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Abteilungsbericht 2022

Abteilung 7
Titelbild: Wasser-Tripelpunkt-Zelle

Das Jahr 2022 war für Abteilung 7 wieder sehr erfolgreich. Drittmittel, Veröffentlichungen, und akademische Abschlüsse auf der einen Seite sowie Kalibrierungen, Begutachtungen und Gremienarbeit blieben bei leicht gesunkenem Personaleinsatz auf hohem Niveau. Entspre­chend war die Rückmeldung zur Arbeits- und Aufgabenplanung durch das Präsidium durch­weg positiv.

Dr. Jörn Beyer, Fachbereichsleiter 7.6., wurde mit dem diesjährigen IEC 1906 Award der International Electrotechnical Commission ausgezeichnet. Dr. Andreas Steiger, Arbeitsgrup­penleiter 7.34, erhielt auf der IEEE International Instrumentation and Measurement Techno­logy Conference (I2MTC) 2022 den Andy Chi Best Paper Award. Dr. Christian Monte, Ar­beitsgruppenleiter 7.32, wurde zum 1. Oktober mit der Leitung des Fachbereichs 7.3 Detek­torradiometrie und Strahlungsthermometrie beauftragt und trat damit die Nachfolge von Dr. Jörg Hollandt an, der diese Funktion über viele Jahre mit großem Erfolg ausgefüllt hatte.

Das Ausscheiden zum Teil sehr erfahrener Kolleginnen und Kollegen konnte bisher noch durch Neueinstellungen und Funktionsübertragungen gut kompensiert werden, trotz des schwierigen Arbeitsmarktes bei Fachkräften. Abteilung 7 ist dadurch diverser geworden. Be­dingt durch die Altersstruktur stellt Personalentwicklung auf allen Ebenen je­doch auch wei­terhin ein großes Risiko dar und bleibt ein zentrales Thema der Abtei­lung.

Seit 2019 richtet sich die PTB bei ihren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an den metro­logischen Zukunftsthemen Quantentechnologie, Umwelt und Klima, Energie, Digitali­sierung und Medizin aus. Dies gilt auch für Abteilung 7 mit ihren Kernkompetenzen in den Bereichen Thermometrie, thermische Energie, Kryosensorik, Vakuummetrologie, optische Radiometrie und Metrologie mit Synchrotronstrahlung.

Bild 1: Cornelia Aßmann (AG 7.62) im Walther-Meißner-Bau am hochmodernen Raster-Elektronen-Mikroskop als zentrales Instrument für die strukturelle und chemische Diagnostik von Kryosensor-Dünnschichtschaltungen [Bild: ©KLAPSCH].

Die komplexen Anlagen in Abteilung 7 zur Quantentechnologie (SQUID-Entwicklung, Kryo­sensorik, Kryo- und Primärthermometrie, photonische Druckmessung) werden zurzeit in den neuen Walther-Meißner-Bau transferiert und dort sukzessive in Betrieb genommen (Bild 1).

Am 22. April 2022 wurde der Walther-Meißner-Bau als Berliner Dependance des Quanten­technologiezentrums der PTB vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) an die PTB übergeben und feierlich eingeweiht (Bild 2). Hier entsteht in den nächsten Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Technologietransferpartnern Magnicon GmbH und Entropy GmbH ein modernes Applikationslabor für Quantentechnologie-Anwendungen, verbunden mit dem Ausbau der bestehenden Netzwerke, insbesondere mit den Berliner Universitäten, der Europäischen Metrologie-Partnerschaft sowie den metrologischen Staatsinstituten in den USA (NIST) und Japan (AIST).

