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Abteilungsbericht 2021

Abteilung 7
Vergoldete Oberflächenstruktur für möglichst diffuse Infrarot-Reflexion (Bild: Elena Kononogova)

Das Jahr 2021 war für Abteilung 7 nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch auf Grund von Abgängen und krankheitsbedingten Personalausfällen schwierig. Durch hohes Engagement und gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen war es dennoch sehr erfolgreich. Es konnte eine Reihe von neuen Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden, die Drittmittel blieben auf sehr hohem Niveau stabil, Publikationen, Promotionen und auch die Kalibriereinnahmen legten erneut zu. Steffen Rudtsch, Fachbereichsleiter 7.4, wurde zum neuen Vorsitzenden des EURAMET Technical Committee for Thermometry (TC-T) gewählt, Mathias Richter, Abteilungsleiter, in die Vorstände der Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof e.V. (IGAFA) und der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin (PGzB) sowie in den Vorstandsrat der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Der Internetauftritt der Abteilung wurde ein wenig umgestaltet mit einer eigenen Seite für die Metrologie mit Synchrotronstrahlung der Fachbereiche 7.1 und 7.2 an den Elektronenspeicherringen Metrology Light Source (MLS) und BESSY II in Berlin-Adlershof.

Bild 1: Die Teilnehmer des 314. PTB-Seminars „VUV and EUV Metrology“ am 19.-20.10.2021 am Institut Berlin der PTB

Im Bereich EUV-Metrologie mit Synchrotronstrahlung des Fachbereichs 7.1 wurden die Arbeitsabläufe sowie der Strahlbetrieb der PTB-eigenen MLS so an die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie angepasst, dass Dienstleistungen insbesondere für industrielle Partner vollumfänglich stattfinden konnten. Dies wurde auch deutlich beim nunmehr 6. Seminar zur VUV- und EUV-Metrologie, das vom 19. bis 20. Oktober 2021 im Hermann-von-Helmholtz-Bau am Standort Berlin-Charlottenburg in einem hybriden Format stattfand (Bild 1). Neben den großen Fortschritten im Bereich EUV-Lithografie (EUVL) für die Halbleiterindustrie enthielt das Programm wieder zahlreiche interessante Beiträge, etwa aus dem Bereich optischer Technologien oder zu Beschleuniger-basierten Photonenquellen.

Ein Beitrag bezog sich dabei auf ein aktuelles Projekt der jahrzehntelangen äußerst fruchtbaren Kooperation der PTB mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) auf dem Gebiet des Betriebes und der Weiterentwicklung der MLS. In Zusammenarbeit mit der Tsinghua University in Peking konnte erstmals der Effekt des Steady State Micro Bunching (SSMB) auf der ersten Undulator-Harmonischen bei der Anregungswellenlänge von 1064 nm nachgewiesen werden. Die Entwicklung der SSMB-Zukunftstechnologie für neuartige Photonenquellen im VUV- und EUV-Spektralbereich wird auch im Conceptual Design Report (CDR) für die Nachfolgeinrichtungen von MLS und BESSY II in Berlin-Adlershof herausgestellt werden, der zurzeit in enger Abstimmung mit der PTB vom HZB erstellt wird. Für die Koordination der PTB-Beteiligung an diesem Zukunftsprojekt (Berlin Photon Factory) sowie auch des PTB-Doktorandenprogramms konnte in Abteilung 7 eine Stelle eingerichtet und mit Frau Dr. Cornelia Streeck besetzt werden.

Neben der Weiterentwicklung von Beschleunigertechnologie, wie zum Beispiel auch eine aktuelle Arbeit zu laserangeregten Kielwellen in Plasmen (Laser Wakefield), steht der Betrieb von MLS und BESSY II für die Metrologie mit Synchrotronstrahlung im Zentrum der PTB-HZB-Kooperation. Aktuelle wissenschaftliche Erfolge sind dabei im gesamten Spektralbereich von THz- bis Röntgenstrahlung erzielt worden. Im Infrarot-Bereich wurde an der MLS zur Messung der antiferromagnetischen Ordnung mittels Rastersondenmikroskopie ein neuartiger Kontrastmechanismus entwickelt, bei dem lokal induzierte Temperaturgradienten über den Magneto-Seebeck-Effekt nachgewiesen werden. Ebenfalls an der MLS wurde die Methode der VUV-Photoemissionstomographie in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich und der Karl-Franzens-Universität Graz erfolgreich zur Darstellung von Orbitalstrukturen und zum Nachweis chemischer Reaktionen unterschiedlicher Moleküle auf Oberflächen eingesetzt.

