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Erster internationaler Vergleich der Primärnormale für die Wasser-Energiedosis bei Röntgenstrahlung

15.12.2016

Die PTB war Koordinator des ersten internationalen Vergleiches der Primärnormalmesseinrichtungen zur Darstellung der Einheit der Wasser-Energiedosis bei Röntgenstrahlungen mit Erzeugerspannungen zwischen 100 kV und 250 kV. Neben der PTB gibt es weltweit nur drei weitere nationale Metrologieinstitute, die derartige Primärnormale haben, nämlich die Niederlande, Frankreich und Italien Die Ergebnisse des Vergleiches zeigen, dass die Primärnormale innerhalb ihrer erweiterten Unsicherheiten konsistent sind. Eine etwas differenziertere Analyse der Ergebnisse gibt Hinweise auf Verbesserungen an einigen Primärnormalen.

Die grundlegende Messgröße in der Strahlentherapie mit harter Röntgenstrahlung (Erzeugerspannungen von 100 kV bis 300 kV) ist die Wasser-Energiedosis in der Einheit Gray (Gy) in einer Tiefe von 2 cm [1] in Wasser. Zur Darstellung der Einheit betreibt die PTB eine Primärnormalmesseinrichtung (im Folgenden kurz als Primärnormal bezeichnet) auf Basis eines Wasserkalorimeters [2]. Weltweit gibt es derzeit nur drei weitere derartige Primärnormale, nämlich in den Niederlanden (VSL) [3], in Frankreich (LNHB) [4] und in Italien (ENEA) [5]. Während die Primärnormale des VSL und LNHB ebenfalls auf einem Wasserkalorimeter basieren, verwendet ENEA ein Grafitkalorimeter in einem Wasserphantom.

Im Rahmen des Ende Mai 2015 ausgelaufenen EMRP Projektes HLT09 „Metrology for radiotherapy using complex radiation fields“ wurde in den Jahren 2014 und 2015 ein erster internationaler Vergleich dieser Primärnormale durchgeführt. Die PTB war Koordinator dieses Vergleiches. Dabei wurden drei Transfer-Ionisationskammern von allen Teilnehmern in der Tiefe 2 cm eines Wasserphantoms gegen deren Primärnormale in der Messgröße Wasser-Energiedosis kalibriert. Für den Vergleich wurden die BIPM-Strahlungs-qualitäten mit Erzeugerspannungen 100 kV, 135 kV, 180 kV und 250 kV gewählt, die im Folgenden als F100, F135, F180 und F250 bezeichnet werden. Die PTB führte zum Vergleich alle Kalibrierungen auch für die 7 Strahlungsqualitäten nach DIN 6809-4 mit Erzeugerspannungen von 100 kV bis 280 kV durch, weil diese bei Routinekalibrierungen für Kunden verwendet werden. Zusätzlich wurden die Transferkammern auch in der Messgröße Luftkerma frei in Luft bei den gleichen Strahlungsqualitäten kalibriert. Nach den jeweiligen Messungen der Teilnehmer gingen die Transferkammern zur PTB zurück, um deren Stabilität durch eine Re-Kalibrierung zu überprüfen. Am Ende der Vergleichsmessungen lagen dann die Kalibrierfaktoren für die Wasser-Energiedosis und Luftkerma, NDw und NK, von jedem Teilnehmer zur Auswertung vor.

Aus den Wiederholungsmessungen an der PTB ließ sich folgern, dass das Ansprechvermögen aller drei Transferkammern während der Zeit der Vergleichsmessungen innerhalb von 0,1 % stabil war. Die Vergleichsergebnisse der drei Transferkammern untereinander waren sowohl für NDw als auch NK innerhalb von 0,2 % konsistent. Die Ergebnisse des Vergleiches der Luftkerma-Kalibrierfaktoren NK erwiesen sich als konsistent mit entsprechenden Ergebnissen aus früheren bilateralen Schlüsselvergleichen der Teilnehmer mit dem Bureau International des Poids et Mesures (BIPM).

Die Wasser-Energiedosis-Kalibrierfaktoren NDw wurden im Rahmen des sogenannten „Grades der Übereinstimmung mit dem Vergleichs-Referenzwert“ D und dessen erweiterten Unsicherheit U(D) ausgewertet. Der Vergleichs-Referenzwert wurde als der mit den Unsicherheiten gewichtete Mittelwert aller Teilnehmer berechnet. Der Grad der Übereinstimmung ergibt sich aus der Differenz des Kalibrierfaktors des Teilnehmers und dem Referenzwert dividiert durch den Referenzwert in Einheiten von mGy/Gy. Die relativen Standardmessunsicherheiten der Referenzwerte lagen bei etwa 0,5 %. Die Ergebnisse sind in der Abbildung 1 zusammengefasst.