Bild 2: Einweihung des Walther-Meißner-Baus am 22.04.2022 am Institut Berlin der PTB
1. Reihe (von links nach rechts): Doreen Wernicke (Entropy GmbH, Geschäftsführerin), Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Ullrich (damals Präsident der PTB), Petra Wesseler (Präsidentin des BBR), Canan Rohde-Can (Rohdecan Architekten GmbH), Prof. Dr. Cornelia Denz (heute Präsidentin der PTB), Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus von Klitzing (Ehrenmitglied des PTB-Kuratoriums), Dr.-Ing. Prof. h.c. Frank Härtig (Vizepräsident der PTB), Prof. Dr. Mathias Richter (Abteilungsleiter Temperatur und Synchrotronstrahlung der PTB) 2. Reihe (von links nach rechts): Henry J. Barthelmess (Magnicon GmbH, Geschäftsführer), Dr. Frank Melchert (Leiter Technisch-wissenschaftliche Infrastruktur der PTB in Berlin), Eckart Rohde (Rohdecan Architekten GmbH), Prof. Dr. Tobias Schäffter (Leiter des Instituts Berlin der PTB), MinDirig Dr. Ole Janssen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), Heiko Körner (BBR), Dr. Jörn Beyer (Fachbereichsleiter Kryosensorik der PTB) [Bild: ©PTB].

Parallel zum Umzug in den Walther-Meißner-Bau laufen die Arbeiten der betroffenen Berei­che weiter. So wurde in der AG 7.62 in Kooperation mit der AG 8.24 die Sensorfabrikation für ein neues Multikanalsystem zur SQUID-Mag­netometrie in Ultra-Niedrig­feld-Umgebung abgeschlossen. In Kooperation mit Partnern am Helmholtz-Zentrum Ber­lin (HZB), der Norwegian University of Science and Tech­nology und des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie konnte im Fachbereich 7.6 auch ein neuartiger SQUID-Magnetometer-Aufbau für Untersuchungen an schwach magnetischen Ma­terialen entwickelt werden.

Bild 3: Oberseite der DART-Platine (grün) mit Steckverbindern (hellgrau) und Gehäuse (dunkelgrau). Der Messverstärker ist mit einem zusätzlichen Abschirmgehäuse (schwarz) versehen, dessen Deckel zur Verdeutlichung abgenommen wurde.

In einer Kooperation zwischen AG 7.44 und der Royal Holloway University of London wurde ein Vergleich von zwei unterschiedlichen, SQUID-basierten Rauschthermometern (pMFFT, CSNT) im Temperatur­bereich von 0,2 mK bis 220 mK durchgeführt. Für das neue im Fachbe­reich 7.6 ent­wickelte Dual-mode Auto-calibrating Resistance Thermometer (DART, Bild 3), das Tempe­raturmessung mit industriellen Platin-Widerstandsthermometern und pri­märer Rauschthermo­metrie kombiniert, ist das Patent für die Kommerzialisierung erteilt worden.

Das von der PTB koordinierte EU-Projekt QuantumPascal für neue, quantenbasierte Druck-normale auf der Grundlage optischer, mikrowellenbasierter und dielektrischer Methoden konnte im November 2022 erfolgreich abgeschlossen werden. Dabei wurde auch ein Verfah­ren zur in-situ-Bestimmung der Frequenzeindringtiefe von beschichteten Spiegeln in Fabry-Perot (FP)-basierten Refraktometern vorgestellt.

Bild 4: Röntgenweitwinkelstreuung an einer Perowskit-
Solarzelle mit und ohne Bestrahlung durch eine blaue LED
[N. Phung et al., Joule 6, 2152 (2022)].
Bild 5: Prinzip passiver Strahlungskühlung von Gebäuden durch spezielle weiße Dachfarben.

Das Thema Energie wird in Abteilung 7 unter vielen Aspekten bearbeitet. Im Rahmen des Projekts MetHyInfra (20IND11) konnten in der AG 7.43 in enger Kooperation mit AG 1.45 und AG 1.42 sowie mit Unterstützung durch AG 7.52 die ersten Messungen an einer Durchfluss­messstrecke für kryogene Medien durchgeführt werden, um das Verhalten von Durch­flussmessgeräten unter kryogenen Betriebsbedingungen zu untersuchen, insbesondere für die Wasserstoff-Technologie. In neuartigen hocheffizienten Perowskit-Solarzellen wurden in der AG 7.21 zusammen mit Forschern des HZB Gitterveränderungen durch Beleuchtung im PTB-Labor an der Synchrotron­strahlungsquelle BESSY II mit Röntgenweitwinkelstreuung untersucht (Bild 4).