Am Vierkristallmonochromator-Strahlrohr des Fachbereichs 7.2 bei BESSY II wurde ein neuer Aufbau in Betrieb genommen, der die Röntgenstreuung an Nanomaterialien in einem externen magnetischen Feld ermöglicht. Damit können die Ausrichtung und die Bildung von Überstrukturen oder magnetsensitive Mikroorganismen unter Einfluss von Magnetfeldern untersucht werden. Darüber hinaus konnte in Zusammenarbeit mit dem HZB, der Universität Hamburg und der Humboldt-Universität zu Berlin mittels anomaler Röntgenkleinwinkelstreuung (ASAXS) und Nahkantenspektroskopie (XANES) erstmals die Physisorption von Xenon-Atomen in einer nanoporösen Silizium-Speicherstruktur direkt beobachtet werden.

Bild 2: Rekonstruktion einer periodischen Si3N4-Nanostruktur mittels maschinellen Lernens und Röntgenfluoreszenz-Spektroskopie unter streifendem Einfall (GIXRF)

Im weichen Röntgenbereich gelang bei BESSY II der Nachweis einer Anisotropie in den optischen Konstanten von Quarzkristallen, was für die Entwicklung neuer optischer Komponenten von großer Bedeutung ist. Auch wurde dort in Kooperation der Fachbereiche 7.1, 7.2 und 8.4 maschinelles Lernen eingesetzt, um periodische Si3N4-Nanostrukturen für die Halbleiterindustrie aus einem kombinierten Einsatz von Röntgenstreuung und Röntgenfluoreszenz elementselektiv zu rekonstruieren (Bild 2).

Bild 3: Operando-Messzelle zur röntgenspektrometrischen Untersuchung an Lithium-Schwefel-Batterien für die Kathoden- (links) und Anodenseite (rechts)

Im Schwerpunktprogramm „Polymer-basierte Batterien“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurden im Rahmen einer Masterarbeit im Fachbereich 7.2 neuartige Batteriezellen durch elektrochemische Charakterisierungen und Impedanzspektroskopie zur Vorauswahl für nachfolgende Operando-Messungen mit röntgenanalytischen Methoden erfolgreich untersucht. Die Alterungsmechanismen in Lithium-Schwefel-Batterien während des Zyklisierens sowie die Umlagerung von Übergangsmetallen von der Kathode auf die Anode von Lithium-Ionen-Batterien waren bereits Gegenstand umfangreicher Messungen bei BESSY II mit quantitativer Röntgenspektroskopie (Bild 3).

Bild 4: Laser-Doppler-Velocimetry (LDV) zur Messung von Strömungsprofilen

Entwicklungen für die Energiewende (Batterieforschung, Photovoltaik) spielen nicht nur bei der quantitativen Untersuchung komplexer Materialien (Advanced Materials) mit Synchrotronstrahlung in den Fachbereichen 7.1 und 7.2 eine zunehmende Rolle sondern auch in den anderen Bereichen von Abteilung 7. Mit ihrer Kernkompetenz der Thermometrie tragen die Charlottenburger Fachbereiche 7.3, 7.4 und 7.5 zu Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in den Querschnittsthemen Energie, Umwelt und Klima bei. Die Effizienz von Solarthermieanlagen und von Kraftwerken aller Art ist durch genaue und moderne Verfahren der Durchfluss- und Wärmemessung im Fachbereich 7.5 im Fokus, etwa über das Verfahren der Laser-Doppler-Velocimetry (LDV, Bild 4). Bei einem gemeinsam mit EMATEM e.V. durchgeführten Online-Workshop im März 2021 ermutigten Vertreter von Industrieverbänden, Messgeräteherstellern, Eichämtern, Prüflaboratorien und Forschungsinstituten aus dem Kreis der über 60 Teilnehmer die PTB, das gravierende Problem von nicht rückgeführten Messungen dieser Art bei höheren Temperaturen (> 90 °C) für Zulassungen und industrielle Anwender durch ein neues Normal zu lösen.

