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Kalorimetrische Bestimmung des Ansprechvermögens von Ionisationskammern im 6 MV 0,35 Tesla MR-Linac der Universitätsklinik Heidelberg

20.12.2019

Die MR bildgeführte Strahlentherapie, d.h. die Bestrahlung mit hochenergetischer Photonenstrahlung bei gleichzeitiger Bildgebung mittels MR-Tomographie, könnte in den kommenden Jahren zu einer der Standardmethoden in der Strahlentherapie werden. Zur Gewährleistung einer präzisen Dosimetrie in Anwesenheit starker Magnetfelder werden geeignete Primär- und Sekundärnormale zur Messung der Wasser-Energiedosis im MR-Linac benötigt. An der PTB wurde dafür ein MR-kompatibles Wasserkalorimeter entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universitätsklinik Heidelberg wurde das Wasserkalorimeter kürzlich im dortigen 6 MV 0,35 Tesla MR-Linac verwendet, um die für die ionisationskammerbasierte Absolutdosimetrie benötigten kQ,B-Faktoren verschiedener Ionisationskammern experimentell zu bestimmen. Dabei wurden Standardmessunsicherheiten für die gemessenen kQ,B-Faktoren von kleiner als 0,7% erzielt.

Ein MR-Linac kombiniert die Magnetresonanz-Tomografie als bildgebendes Verfahren mit einem medizinischen Beschleuniger für die Strahlentherapie in einem Gerät. Durch die damit gegebene Möglichkeit der adaptiven Bestrahlungsplanung könnten MR-Linacs in den kommenden Jahren zu einer der Standardmethoden in der Strahlentherapie werden. In Deutschland sind derzeit zwei dieser Geräte in Kliniken installiert, gefördert durch die DFG-Großgeräteinitiative 2015. Zur Gewährleistung einer präzisen Dosimetrie mit Ionisationskammern in Anwesenheit starker Magnetfelder muss jedoch sowohl der Einfluss des Magnetfeldes auf das Ansprechvermögen der Ionisationskammer als auch auf die Dosisverteilung berücksichtigt werden. Dabei hängt die Änderung des Ansprechvermögens bei zylindrischen Ionisationskammern auch von der Orientierung der Kammerachse relativ zum Magnetfeld ab. Die direkteste Methode zur Berücksichtigung dieser Einflüsse ist die Kalibrierung der Ionisationskammern unter MR-Linac Bestrahlungsbedingungen bzw. die experimentelle Bestimmung der sogenannten kQ,B-Faktoren der Ionisationskammern mit Hilfe eines geeigneten Primärnormals. Dazu wurde an der PTB ein MR-kompatibles Wasserkalorimeter als Primärnormal für die Wasser-Energiedosis DW entwickelt.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universitätsklinik Heidelberg wurde das neue Wasserkalorimeter kürzlich am dortigen 6 MV 0,3 Tesla MR-Linac der Firma Viewray eingesetzt, um für 8 verschiedene zylindrische Ionisationskammern die kQ,B-Faktoren in senkrechter und paralleler Orientierung zum Magnetfeld zu bestimmen.

Die entsprechenden Messungen verlaufen dabei in einer 2-stufigen Prozedur. Zunächst wird mit Hilfe des Wasserkalorimeters die Wasser-Energiedosis DW am Messort in 10 cm Wassertiefe bestimmt. Dazu wurden ungefähr 80 aufeinanderfolgende Messungen mit jeweils 20 s Bestrahlungsdauer bei einer Dosisleistung von ca. 4,5 Gy/min durchgeführt. Die Feldgröße des 6 MV Photonenfeldes betrug 10 cm x 10 cm am Messort bei einem Abstand zwischen Quelle und Phantomoberfläche von 100 cm. Durch detaillierte Untersuchungen zur Stabilität der Dosisleistung des MR-Linacs vor und während der Messungen mit dem Wasserkalorimeter (Abbildung 1) konnte gezeigt werden, dass die relative Standardabweichung der Beschleuniger-Dosisleitung des MR-Linac kleiner als 0,25% blieb. Daher wurde auf eine permanente externe Monitorrierung verzichtet.

Abb. 1: Bild des MR-kompatiblen Wasserkalorimeters (links) auf dem Patiententisch des MR-Linac der Universitätsklinik Heidelberg. Für die Messungen wird das Kalorimeter in die MR-Röhre hineingefahren. Die 6 MV Photonenstrahlung des Linac gelangt horizontal durch das Strahleintrittsfenster in das Kalorimeter. Das rechts vom Kalorimeter aufgebaute Wasserphantom wurde für zusätzliche Konstanzmessungen der Dosisleistung benutzt.

Im zweiten Schritt der Bestimmung der kQ,B-Faktoren wird nach Beendigung der Kalorimetermessungen eine Ionisationskammer in das Wasserphantom des Kalorimeters eingebaut, entweder senkrecht oder parallel zur Richtung des Magnetfeldes. Aus der Messung der in der Ionisationskammer erzeugten Ladung pro 20 s Bestrahlung und der aufgrund der Kalorimetermessung bekannten Wasser-Energiedosis DW an gleicher Messposition lässt sich der Kalibrierfaktor der Kammer unter MR-Linac Bestrahlungsbedingungen ermitteln und daraus in Folge der entsprechendekQ,B-Faktor der Ionisationskammer. Bei den jetzigen Messungen wurden acht unterschiedliche zylindrische Ionisationskammern mit Messvolumina zwischen 0,015 cm3 und 0,15 cm verwendet. Die folgende Tabelle listet die unterschiedlichen Ionisationskammern auf und präsentiert sowohl das Verhältnis der kQ,B-Faktoren zwischen senkrechter und paralleler Orientierung zum Magnetfeld als auch die kQ,B-Faktoren für parallele Orientierung.

Tabelle mit experimentell bestimmten kQ,B-Faktoren für unterschiedliche zylindrische Ionisationskammern.

 

Ionisationskammer

Volumen/cm3

kQ,B || / kQ,B

kQ,B ||

IBA FC65-G

0,650

1,028

0,986

PTW TM30013

0,650

1,024

0,983

Exradin A19MR

0,620

1,024

0,989

Exradin A28MR

0,125

0,972

0,988

PTW TM31010

0,125

0,988

0,982

PTW TM31021

0,070

0,992

0,983

Exradin A1SLMR

0,053

0,988

0,988

Exradin A26MR

0,015

0,989

0,986

 

Die Analyse aller während der Messungen auftretenden Unsicherheitsbeiträge zeigt, dass die kQ,B-Faktoren mit einer relativen Standardmessunsicherheit weniger als 0,7% bestimmt werden können. Damit stehen erstmalig experimentell ermittelte kQ,B-Faktoren für Ionisationskammern für die Bestrahlungsbedingung in einem 6 MV 0,35 Tesla MR-Linac zur Verfügung. Dies ermöglicht so die rückführbare Dosimetrie mit Ionisationskammern unter Magnetfeldbedingungen.

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