In zwei neuen Forschungsprojekten der AG 7.32 geht es um passive Strahlungskühlung (Passive Radiative Cooling, PRC) von Gebäuden. PRC-Materialien können die Sonnenstrah­lung effektiv reflek­tieren und gleichzeitig Wärme ableiten. Selbst bei direkter Einstrahlung lassen sich dadurch Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur erreichen und Ener­gieeinsparungen bei der Gebäudeklimatisierung. PaRaMetriC ist ein EPM-Projekt zur Leis­tungsbewertungen von passiver Strahlungskühlung und der Optimierung der PRC-Materia­lien. Ziel des Kooperationsprojekts Cool White des BMZ und der PTB ist dagegen die Unter­suchung des Kühlungseffekts von speziellen weißen Farben auf Dächern (Bild 5).

Die Strahlungsthermometrie in der AG 7.32 liefert aber vor allem auch Beiträge zu einer genaueren Modellierung der Folgen des Klimawandels. So wurde zwischen dem National Insti­tute of Standards (NIST), dem Laborarory for Atmospheric and Space Physics (LASP) und der PTB ein Memo­randum of Understanding zur Entwicklung von Radiometern und extrater­restrischen Be­obachtung des Infrarot-Strahlungsbudgets der Erde vereinbart.

Unter der Überschrift Klima und Umwelt stand auch die elfte Internationale Aerosol Konfe­renz IAC 2022 in Athen, bei der aktuelle Ergebnisse des von der AG 7.24 Röntgenspektro­metrie koordinierten EMPIR-Projektes AEROMET II in einer dedizierten Session zu Advan­ced aerosol metrology for atmospheric science and air quality vorgestellt wurden.

Bild 6: Die Ferninfrarotspektroskopie mit Synchrotronstrahlung ermöglicht die Untersuchung des mechanistischen Verhaltens antimikrobieller Peptide in rekonstituierten Membranen und die Überwachung membranvermittelter antimikrobieller Wechselwirkungen [A. Hornemann et al., ChemPhysChem 23, e202100815 (2022)]

Im Innovationscluster (IC) Gesundheit (bisher Lenkungskreis Medizin) ist Abteilung 7 nicht ver­treten, liefert aber inhaltliche Beiträge. Zur Charakterisierung antimikrobieller Peptide wurde an der Metrology Light Source (MLS) der PTB in Kooperation von AG 7.11 und 7.24 mit der Synchrotronstrah­lungsanlage ELETTRA in Trieste, dem NPL und der Universität Potsdam erfolgreich Ferninfrarot- Spektroskopie eingesetzt (Bild 6). Antimikrobielle Peptide als Effektor-Mole­küle des angebo­renen Immunsystems sind einzigartige alternative Wirk­stoffkandidaten ge­genüber herkömm­lichen Antibiotika.

Bild 7: Laterale Verteilung der Elemente Phosphor, Schwefel, Chlor und Kalium in mit Strahlentherapie behandeltem (links) und unbehandeltem (mittig) Bauchspeicheldrüsenkrebsgewebe sowie gesundem Bauchspeicheldrüsengewebe (rechts) [Bild: Katja Frenzel, AG 7.24]

Im PTB-Labor bei BESSY II wurde dagegen im Rahmen des EMIPR-Projekts RaCHy (Radio­therapy Coupled with Hyperthermia) von AG 7.24 die Leistungsfähigkeit der referenz­probenfreien Röntgenspektrometrie zur Elementanalyse bei der Identifikation von Krebsge­webe untersucht (Bild 7). Das EMPIR-Projekt MetVes II (Standardisation of concentration measurements of extracellular vesicles for medical diagnoses), an dem AG 7.14 und AG 7.21 mit Messun­gen der Röntgen­kleinwinkelstreuung (SAXS) zur Charakterisierung von Referenzpartikeln beteiligt waren, fand einen erfolgreichen Abschluss.

