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Direkte Messung des Ionisationsquenchingsfaktors von Kernrückstößen in Germanium im keV-Energiebereich

21.12.2022

Eine direkte Messung des Ionisationsquenchingfaktors für Kernrückstöße in Germanium wurde an der PTB‑Ionenbeschleunigeranlage (PIAF) vom Max‑Planck‑Institut für Kernphysik (MPIK) in Zusammenarbeit mit dem PTB‑Fachbereich 6.4 (Neutronenstrahlung) durchgeführt. Die Energieabhängigkeit des Quenchingfaktors wurde durch die Bestrahlung einer dünnen hochreinen Germaniumprobe mit monoenergetischen Neutronen in einer kinematisch vollständig bestimmten Messung bestimmt. Die Ergebnisse sind von zentraler Bedeutung für die Interpretation des vom MPIK geleiteten CONUS-Experiments (COherent Neutrino nUcleus Scattering).

Das Verhalten von Teilchen, die sich durch Materie bewegen, variiert je nach Art der Teilchen, ihrer Energie und dem Medium. In den meisten Fällen tritt eine Ionisierung durch Wechselwirkungen mit atomaren Elektronen und Atomkernen auf. Mehrere Teilchendetektortechnologien machen sich diesen Prozess zunutze, indem sie zum Beispiel die erzeugten geladenen Teilchen (Elektronen und positive Ionen) auffangen und messbare elektrische Signale erzeugen. Alle Wechselwirkungsprozesse, die nicht die gleiche Menge an Ionisierung erzeugen wie die für die Kalibrierung des Detektors verwendeten Teilchen (typischerweise Photonen und Elektronen), werden allgemein mit "Quenching" beschrieben.

Bei Detektoren auf Germaniumbasis ist der Ionisationsquenchingfaktor definiert als das Verhältnis der durch Kernrückstöße erzeugten Ionisierungsenergie zu der durch Elektronenrückstöße derselben Energie erzeugten Ionisierungsenergie. Diese Größe ist entscheidend um das korrekte Verhalten von Detektoren aus hochreinem Germanium (HPGe), die im keV‑Bereich arbeiten, zu verstehen, da diese beispielsweise bei der Suche nach massearmer dunkler Materie und anderen Experimenten der Grundlagenphysik eingesetzt werden.

Das Max‑Planck‑Institut für Kernphysik (MPIK) betreibt derzeit das Experiment CONUS (COherent Neutrino nUcleus Scattering), ein Experiment zum Nachweis der kohärenten Neutrino‑Nukleon‑Streuung an Germaniumkernen [1,2], bei dem vier sub‑keV‑empfindliche HPGe‑Detektoren [3] eingesetzt werden. Im Jahr 2022 führte das MPIK in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 6.4 (Neutronenstrahlung) der PTB eine Messung an der PTB‑Ionenbeschleunigeranlage (PIAF) durch, um die Energieabhängigkeit des Germanium‑Quenchingfaktors direkt zu bestimmen. Ein dünner, hochreiner Germaniumdetektor wurde mit monoenergetischen Neutronen bestrahlt, während er gleichzeitig mit einer Anordnung aus mehreren organischen Flüssig‑Szintillatoren (Neutronendetektoren) umgeben war und mit diesen in Koinzidenz betrieben wurde. Dies ermöglichte die gleichzeitige Bestimmung der Energie der Rückstoß‑Germaniumkerne und der wechselwirkenden Neutronen und damit die Durchführung eines Experiments in einem kinematisch vollständig bestimmten System. Der Quenching‑Faktor wurde durch Vergleich der Ergebnisse mit einer genauen Energiekalibrierung mit Photonenquellen bestimmt. Die Ergebnisse sind veröffentlicht worden in: A. Bonhomme et al, Eur. Phys. J. C (2022) 82:815, https://doi.org/10.1140/epjc/s10052-022-10768-1.

Literatur

[1]    https://www.mpi-hd.mpg.de/lin/research_conus.en.html

[2]    C Buck et al, J. Phys.: Conf. Ser. 1342 (2020) 012094,
https://doi.org/10.1088/1742-6596/1342/1/012094

[3]    H. Bonet et al, Eur. Phys. J. C 81 (2021) 267,
https://doi.org/10.1140/epjc/s10052-021-09038-3

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Opens local program for sending emailE. Pirovano, Fachbereich 6.4, Arbeitsgruppe 6.42

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