der PTB für 137Cs und 60Co, die Hohlraumkammer HRK 3, kalibriert (PTB 2023). Bei diesem bisherigen Kalibrierverfahren wurde der Kalibrierfaktor der LS‑01 für 192Ir durch Berechnung aus der Energieabhängigkeit des Kalibrierfaktors der Kammer bestimmt, der mit mehreren Röntgenstrahlungsqualitäten zwischen 20 kV und 300 kV sowie 137Cs und 60Co Strahlungsqualitäten bestimmt wurde. Dieser energieabhängige Kalibrierungsfaktor wurde mit dem Linienspektrum der 192Ir-Quelle gewichtet, um den entsprechenden Kalibrierfaktor für die LS‑01 zu erhalten (Selbach und Büermann 2004). Regelmäßige Wiederholungsmessungen der energieabhängigen Kalibrierfaktoren der LS‑01 gegen die entsprechenden primären Freiluft- und Hohlraumkammern der PTB wurden dann alle zwei Jahre durchgeführt. Diese Messungen ergaben, dass die Kammer seit mehr als 15 Jahren stabil ist, und zwar mit ± 0,1 % für 137Cs und 60Co und innerhalb von weniger als ± 1,0 % bis hin zu niederenergetischer Röntgenstrahlung. Daher wurde der Kalibrierungsfaktor der LS‑01 für 192Ir nicht geändert.

Im Jahr 2016 veröffentlichte die Internationale Kommission für Strahlungseinheiten und ‑messungen (ICRU) einen Bericht über aktualisierte Referenzdaten für die Dosimetrie ionisierender Strahlung: ICRU‑Bericht 90 (ICRU 2016). Zur Umsetzung dieses Berichts wurde Anfang 2018 der Kalibrierfaktor der LS‑01 für 192Ir und 60Co um 0,34 % beziehungsweise 0,84 % gesenkt. Die Änderung für 192Ir wurde durch Interpolation der ICRU‑90‑Änderung für N‑300 (eine gefilterte Röntgenqualität mit 248 keV mittlerer Energie) und 137Cs (662 keV) auf die mittlere Energie von 192Ir (400 keV) ermittelt (Büermann 2018). Damit müssen die in den Kalibrierscheinen der PTB vor 2018 angegebenen Ergebnisse für 192Ir mit 0,9966 und für 60Co mit 0,9916 multipliziert werden, um mit den Ergebnissen der ab 2018 ausgestellten Kalibrierscheine verglichen werden zu können. In den entsprechenden Kalibrierscheinen der PTB wird auf den Bericht ICRU 90 verwiesen.

Im Jahr 2023 implementierte die PTB zwei neue Kugel‑Ionisationskammern aus Graphit der Firma PTW: PS‑10 und PS‑50. Diese wurden vollständig charakterisiert, um als primäre Hohlraumkammern für 60Co, 137Cs und 192Ir‑Quellen verwendet zu werden – inklusive Bestimmung des Volumens und sämtlicher Korrektionsfaktoren (experimentell und mittels Monte‑Carlo‑Rechnungen) (Pojtinger und Büermann 2021). Die größere dieser Kammern, die PS‑50, wurde Anfang 2023 zur Rekalibrierung der LS‑01 verwendet. Mit dieser Kammer war es erstmalig möglich, die Kalibrierung der LS‑01 gegen eine primäre Hohlraumkammer, die PS‑50, direkt in einem 192Ir‑Strahlungsfeld durchzuführen, wie es auch für die Kalibrierdienstleistungen der PTB in der HDR‑Brachytherapie-Dosimetrie verwendet wird (das heißt in einem Strahlungsfeld einer 192Ir‑Brachytherapiequelle Microselectron V2 der Firma Curium Netherlands B.V.). Durch diese Optimierung des Kalibrierverfahrens wurde der Referenzwert für 192Ir um 0,83 % abgesenkt und für 60Co um 0,47 % erhöht, das heißt die Ergebnisse aus früheren Kalibrierscheinen müssen für 192Ir mit 0,9917 und für 60Co mit 1,0047 multipliziert werden, um mit den Werten aus PTB‑Kalibrierscheinen ab 2023 verglichen werden zu können. Diese weitere Änderung wird ebenso in den entsprechenden Kalibrierscheinen der PTB erläutert.

Zusammenfassend beträgt die Gesamtänderung des Kalibrierungsfaktors des Sekundärstandards LS‑01 von vor 2018 bis heute eine Verringerung der RAKR um 1,17 % für 192Ir und eine Verringerung um 0,37 % für 60Co.

 

Literatur

 

Ansprechpartner

Opens local program for sending emailRolf Behrens, Fachbereich 6.3, Arbeitsgruppe 6.34

Opens local program for sending emailStefan Pojtinger, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.25

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