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Messungen des Sekundärneutronenfeldes an der OncoRay Protonentherapieeinrichtung in Dresden

05.12.2016

Bonnerkugel-Messung mit einem antropomorphen Phantom an der OncoRay Protonentherapieeinrichtung in Dresden (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden).

In der modernen Bestrahlungstherapie wird eine optimierte Dosisdeposition im Tumorgewebe angestrebt, während zur gleichen Zeit die integrale Dosis im gesunden Gewebe und in Risikoorganen minimal gehalten werden soll. Durch den technischen Fortschritt im Bereich der Strahlerzeugung und Strahlführung ist die Protonentherapie eine Tumortherapiemethode mit vielversprechendem Potential. Aufgrund ihrer einzigartigen physikalischen Eigenschaften ermöglicht die Nutzung von Protonenstrahlen eine Deposition hoher Dosen an der Tumorposition während die Strahlenbelastung des umliegenden Gewebes vergleichsweise niedrig ist. Zusätzlich zur Protonenstrahlung ist der Patient aber auch einer Sekundärstrahlung in Form von Neutronen, Photonen und geladenen Teilchen ausgesetzt, die durch Kernreaktionen durch die hochenergetischen Protonen erzeugt werden. Diese Sekundärstrahlung erhöht die Dosis außerhalb des Zielvolumens und kann so zu Schädigungen des gesunden Gewebes führen. Die Bestimmung dieser zusätzlichen Dosis durch die Sekundärstrahlung ist für die  Beurteilung des Risikos für Sekundärtumore wichtig.  Neutronenstrahlung kann dabei den größten Beitrag liefern und insbesondere bei pädiatrischen Behandlungen und der Bestrahlung von Schwangeren relevant sein.

Um die  Dosis außerhalb des Zielvolumens zu bestimmen, ist die Kenntnis der Energieverteilung, der räumlichen Verteilung und der Intensität der Neutronenstrahlungskomponente als Funktion der Strahleinstellungen und der speziellen Patientengeometrie erforderlich. Diese Informationen sind jedoch nur sehr begrenzt zugänglich und mit großen Unsicherheiten behaftet. Daher  sind detaillierte Untersuchungen des Strahlenfeldes unter Therapiebedingungen sehr wichtig. Da die Dosiskonversionskoeffizienten stark von der Energie der Neutronen abhängen, ist insbesondere die Kenntnis der Neutronenenergieverteilung nötig. Diese Verteilungen können mit Hilfe von  Monte Carlo Teilchentransport-Codes simuliert werden. Dabei ist es jedoch wichtig, die Rechnungen durch Experimente unter realistischen Bedingungen zu validieren.

In Kollaboration mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat die PTB Messungen der Neutronenenergieverteilungen an der OncoRay Protonenherapieeinrichtung in Dreseden (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden) durchgeführt. Für die Validierung der Computersimulationen, die die Basis für die Berechnung der Neutronendosis im Patienten bilden,  wurden Simulationen (HZDR) und Messungen (PTB) der Sekundärneutronen für verschiedene Protonenstrahlbedingungen im Therapieraum durchgeführt. Zusätzlich wurden Simulationen und Messungen mit ähnlichen Aufbauten in einer Experimentierhalle durchgeführt. Der von uns verfolgte Ansatz  bestand in der detaillierten Simulation des Strahlentstehungsprozesses mit GEANT4, um alle möglichen Bestrahlungskonfigurationen  abzudecken, in Verbindung mit der präzisen Messung einiger ausgewählter Konfigurationen mit einem erweiterten Bonnerkugel Spektrometer (ERBSS) zur Validierung der Rechnungen.

Die Messungen der Sekundärneutronen wurden mit dem PTB Bonnerkugel Spektrometer NEMUS (NEutron MUltisphere Spectrometer) durchgeführt. Das Vielkugelspektrometer NEMUS ist das Sekundärnormal der PTB zur Weitergabe der Einheit für die Umgebungsäquivalentdosis für Neutronenstrahlung in unbekannten Strahlungsfeldern, wie zum Beispiel an Arbeitsplätzen und in der Umgebung. NEMUS besteht aus einem Satz von Moderatorkugeln. Im Zentrum jeder Kugel befindet sich ein Detektor, der die im Moderator thermalisierten Neutronen nachweist. Die Ansprechfunktion von NEMUS ist validiert und rückführbar auf PTB Primärstandards für Neutronenstrahlung. NEMUS ist unempfindlich gegen andere Strahlenarten (z. B. Gammastrahlung).

Die Messkampagne an der OncoRay Protonentherapieeinrichtung in Dresden fand im Dezember 2015 statt. Die Validierung der Ergebnisse aus den Monte Carlo Simulationen wird aktuell durchgeführt.