Bild 5: Kombination aus Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometer und Burnett-Expansionsanlage für die Messung der thermophysikalischen Eigenschaften von Gasen
Bild 6: Gas-Modulations-Refraktometrie (GAMOR) für schnelle optische Gasdruckmessungen

Die Realgaseigenschaften von reinem Wasserstoff als Energieträger werden im Fachbereich 7.4 im Rahmen des EMPIR-Projektes MetHyInfra höchstgenau experimentell bestimmt. Darüber hinaus wurde das Projekt H2MIXPROP in Zusammenarbeit mit der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg begonnen, bei dem die Eigenschaften von Wasserstoffgemischen (an der PTB Wasserstoff und Methan) sowohl experimentell als auch theoretisch mit bisher unerreichter Genauigkeit untersucht werden. In beiden Projekten wird eine innovative Kombination aus Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometrie und Expansionsmethoden eingesetzt (Bild 5). Dieses Verfahren wurde ursprünglich entwickelt und genutzt, um die thermophysikalischen Eigenschaften von Neon und Argon auf höchstem Niveau zu untersuchen.

Die Arbeiten an Argon und die Entwicklung der Methodik wurden im Rahmen einer Promotion durchgeführt, gefördert durch die beiden EMPIR-Projekte Real-K und Quantum Pascal. Die Ergebnisse finden insbesondere auf dem Gebiet der Gasmetrologie, wie der primären Gasthermometrie oder bei kapazitiven bzw. optischen Druckstandards im Bereich Vakuum-Metrologie des Fachbereichs 7.5 ihre Anwendung. In diesem Zusammenhang konnte ebenfalls im Quantum-Pascal-Projekt mittels Simulationen und experimenteller Validierung belegt werden, dass bei der Gas-Modulations-Refraktometrie (GAMOR) der thermodynamische Einfluss der Gasexpansion bereits nach wenigen Sekunden unter einem Millikelvin liegt (Bild 6). GAMOR-Systeme sind damit etwa hundertmal schneller messbereit als herkömmliche photonische Drucknormale.

Bild 7: Walther-Meißner-Bau - Zentrum für Quanten- und Kryotechnologie der PTB in Berlin

Die dabei kooperierenden Arbeitsgruppen 7.43 „Kryo- und Primärthermometrie“, 7.55 „Photonische Druckmessung“ sowie 7.44 „Kryotechnik und Temperaturmessung“ werden im Laufe der nächsten Monate ihre Arbeiten in den Walther-Meißner-Bau (WMB) verlagern, ein Forschungsneubau auf dem Campus Berlin-Charlottenburg mit hochspezialisierten Labor-, Mess- und Reinräumen auf einer Nutzfläche von 2.325 m2, der Ende 2021 fertiggestellt der PTB übergeben wurde (Bild 7). Die offizielle Einweihung dieses Zentrums für Quanten- und Kryotechnologie ist für April geplant. Im Mittelpunkt der Nutzung steht die Entwicklung, Herstellung und Anwendung von supraleitenden Quanteninterferenz-Detektoren (SQUIDs) zur Messung kleinster Magnetfelder und Ströme bei tiefen Temperaturen, insbesondere auch für die Rauschthermometrie. Der Fachbereich 7.6 „Kryosensorik“ wird dafür vollständig aus dem Warburgbau in den WMB umziehen, gemeinsam mit seinen beiden Industriepartnern Magnicon GmbH und Entropy GmbH.

Bild 8: Planare Fine-Pitch-Spulen aus Niob, die im Reinraumzentrum in Braunschweig (Fachbereich 2.4) strukturiert wurden
Bild 9: Technologieentwicklung im Walther-Meißner-Bau

Planare Fine-Pitch-Spulen aus Niob (Bild 8) sowie Josephson-Kontakte bilden die Grundlage für SQUID-Sensoren der nächsten Generation. Zur Bestimmung der charakteristischen Parameter kritischer Strom und Normalleitungswiderstand von Josephson-Kontakten wurde unter Beteiligung des Fachbereichs 7.6 in der Arbeitsgruppe 14 des Technischen Komitees 90 „Supraleitung“ der International Electrotechnical Commission eine Norm erarbeitet, die eine neue Mess- und Auswertemethode beschreibt und damit eine sachgerechte und konsensfähige technische Basis für Hersteller und Anwender zur Charakterisierung von Josephson-Kontakten bildet.

Auf dem Gebiet der Entwicklung und Anwendung von Metallic Magnetic Calorimeters (MMCs) arbeitet der Fachbereich 7.6 seit vielen Jahren mit dem Fachbereich 6.1 zusammen. Im November 2021 wurde das von der PTB koordinierte EMPIR-Vorhaben MetroMMC erfolgreich abgeschlossen. Wesentlicher Inhalt waren mit dem Partner CEA-LIST Messungen der Energiespektren von Radionukliden, die durch Elektroneneinfang zerfallen. Das im Juni 2021 begonnene Vorhaben PrimA-LTD (Towards new primary activity measurement standardisation methods based on low-temperature detectors) schließt inhaltlich unmittelbar an mit dem Ziel, MMC-basierte Zerfallsspektrometrie mit direkter Aktivitätsbestimmung zu kombinieren.