Für berührungslose Körpertemperaturmessungen konnte in AG 7.32 ein neues Normal aufge­baut werden, basierend auf berechenbarer Temperatur-Hohlraumstrahlung aus einem Ammo­niak-Wärme­rohr mit einer isotherm temperierten Blende. In diesem Zusammenhang entstand auch ein Schulungsvideo zur Kalibrierung von Ohr- und Stirnthermometern in Zusammenar­beit mit dem Fachbereich 9.3 und der PTB-Mediengestaltung. Damit sollen insbesondere Ent­wick­lungsländer bei der Bekämpfung der COVID19-Pandemie unterstützt werden.

Bild 8: Arbeitsablauf der digitalen Kalibrierdienste in der Arbeitsgruppe Vakuummetrologie. Zentrales Element ist die Datenbank (umrahmt), die verschiedene Arten von Dokumenten enthält.
Bild 9: Berechnete Temperaturkarten für den Querschnitt eines GAMOR-Doppelresonators beim Füllen mit Gas (obere Reihe) und anschließendem Evakuieren (untere Reihe), dargestellt als Abweichung von der mittleren Temperatur (29,765 °C).
Bild 10: Darstellung der Sigma-Orbitale σ(7,3) und σ(0,8) von Bisanthen (oben) und Cu-metallisiertem Bisanthen (unten) [Haags et al., Sci. Adv. 8, eabn0819 (2022)].

Auch die digitale Transformation hält Einzug in Abteilung 7, zum Beispiel beim Manage­ment von Vakuumkalibrierungen. Gemeinsam mit dem Fachbereich 9.4 hat die AG 7.54 Va­kuum­metrologie eine metrologische Qualitätsinfrastruktur vorgestellt, die die ISO 17025 um­fäng­lich berücksichtigt mit einem Workflow für Kundenkalibrierungen von Vakuummessge­räten (Bild 8).

Vor allem aber spielen digitale Zwillinge, numerische Simulationen und theoretische Modelle eine zunehmende Rolle bei der Entwicklung von Messtechnik, etwa bei der Gasmodulations­refraktometrie (GAMOR) für die Messung von Gasdichte und -druck in AG 7.55 und dem Einfluss thermo­dynamischer Effekte (Bild 9). Für die photonische Druckmessung wurden auch ab-initio-Berechnungen am University College London zur Linienstärke der Wasserab­sorptionslinie (201) 322-(000) 221 im nahen Infrarot mit drei verschiedenen Herriott-Zellen bestätigt.

Der numerischen Modellierung widmen sich auch zwei DFG-Vorhaben. Im Projekt Bayesian Compressed Sensing der AG 7.11 wurden in Kooperation mit den Fachberei­chen 8.4 und 3.1 sowie der FU Berlin aus einem stark reduzierten Messdatensatz einer Probe die vollständigen spektralen Daten von ortsaufgelöster Fourier-Transform-Spektroskopie im Infrarotbereich durch sogenannte Low-Rank-Rekonstruktion ermittelt. Im DFG-Projekt Grundlagen der Photoemissionstomographie der AG 7.13 mit dem Forschungszentrum Jülich und der Uni­ver­sität Graz geht es um numerische Verfahren, um aus dem Impulsvektor von Photoelektro­nen auf die Elektronendichteverteilung des Ausgangszustandes zu schließen. Kürzlich gelang es hier bisher experimentell nicht zugängliche Sigma-Orbitale darzustellen, deren Verände­run­gen zum Verständnis chemischer Prozesse wesentlich sind (Bild 10).

