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Messungen im Streustrahlungsfeld eines medizinischen Beschleunigers

09.07.2014

In der Medizin werden zur Tumor-Strahlentherapie vermehrt medizinische Linearbeschleuniger eingesetzt. Dabei werden Pulse hochenergetischer Elektronen in einem Target abgebremst, so dass hochenergetische gepulste Bremsstrahlung erzeugt wird. Diese gepulste Strahlung hat eine feste Dosis pro Strahlungspuls, so dass die Gesamtdosis proportional zur Anzahl der Pulse ist. Aufgrund der hohen Photonenenergien ist zur Abschirmung viel Material notwendig. Insbesondere im Beschleunigerkopf ist dies aus Gewichtsgründen nicht oder nur begrenzt möglich, so dass dadurch mit einem intensiven Streustrahlungsfeld im gesamten Therapieraum gerechnet werden muss.

Während einer Tumorbestrahlung dürfen mit Ausnahme des Patienten keine Personen im Therapieraum anwesend sein. Bei der Therapie von Intensivpatienten besteht andererseits die Notwendigkeit im Notfall schnell am Patienten zu sein. Dies kann aufgrund der Schleusenzeiten beim Betreten des Therapieraumes nur schwer realisiert werden. Aus diesem Grund wäre es manchmal wünschenswert, das eine betreuende Person im Therapieraum auch während der Bestrahlung anwesend ist. Zur Abschätzung der Dosisbelastung beim Aufenthalt im Therapieraum während der Bestrahlung wurden nachfolgend beschriebene Messungen durchgeführt.

Zur Untersuchung des Streustrahlungsfeldes im Bereich des Patienten bzw. im gesamten Therapieraum wurde die Ortsdosisleistung an verschiedenen Punkten bestimmt. Die Messungen wurden mit Ionisationskammern für die Messgrößen Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) und Tiefen-Personendosis Hp(10) an den Elekta-Precise-Beschleunigern der PTB durchgeführt. Die Messgeräte wurden so ausgewählt, dass sie auch die gepulste Strahlung richtig messen können.

Die Ergebnisse der ersten Messreihe sind in Abb. 1 zusammengefasst. Es ist erkennbar, dass die gemessene Dosisleistung mit dem Abstand vom Iso-Zentrum und vom Beschleunigerkopf abnimmt. Das Iso-Zentrum stellt den Referenzpunkt des Strahlungsfeldes dar, um welchen der Beschleunigerkopf gedreht werden kann. Für eine einzelne punktförmige Strahlungsquelle gilt, dass die Dosisleistung mit dem Quadrat des Abstands r abnimmt, also proportional zu 1/r2 ist. Dies ist hier nicht erfüllt. Es gibt folglich keine einzelne Punktquelle als Hauptursache für die Streustrahlung, vielmehr handelt es sich um mehrere, ausgedehnte Quellen. Insbesondere sind das Target sowie das Blenden- und Strahlführungssystem Streustrahlungsquellen.

Abbildung 1:
Zeitlich gemittelte Ortsdosisleistung bei maximaler
Pulswiederholfrequenz von 196 Hz entlang einer Achse
parallel zum Nutzstrahl bei geschlossenen Blenden.
Abbildung 2:
Messorte im Bestrahlraum mit Angabe
der Tiefen-Personendosis bei einer applizierten
Dosis von 2 Gy im Nutzstrahl im Phantom.

Zur Beurteilung der Verhältnisse im Bestrahlraum wurden im 2. Schritt Messungen bei geöffnetem Blendensystem und 40 cm x 40 cm Feldgröße mit einer Ionisationskammer (Hp(10)-Kammer) und einem DIS-1-Personendosimeter auf einem Phantom durchgeführt. Da die Photonen auch am Körper des Patienten gestreut werden, wurde für die Messungen ein Wasserphantom als Ersatz für einen Patienten im Iso-Zentrum platziert. Die Ergebnisse der Messungen der Tiefen-Personendosis Hp(10) sind in Abb. 2 zusammengefasst. Dargestellt ist jeweils die an den jeweiligen Messorten gemessene Dosis, bezogen auf die Dosis einer typischen Bestrahlungs-Fraktion. Die je Fraktion applizierte (Wasser-Energie-)Dosis wird in Gray (Gy) gemessen und liegt üblicherweise bei 2 Gy. Innerhalb der Messunsicherheiten stimmen die mit den beiden unterschiedlichen Messsystemen bestimmten Dosiswerte gut überein.

Zur Einschätzung der gemessenen Dosiswerte kann man diese mit den gesetzlichen Grenzwerten aus der Strahlenschutzverordnung vergleichen: Die zulässige Exposition liegt bei 1 mSv pro Jahr für Personen der Bevölkerung bzw. bei 20 mSv pro Jahr für beruflich strahlenexponierte Personen, wie z.B. einen Radiologieassistenten. Die Messungen zeigen, dass diese Grenzwerte hier leicht erreicht oder überschritten werden können. Insbesondere in der Nähe des Patienten wird der Grenzwert für die Bevölkerung schon bei einer einzigen Bestrahlungsfraktion mit 2 Gy erreicht. Diese Grenzwertüberlegungen gelten allerdings nicht für den Patienten; hier erfolgt die Risikoabwägung durch den Arzt, der die rechtfertigende Indikation feststellt.