Im WMB soll in naher Zukunft ein Applikationslabor für Quantentechnologie-Anwendungen im Millikelvin-Bereich entstehen, verbunden mit dem Ausbau der bestehenden Netzwerke mit der TU Berlin, der HU Berlin, der Berliner Charité, der Universität Heidelberg, der Royal Holloway University, dem NIST, dem AIST, den Firmen Magnicon und Entropy sowie den PTB-Abteilungen 2, 4, 6, 7, 8 und 9 für unterschiedlichste Anwendungen (Bild 9). Auf dem Gebiet der Quantenradiometrie entwickeln zurzeit die Fachbereiche 7.6 und 7.3 zusammen mit der TU Berlin dazu ein spezielles hochempfindliches Kryo-Substitutionsradiometer als elektrisch kalibriertes Primärnormal für sehr geringe Photonenflüsse zur Untersuchung von Einzelphotonenempfängern im sichtbaren und nahen Infrarot-Spektralbereich.

Durch Kalibrierung gegen ein bestehendes Kryo-Substitutionsradiometer wurde im Fachbereich 7.3 die Quanteneffizienz von speziellen „induced junction“ Silizium-Photodioden bestimmt. Damit konnte die Modellierung von Silizium-Photodioden im Rahmen des EMPIR-Projektes chipS·CALe (Selfcalibrating photodiodes for the radiometric linkage to fundamental constants) verbessert werden. In demselben Projekt gelang auch die simultane, direkte Messung des Reflexions-, Transmissions- und Emissionsgrades der dünnen semitransparenten Silizium-Wafer-Schichtstrukturen eines Predictable Quantum Efficient Detector (PQED).

Bild 10: THz-Reflexionsmesskopf zur Qualitätssicherung der Beschichtung von Textilien
(rot: Abstandsmesssystem, gelb: optische Achse des THz-Strahlengangs, blau: Spiegel zur Kollimation und Fokussierung des THz-Strahlengangs, grün: xy-Justage-Einrichtung für THz-Sender und THz-Empfänger)

Materialparameter laminierter Textilien bestimmte der Fachbereich 7.3 im THz-Spektralbereich für das nunmehr abgeschlossene F&E-Kooperationsprojekt TeraMeTex im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) und entwickelte dabei einen neuartigen THz-Reflexionsmesskopf (Bild 10). So konnten die kooperierenden deutschen Institute für Textil- und Faserforschung nachweisen, dass ein schnelles THz-Messsystem des Industriepartners die Schichtdicke, Blasenfreiheit und Haftung zwischen Textil und Beschichtung berührungsfrei inline messen kann.

Neben Kryo-Substitutionsradiometern als primäre Detektornormale setzt der Fachbereich 7.3 auch verschiedene Hohlraumstrahler als primäre Quellennormale ein, deren Strahlung sich nach dem Planckschen Strahlungsgesetz berechnen lässt. Im Infrarot-Spektralbereich gelang dabei kürzlich eine erfolgreiche Validierung der sich im Aufbau befindlichen Skala für spektrale Empfindlichkeit im MIR-Bereich durch die Kalibrierung von pyroelektrischen Detektoren mit beiden Primärverfahren.

Bild 11: Fasergekoppelte Ulbrichtkugel als Transfernormal mit variabler Strahldichte für Meteosat Third Generation in Reinraumkabine am Strahldichtemessplatz

Der Fachbereich entwickelt auch spezielle Referenzhohlraumstrahler und Verfahren zur Erdfernerkundung für die Wetter- und Klimaforschung. So wurden eine Reihe von Emissionsgradmessungen durchgeführt, um die Geometrie und Beschichtung für den Hohlraumstrahler der GLORIA-Stratosphärenballonmission festlegen zu können. Mittels eines portablen, dedizierten Transfernormals variabler Strahldichte auf der Basis einer Ulbrichtkugel (Bild 11) für acht spektrale Kanäle im Wellenlängenbereich von 384 nm bis 2324 nm konnte durch Vergleich mit dem PTB-Primärnormal für spektrale Strahldichte auch die radiometrische Rückführung des Flexible Combined Imagers (FCI), der Bestandteil der bildgebenden Instrumentierung des Wettersatellitenprogramms Meteosat Third Generation (MTG) ist, auf das internationale Einheitensystem sichergestellt werden.