Bild 11: Berechnete Streukurve der kubischen Wolke punktförmiger Streuer (farbige Punkte) mit dem Streuvolumen als farbigen Hintergrund. Das elektronenmikroskopische Bild (unten links) bestätigt die kubische Form der Teilchen.

Zur Auswertung von Messungen mit Röntgenkleinwinkelstreuung (small-angle X-ray scatte­ring, SAXS) hat AG 7.21 die Software Computing Debye's scattering formula for Extraordi­nary Formfactors (CDEF) entwickelt, die eine näherungsweise nu­merische Berechnung von SAXS-Streukurven von beliebig geformten Nanopartikeln ermög­licht (Bild 11). Für die Aus­wertung von quantitativen Röntgenspektrometriedaten nutzt die AG 7.24 den sogenannten OCEAN-Code und hat in Kooperation mit dem NIST eine experimentelle Validierung von berechneten Spektren für Cyanate und Thiocyanate sowie für Titan und Titanoxide veröffent­licht.

Um die Charakterisierung von komplexen Halbleiter-Nanostrukturen zu ver­bessern, hat AG 7.14 ein hybrides Messsystem entwickelt und im PTB-Labor bei BESSY II in Betrieb genom­men, welches Röntgenfluoreszenzspektroskopie und Mes­sungen zur elastischen Streuung mit­einander kombiniert. Für die Auswertung ist eine numeri­sche Simulation der Experimente in Form digitaler Zwillinge genauso erforderlich wie ver­lässliche Fundamentalparameter.

Bild 12: Der komplexwertige Brechungsindex n=1-δ-iβ verschiedener Materialien für die EUV-Lithografie bei einer Wellenlänge von 13,5 nm.

In diesem Zusammenhang hat AG 7.13 gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie ein Vorhaben zur Entwicklung optischer Materialien für den vakuum-ultravioletten Spektral­bereich eingeworben, um eine Rückführung ellipsometrischer Messungen mit Laborgeräten zu ermöglichen. AG 7.14 hat eine allgemein verfügbare Datenbank für optische Konstanten relevanter Materialien im Spektralbereich extremer UV-Strahlung (EUV-Strahlung) ins Leben gerufen (Bild 12). Gerade dieser Spektralbereich hat durch die Einführung der EUV-Lithogra­fie in der Halbleiterfertigung wesentlich an Bedeutung gewonnen.

Auf Daten insbesondere für Anregungswirkungsquerschnitte und Fluoreszenzausbeuten fußt die in AG 7.24 bei BESSY II etablierte, referenzprobenfreie Röntgenfluoreszenzanalyse. Mit dieser Methode nimmt die PTB zurzeit an einem internationalen Ringvergleich im Rahmen des WIPANO-Normungsprojektes KALIB-RFA teil, für das neuartige Multielement-Dünn­schichtproben entworfen, hergestellt und mit verschiedenen analytischen Methoden vorcha­rakterisiert wurden.

Die metrologische Charakterisierung von insbesondere komplexen Verbundmaterialien (Advanced Materials) für Anwendungen in den Bereichen Optik, Halbleiterelektronik, Quan­tentechnologie, Photovoltaik, Energiespeicherung, Katalyse oder Biotechnologie ist auch zentraler Aspekt in der Vorversion eines Conceptual Design Report (preCDR) für eine zu­künftige Synchrotronstrahlungsanlage BESSY III in Berlin-Adlershof, der im September 2022 am HZB einem internationalem Project Advisory Committee (PAC) vorgestellt wurde. Für den Weg zu BESSY III wurde darüber hinaus für die kommenden 10 Jahre ein Upgrade-Programm BESSY II+ entwickelt und von einer internationalen Expertenkommission im Ok­tober 2022 begutachtet, in dessen Rahmen HZB und PTB auch gemeinsam ein neues Undula­torstrahlrohr für Materialmetrologie und insbesondere Batterieforschung im Tender-X-ray-Spektralbereich realisieren wollen.