Der Abbildung ist zu entnehmen, dass die Ergebnisse aller Teilnehmer mit den Referenzwerten des Vergleiches innerhalb der erweiterten Unsicherheiten konsistent sind. Die relativen erweiterten Unsicherheiten der Ergebnisse der auf Wasserkalorimeter basierten Primärnormale lagen zwischen 1,0 % und 1,8 % und diejenigen des Grafitkalorimeters bei 3,7 %. Die signifikant größere Unsicherheit ist damit zu erklären, dass das Grafitkalorimeter-System eine komplette Neuentwicklung im Rahmen des EMRP Projektes war und erstmalig für den Vergleich in Betrieb genommen wurde.

Eine etwas differenziertere Analyse der Resultate ergibt sich aus dem Vergleich der Verhältnisse NDw / NK. Theoretisch sollte dieses Verhältnis exakt dem Verhältnis der Massen-Energieübertragungskoeffizienten von Wasser zu Luft folgen, wenn die verwendete Ionisationskammer im Wasserphantom perfekt die Luftkerma anzeigt. Da der verwendete Kammertyp bezüglich des Luftkerma-Ansprechvermögens für die verwendeten Röntgenstrahlungen fast energieunabhängig ist, sollte diese Bedingung näherungsweise erfüllt sein. Die Abbildung 2 zeigt das Verhältnis NDw / NK der verschiedenen Teilnehmer als Funktion der mittleren Energie der Röntgenstrahlung. Gestrichelt eingezeichnet ist auch das mittlere Verhältnis der Massen-Energieübertragungskoeffizienten von Wasser zu Luft. Neben den Ergebnissen für die BIPM Strahlungsqualitäten sind auch die PTB-Ergebnisse für die Strahlungsqualitäten nach DIN 6809-4 eingetragen. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass die PTB Ergebnisse innerhalb der Unsicherheiten dem aus der Theorie erwarteten Verlauf folgen, während einige Ergebnisse der anderen Teilnehmer teilweise doch deutlich davon abweichen. Diese Analyse gibt erste Hinweise für zukünftige Verbesserungen an den Primärnormalen.

Die Ergebnisse des Vergleiches wurden unter der Bezeichnung EURAMET.RI(I)-S13 in die „key comparison data base (KCDB)“ des BIPM aufgenommen und sind im Technischen Anhang von Metrologia [6] publiziert.

Referenzen

  1. E DIN 6809-4:2016-06:
    Klinische Dosimetrie - Teil 4: Röntgentherapie mit Röntgenröhrenspannungen zwischen 10 kV und 300 kV
  2. Krauss A., Büermann L., Kramer H.-M. and Selbach H.-J.:
    Calorimetric determination of the absorbed dose to water for medium-energy x-rays with generating voltages from 70 kV to 280 kV.
    Phys. Med. Biol. 57 6245-68 (2012)
  3. De Prez L. A. and de Pooter J. A.:
    The new NMi orthovolt X-rays absorbed dose to water primary standard based on water calorimetry.
    Phys. Med. Biol. 53 3531-42 (2008)
  4. Rapp B., Perichon N., Denoziere M., Daures J., Ostrowski A. and Bordy J.-M.:
    The LNE-LNHB water calorimeter for primary measurement of absorbed dose at low depth in water: application to medium-energy x-rays.
    Phys. Med. Biol. 58 2769-86 (2013)
  5. Pinto M, Pimpinella M, Quini M, D’Arienzo M, Astefanoaei I, Loreti S and Guerra A S:
    A graphite calorimeter for absolute measurements of absorbed dose to water: application in medium-energy x-ray filtered beams.
    Phys. Med. Biol. 61 (2016) 1738–1764 (2016)
  6. Büermann L., Guerra A. S., Pimpinella M., Pinto M., de Pooter J., de Prez L., Jansen B., Denoziere M. and Rapp B.:
    First international comparison of primary absorbed dose to water standards in the medium-energy X-ray range.
    Metrologia 53(2016) Tech. Suppl. 06007 (2016)