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Kooperation mit dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentum (HIT) auf dem Gebiet der Dosimetrie therapeutisch genutzter Kohlenstoffstrahlen

23.03.2015

Die Verwendung von Protonen oder auch Schwerionen zur therapeutischen Bestrahlung von Krebspatienten kann deutliche biologische und physikalische Vorteile gegenüber einer konventionellen Strahlentherapie mit Photonen oder Elektronen aufweisen. Ein wesentlicher Vorteil bei der Bestrahlung mit Ionen ist ihr invertiertes Tiefendosisprofil, welches eine hohe lokale Dosisdeposition bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes erlaubt [1]. Seit November 2009 werden am HIT Protonen und Kohlenstoffionen in der Krebstherapie eingesetzt. Mit Hilfe einer speziellen Bestrahlungsmethode, dem so genannten „intensitätsmodulierten Rasterscan-Verfahren“, wird der geladene Teilchenstrahl mittels magnetischer Ablenkung hoch präzise über das dreidimensionale Tumorgewebe bewegt. Diese Methode ermöglicht es daher auch schwer zugängliche Tumore sowie Tumore neben sehr strahlenempfindlichem Gewebe mit höchster Genauigkeit  zu bestrahlen.

Gleichzeitig verlangt eine so präzise Strahlentherapie mit der Möglichkeit der hohen lokalen Dosisdeposition auch nach einer sehr genauen Dosimetrie, um die Qualität der Bestrahlung zu verifizieren und zu sichern. Messgröße in der Dosimetrie für die Strahlentherapie ist die sogenannte Wasser-Energiedosis, die z. B. mit Hilfe kalibrierter Ionisationskammern bestimmt werden kann. Für Ionenstrahlung hat die Bestimmung der Wasser-Energiedosis bis heute allerdings noch nicht die gleiche Präzision erreicht wie für konventionelle, hoch-energetische Photonenstrahlung. So beträgt die relative Standardmessunsicherheit bei der Dosimetrie von Kohlenstoffstrahlen ca. 3 % und ist damit rund dreimal so groß im Vergleich zu hoch-energetischen Photonen [2]. Dieser deutliche Unterschied in der Messunsicherheit wird maßgeblich durch die Unsicherheit des kQ,Q0-Faktors bestimmt, welcher das unterschiedliche Ansprechvermögen von Ionisationskammern auf die verwendete Strahlungsqualität Q (hier: 12C) im Vergleich zur Referenzstrahlungsqualität Q0 (60Co) berücksichtigt. Eine Vergleichsstudie zwischen fluenz-basierter und ionisations-basierter Dosismessung im klinischen Kohlenstoffstrahl hat eine signifikante Diskrepanz gezeigt, welche unter anderem auf einen ungenauen kQ,Q0-Faktor deuten könnte [3]. Bis heute basiert die Kenntnis der klinisch verwendeten kQ,Q0-Faktoren auf Rechnungen unter Verwendung der Hohlraumtheorie sowie teilweise auf Monte-Carlo-Simulationen des Teilchentransports. Experimentell kann der kQ,Q0-Faktor einer Ionisationskammer unter Verwendung eines Primärnormals für die Wasser-Energiedosis bestimmt werden, indem man die Ionisationskammer direkt in der gewünschten Strahlungsqualität Q kalibriert [4]. Unter Verwendung eines transportablen Wasserkalorimeters für die Absolutbestimmung der Wasser-Energiedosis im Kohlenstoffstrahl  hat sich die PTB in Kooperation mit dem HIT seit November 2013 zum Ziel gesetzt, den  kQ,Q0-Faktor für Ionisationskammern mit einer relativen Standardmessunsicherheit kleiner 1 % zu bestimmen, was die Messunsicherheit in der klinischen Dosimetrie von Ionenstrahlung wesentlich reduzieren würde.

Abb. 1: Experimenteller Aufbau des transportablen PTB Wasserkalorimters am Qualtitätssicherungs-Messplatz am HIT. Das Gestell des Kalorimeters ist dabei fest mit dem Boden verankert um reproduzierbare Messbedinungen zu ermöglichen.

Abb. 2: a) Direkter Vergleich des Wasserkalorimeters und des Phantoms. b) Schematische Darstellung des Wasserkalorimeters zur Veranschaulichung des Phantomaufbaus.