Für die Bewahrung und den Ausbau der weltweit führenden Stellung der PTB auf dem Gebiet der Metrologie mit Synchrotronstrahlung ist eine moderne Soft- und Tender-X-ray-Synchro­tronstrahlungsquelle in Berlin-Adlershof unverzichtbar, komplementär zur PTB-eigenen MLS für den variablen Metrologie-Betrieb bei niedrigeren Photonenenergien im THz- bis EUV-Spektralbereich. Ein Upgrade-Programm für die MLS wurde in diesem Zusammenhang be­reits auf den Weg gebracht mit PTB-HZB-Sonderprojekten zur Weiterentwicklung der Leis­tungsaufnahme in der MLS-Cavity durch den Einsatz von Halbleitertechnologie im Jahr 2021 sowie zur Weiterentwicklung der Elektronenstrahldiagnose, des MLS-Kontrollraums und des Orbit-Feedback-Systems im Jahr 2022.

In diesem Zusammenhang sind auch der stetige Auf- und Ausbau von Messplätzen und die Ent­wicklung von neuer Messtechnik von großer Bedeutung. Die Entwicklung des sogenannten Steady State Micro Bunching (SSMB) an der MLS in Zusammenarbeit von AG 7.11 und 7.22 mit dem HZB und der Tsinghua University in Peking ist zum Beispiel zur Erzeugung gepuls­ter kohärenter Strahlung hoher mittlerer Leistung für Industrie und Forschung äußerst interes­sant. SSMB lässt sich an der MLS inzwischen über eine Strahldiagnose im THz-Spektral­be­reich gut stabilisieren. Das entsprechende Detektionssystem wurde durch eine schnell schal­tende Pockelszelle optimiert.

Bild 13: Konstruktionszeichnung zum neuen Messplatz für die VUV-Quellenkalibrierung an der MLS.
Bild 14: Das neue EUV-Reflektometer an der MLS mit einer schmiermittelfreien Vakuummechanik.

Für den im Aufbau befindlichen neuen Messplatz für die Kalibrierung von VUV-Strah­lungsquellen an der MLS (Bild 13) wurde in der AG 7.22 eine weltweit erstmals auch für Wellenlängen unterhalb von 200 nm geeignete Ulbricht-Kugel konstruiert, die sich zurzeit in der Fertigung befindet. Eine ebenfalls in AG 7.22 entwickelte und kalibrierte Plasmastrah­lungs­quelle wurde aufbereitet und im Rahmen einer neuen Forschungskooperation dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) für die radiometrische Charakterisierung des EUVST (Extrem-Ultraviolett High-Throughput Spectroscopic Telescope) der geplanten Sonnenmission Solar-C zur Verfügung gestellt.

Die AG 7.13 hat an der MLS eine neue Strahlführung für Dienstleistungen und For­schungs­kooperationen zur Detektor-Radiometrie und Reflektometrie bei Wellenlängen zwi­schen 40 nm und 400 nm in Betrieb genommen. Den gestiegenen Reinheitsanforderungen der Indus­triepartner von AG 7.12 wird das neue schmiermittelfreie EUV-Reflektometer an der MLS gerecht, das Probenmassen bis zu 150 kg aufnehmen kann (Bild 14).

Die AG 7.12 konnte auch im Jahr 2022, trotz Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten durch COVID19 und eine 6-monatige Abschaltung des Speicherrings BESSY II, insbesondere an der MLS die Industrieprojekte zur EUV-Lithografie (EUVL) durchgehend bearbeiten. Die Kooperationspartner tauschten sich aus zu aktuellen Fragen der EUVL-Metrologie während einer eigenen Session über optische Metrologie bei den Photonics Days 2022. Die sehr um­fangreiche Kooperation mit ASML, dem Weltmarktführer von Lithografie-Steppern für die Halbleiterindustrie, wurde um weitere fünf Jahre verlängert.

