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Der Einsatz von Digitizern an Primärnormalmessständen zur Aktivitätsbestimmung

20.12.2018

Viele grundlegende und seit langem etablierte Methoden zur Aktivitätsbestimmung sind oft rein zählende Experimente, bei denen aus einer experimentell bestimmten Zählrate unter Annahmen über die Nachweiswahrscheinlichkeit die Aktivität berechnet wird. Messverfahren wie die 4πβ‒γ-Koinzidenzmethode oder Flüssigszintillationsverfahren (z.B. TDCR) erfordern mindestens zwei Detektoren, die gleichzeitig ausgelesen werden. Dies beinhaltet eine dedizierte Totzeitlogik und die Definition eines Koinzidenzfensters für die Gleichzeitigkeit von Ereignissen aus mindestens zwei Detektoren. Weiterhin ist das Setzen von Diskriminatorschwellen nötig, um das elektronische und Detektorrauschen zu unterdrücken. Die Festlegung von Diskriminatorbedingungen kann auch notwendig werden, wenn z.B. bestimmte Zweige eines Zerfalls selektiert werden sollen. Bisher wurden solche klassischen Experimentaufbauten in der PTB durch analoge Elektronikmodule realisiert und es wurden oft kommerzielle Systeme eingesetzt, deren interne Logik nicht ohne weiteres nachvollzogen werden kann.

Koinzidenzmesssysteme, bei denen auch Flüssigszintillationsdetektoren zum Einsatz kommen [1], bestehen aus mindestens drei Detektoren, was den Aufwand an analoger Ausleseelektronik deutlich erhöht, da die Anzahl von Kombinationen für mögliche Koinzidenzen stark ansteigt. Nicht zuletzt Entwicklungen in der Medizin, in der eine immer größere Zahl von Radionukliden zu Diagnose- und Therapiezwecken eingesetzt wird, erfordern eine Modernisierung und Erweiterung der Methoden zur Aktivitätsbestimmung. Vor allem die kurzen Halbwertszeiten von Radionukliden, die bei der Positronenemissionstomographie (PET) eingesetzt werden und Alpha-Strahler mit mehreren instabilen Tochternukliden stellen hierbei die beiden größten Herausforderungen dar [2], [3].

Es wurde ein mobiles Koinzidenzsystem entwickelt, das aus einem Flüssigszintillationsdetektor mit drei Photomultipliern zum Nachweis von Alpha- und Beta-Teilchen und einem zusätzlichen Detektor zum Nachweis von Photonenstrahlung besteht. Hiermit kann die Aktivität vieler Nuklide nach der TDCR- und sowie auch nach der 4πβ‑γ‑Koinzidenzmethode mit ähnlichen Unsicherheiten wie mit stationären Systemen im Labor bestimmt werden. Allerdings hat sich bei Testmessungen herausgestellt, dass bei kurzen Halbwertszeiten von einer Stunde oder weniger die Einstellung der analogen Ausleseelektronik bereits zeitkritisch wird und die Qualität der Messungen limitiert. Daher wurde das System mit einem Vierkanal-Digitizer ausgestattet, der mit einer Sampling-Frequenz von 1 GHz alle Detektoren ausliest und alle Ereignisse, die eine sehr niedrige Hardwareschwelle überschreiten mit Zeitinformation und integrierter Ladung in einer Listmode-Datei speichert. Diese Datei wird nach Abschluss der eigentlichen Messung ausgewertet, so dass es nachträglich möglich wird, detailliert den Einfluss von Tot- und Koinzidenzzeit und Schwellen bzw. Fenstern (selektierte Energiebereiche) zu untersuchen, ohne die Messungen wiederholen zu müssen. Auch Antikoinzidenzzählung ist mit einem solchen Datensatz möglich.

Dieser Ansatz vergrößert die Möglichkeiten und kann insbesondere bei der Standardisierung von Radionukliden mit verzögerten Niveaus [4] die Messdauern drastisch verringern und die methodischen Unsicherheiten deutlich reduzieren. Abhängig vom Zerfallsschema lassen sich durch geeignete Wahl der Einstellungen Halbwertszeiten verzögerter Niveau-Übergänge oder Halbwertszeiten einzelner Tochternuklide aus einer Zerfallskette bestimmen. Aufgrund der vielen Vorteile und des hohen Potenzials werden mittelfristig weitere Primärnormalmessstände zur Darstellung der Einheit Becquerel mit Digitizern ausgerüstet.

Literatur

  1. Marganiec-Gałązka, J., Nähle O.J., Kossert, K.:
    Activity determination of 68Ge/68Ga by means of 4πβ(Č)-γ coincidence counting.
    Applied Radiation and Isotopes 134 (2018) 240-244.
  2. Kossert, K., Bokeloh, K., Dersch, R., Nähle, O.J.:
    Activity determination of 227Ac and 223Ra by means of liquid scintillation counting and determination of nuclear decay data.
    Applied Radiation and Isotopes 95 (2015) 143-152.
  3. Kossert, K.:
    Half-life measurement of 212Pb by means of a liquid scintillator-based 220Rn trap.
    Applied Radiation and Isotopes 125 (2017) 15-17.
  4. Nähle, O.:
    Activity determination of 67Ga using 4πβ-γ coincidence counting.
    Applied Radiation and Isotopes 134 (2018) 286-289.

Ansprechpartner
Opens window for sending emailO. Nähle, Fachbereich 6.1, Arbeitsgruppe 6.11,
Opens window for sending emailK. Kossert, Fachbereich 6.1, Arbeitsgruppe 6.14,
Opens window for sending emailM. Takács, Fachbereich 6.1, Arbeitsgruppe 6.11