Die prinzipielle Anwendbarkeit des transportablen PTB Wasserkalorimeters im Kohlenstoffstrahl wurde bereits in Testmessungen bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt gezeigt. Um die beabsichtigte Messunsicherheit in der Bestimmung der kQ,Q0-Faktoren erreichen zu können, sind jedoch wesentliche Vorarbeiten nötig, um die Bestrahlungsbedingungen am HIT für Messungen mit dem Wasserkalorimeter zu optimieren. So sollte das verwendete „Rasterscan-Verfahren“ eine möglichst homogene Dosisverteilung mit hoher Reproduzierbarkeit am Messort des Kalorimeters erzielen. Gleichzeitig sollte die Bestrahlungsdauer möglichst kurz sein, um die durch das Zerfließen der ursprünglichen Temperaturverteilung der einzelnen Strahlspots verursachten Wärmeleitungseffekte zu minimieren.

Für die genaue Bestimmung und Optimierung der Strahleigenschaften am Messort des Wasserkalorimeters bezüglich Größe der Strahlspots, Abstand benachbarter Bestrahlungspunkte und Rastermuster wurde ein spezielles Phantom entwickelt (s. Abbildung 2), welches die realen Messbedingungen des Wasserkalorimeters wiederspiegelt. Durch Ersetzten des Wassers durch wasseräquivalentes RW3-Material können Messungen mit diesem Kalorimeter-Phantom „im Trockenen“ durchgeführt werden, was den flexiblen Einsatz verschiedenster dosimetrischer Messmittel (bspw. radiographischer Film, verschiedenste Ionisationskammern, Vieldrahtkammer, 2D Array, Flachbild-Detektor) ermöglicht. Als Ergebnis dieser Voruntersuchungen haben sich für die kalorimetrischen Messungen im Plateaubereich der Tiefendosiskurve des 12C-Feldes (wasseräquivalente Tiefe: 6,7 cm) folgende Bestrahlungsparameter als optimaler Kompromiss zwischen den verschiedenen Anforderungen herausgestellt: Der 12C-Nadelstrahl wird mit einer Energie von rund 368 MeV/u und einer Halbwertsbreite von 5 mm – 6 mm über ein ca. 5,8 x 5,8 cm2 großes Bestrahlungsfeld gescannt, welches aus insgesamt 1352 Bestrahlungspunkten besteht. Das Raster ist so gewählt, dass die einzelnen Punkte in einer dichtesten Kugelpackung angeordnet sind mit einem Abstand zwischen benachbarten Bestrahlungspunkten von 1,6 mm. Nach einer Bestrahlungsdauer von rund 90 s baut sich unter diesen Bedingungen eine weitestgehend  homogene Dosisverteilung mit einer Gesamtdosis von ca. 1,5 Gy auf.

Mit diesen Bestrahlungsbedingungen wurden in einem ersten Experiment Messungen mit dem Wasserkalorimeter und zwei verschiedenen Ionisationskammern durchgeführt. Die dabei zusätzlich vorgenommene regelmäßige Überprüfung des Strahlapplikations-Monitorsystems sowie der lateralen Dosisverteilung deutet auf eine sehr gute Reproduzierbarkeit der einzelnen Bestrahlungen  auch über längere Zeiträume hin.

Diverse weitere Experimente mit dem Wasserkalorimeter sowie Finite-Elemente Rechnungen zur Bestimmung verbleibender Wärmeleitungseffekte und Monte-Carlo Simulationen zum Teilchentransport sind erforderlich, um die notwendigen Korrektionsfaktoren wie z. B. für Wärmeleitungseffekte, Pertubationseffekt, Polarisationseffekt und Sättigungseffekt, detailliert zu bestimmen.

Aufgrund der durchgeführten Voruntersuchungen und der Erkenntnisse des ersten Experimentes erscheint es realistisch, die erstmalige experimentelle Bestimmung des des kQ,Q0-Faktors von Ionisationskammern im Kohlenstoffstrahl mit einer relativen Standardmessunsicherheit kleiner 1 % zu erreichen.

Referenzen

  1.  J. Debus
    Particle therapy – Physical, technical and clinical aspects.,
    European Journal of Cancer, 45:381-382
    , 2009.
  2. International atomic energy agency:
    Absorbed dose determination in external beam radiotherapy.
    Technical Reports Series No. 398. IAEA, 2000.
  3. Osinga, J.-M., Brons, S., Bartz, J.A., Akselrod, M.S., Jäkel, O. and Greilich, S.:
    Absorbed dose in ion beams: comparison of ionization- and fluence-based measurements.
    Rad. Prot. Dos., doi:10.1093/rpd/ncu004, 2014.
  4. Krauss, A. and Kapsch R.-P.:
    Experimental determination of kQ factors for cylindrical ionization chambers in 10 cm x 10 cm and 3 cm x 3 cm photon beams from 4 MV to 25 MV.
    Phys. Med.
    Biol., 59:4227-4246, 2014.

Ansprechpartner
Opens window for sending emailA. Krauss(at)ptb.de, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23
Opens window for sending emailJ.-M. Osinga(at)ptb.de, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23

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