Neben der Charakterisierung von optischen Komponenten der EUVL spielt die Entwicklung von Messverfahren zur Charakterisierung der komplexen nanoskaligen Halbleiterstrukturen inzwischen eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurden in AG 7.21 und AG 7.14 die beiden komplementären Röntgenverfahren GISAXS (grazing incidence small-angle X-ray scatter­ing) und GEXRF (grazing emission X-ray fluorescence analysis) erfolgreich an einem chrom­be­schichteten, nanostrukturierten TiO2-Gitter miteinander verglichen.

Die Entwicklung und Anwendung von Messtechnik für die Industrie ist der PTB gleichsam in die Wiege gelegt und stellt unabhängig von aktuellen Entwicklungen eine zentrale übergeord­nete Aufgabe dar. Dies gilt auch für die Vakuummetrologie in AG 7.54, wo im Rahmen einer Kooperation ebenfalls zu EUVL mit ASML und Carl Zeiss ein neuer Messplatz für die Kalib­rierung von Referenzausgasungsquellen für Dodekan und Wasser aufgebaut wurde, um Ver­unreinigung von Vakuumkomponenten für EUVL-Anlagen zu quantifizieren. Ein neuentwi­ckeltes Ionisationsvakuummeter für den Druckbereich 10-6 Pa bis 10-2 Pa aus dem von der PTB koordinierten EMPIR-Projekt 16NRM05 wird nun von der Firma INFICON produziert.

Bild 15: Neuer THz-Reflexionsmesskopf mit optimiertem kompaktem mechanischem Design.
Bild 16: MIR-Detektorvergleichsmessplatz.

Andere metrologische Entwicklungen für die Industrie beziehen sich auf Temperatursensoren basierend auf photonischen Mikrochips in der AG 7.45 im Rahmen des EMPIR-Projektes PhotOQuanT sowie auf einen THz-Reflexionsmesskopf (Bild 15) im Rahmen des F&E-Ko­operations­projektes TeraMeTex (Terahertz (THz) Messsystem für Textilbeschichtungen) von AG 7.34.

AG 7.34 konnte im Rahmen des durch das Zentrale Innovations­programm Mittelstand (ZIM) des BMWK geförderte Deutsch-Französische F&E-Kooperati­onsprojekt SCAFT (Sichere Kommunika­tion bei 6G-Frequenzen durch präzise THz-Leistungsmessun­gen) über ortsaufge­löste THz-Transmissions- und -Leistungsmes­sungen auch die Ursache von Inhomogenitäten der Leistungsempfindlichkeit klären. AG 7.33 hat einen Vergleichsmessplatz in Betrieb ge­nom­men, der die Kalibrierung von Kundendetektoren im mittleren Infrarotbereich (MIR) er­laubt (Bild 16).

Der stetige Auf- und Ausbau von Messplätzen und die Weiterentwicklung von Messtechnik ist zentral für die Bewahrung der Spitzenpositionen, in der PTB genauso wie in Abteilung 7, für An­wendungen im Bereich der metrologischen Zukunftsthemen, der Metrologie mit Syn­chrotron­strahlung und der vielen Industriekooperationen genauso wie für die metrologischen Grundlagen von alldem.

So konnten in der AG 7.33 auch die sekundären UV-Detektornormale erstmals mit der Strah­lung einer neuen kompakten und energieeffizienten LDLS (Laser-Driven Light Source) kali­briert werden. Außerdem wurde im Rahmen des EMPIR-Projektes 18SIB10 chipS·CALe die EQD (External Quantum Deficiency) von speziellen, in diesem Projekt hergestellten Induced-Junction-Silizium-Photodioden bestimmt.

In der AG 7.32 ließ sich im Rahmen einer erfolgreich abgeschlossenen Promotionsarbeit das Verfahren zur Emissionsgradmessung an semitransparenten Proben mittels analytischer Me­thoden optimieren. Darüber hinaus wurden durch die Inbetriebnahme eines neuen Cs-Wärme­rohrhohlraumstrahlers die Lücke in der Darstellung der Strahlungstemperatur für die Kalibrie­rung von Infrarot-Kameras zwischen 270 °C und 500 °C geschlossen und die Unsicherheiten deutlich verringert. Schließlich ermöglicht eine modifizierte Laser-Flash-Anlage nun in der AG 7.31 die Messung der spezifischen Wärmekapazität an graphitbeschichteten Proben.

Bild 17: Power-Factor (PF) des neuen auf FeSi2 basierenden Referenzmaterials für Thermoelektrika.

Im Rahmen des im September 2022 abgeschlossenen VIP+ Projekts TESt-HT wurde in Zu­sammenarbeit mit dem DLR Köln auf der Basis von FeSi2 erstmals ein Referenzmaterial für den thermoelektrischen Power-Factor (PF) hergestellt und metrologisch charakterisiert (Bild 17). Es dient als Benchmark im Temperaturbereich zwischen 300 K und 1000 K und deckt damit den gesamten Temperaturbereich gegenwärtig untersuchter thermoelektrischer Hoch­temperaturmaterialien ab.

Im Rahmen einer Kooperation mit dem Leibniz IHP gelang es der AG 7.45, die bisherige hohe optische Güte von Ringresonatoren (Q-Faktor > 100 000) auf der gesamten Fläche eines 8-Zoll-Wafers mit mehr als 10 000 photonischen Strukturen zu realisieren. Auch wurde hier, aus­gehend von den Ergebnissen des EMPIR-Projektes EMPRESS 2, weltweit erstmalig eine Ka­librierung von optischen Thermometern basierend auf Saphir-Faser-Bragg-Gittern gezeigt. In der AG 7.42 wurde in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 2.6 ein in der PTB entwickelter Kryostromkomparator für Messungen mit Widerstandsthermometern eingesetzt, um relevante Einflussgrößen bei Wassertripelpunktzellen (Titelbild) mit bisher unerreichter Genauigkeit untersuchen zu können und die Unsicherheiten in der Primärthermometrie oberhalb von 0 °C zu verringern.

Bild 18: Differenz zwischen thermodynamischer und international vereinbarter Temperatur (Vergleich der neuen „Best Estimates“ mit den Werten aus dem Jahr 2011).
Bild 19: Optischer Zugang des Durchflussprüfstands mittels Laser-Doppler-Velozimetrie und gefilterter Brillouin-Streuung.

Unterhalb von 0 °C wurden in den letzten Jahren mit erheblich verbesserten Primärthermome­tern in der AG 7.43 die Abweichungen zwischen der thermodynamischen Temperatur T und der international vereinbarten Temperatur T90 sehr genau vermessen (Bild 18). In der Ar­beitsgruppe Berührungsthermometrie des Konsultativkomitees für Thermometrie (CCT) wur­den unter Federführung der PTB jetzt genauere T-T90-Werte zur Bestimmung thermodynami­scher Temperaturen mit kleinerer Unsicherheit festgelegt.

Ebenfalls in AG 7.43 wurde ein neuer primärer Druckstandard getestet, der sich auf Kapazitätsmessungen und ab-initio-Berechnungen der thermophysikalischen Eigenschaften von Helium stützt. Mit einer relativen Unsicherheit von etwa 2 ppm bei 7 MPa in Übereinstimmung mit dem weltweit besten mechanischen Druckstand (Kolbenmanometer im Fachbereich 3.3, Unsicherheit: 1 ppm) ergeben sich neue Möglichkeiten für die Druckmetrologie.

Schließlich wurde in einem ZIM-Projekt zum Thema Berührungsloser, hochgenauer Wär­mestromsensor für Flüssigkeiten ein neuartiges, nichtinvasives Messprinzip entwickelt, das gleichzeitig die Bestimmung des Volumenstroms über Laser-Doppler-Velozimetrie und Tem­peratur über die Brillouin-Streuung erlaubt (Bild 19).