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Bestimmung der Elektronenenergie am Forschungsbeschleuniger für die Dosimetrie in der Strahlentherapie

23.08.2012

Für die Energiebestimmung des hochenergetischen Elektronenstrahls des Forschungsbeschleunigers wird ein Magnetspektrometer (Bild 1) verwendet. Die räumliche Verteilung der magnetischen Flussdichte im Spektrometer wurde bereits vorab für die o. g. Doktorarbeit messtechnisch bestimmt. Im Magnetfeld des Spektrometers werden die Elektronen auf eine annähernd halbkreisförmige Bahn gezwungen. Diese Bahn ist hauptsächlich vom Magnetfeld und von der kinetischen Energie der Elektronen abhängig, aber auch davon, wo und unter welchem Winkel die Elektronen in das Spektrometer eintreten. Am Ausgang ist das Spektrometer mit einem beweglichen Drahtscanner versehen, um dort den aufgeweiteten Elektronenstrahl zu detektieren. Die mit dem Drahtscanner gemessene örtliche Ladungsträgerverteilung wird mit der neu entwickelten Software zur Energiebestimmung ausgewertet. Dabei dienen die Flussdichteverteilung, die Strahldivergenz sowie der vertikale und horizontale Ablenkwinkel als Eingangsgrößen für die Software. Auch die Breite des Eingangsblendensystems des Spektrometers, welches den Strahl eingangsseitig begrenzt, kann berücksichtigt werden. Weitere Nutzervorgaben betreffen u. a. den energetischen Auswertebereich, dessen Diskretisierung sowie die Iterationsschrittweite für die Rekonstruktion der Elektronenbahn.

Anhand der Ein- bzw. Vorgaben rekonstruiert die Software mögliche Elektronentrajektorien durch das Spektrometer und prüft auch, ob sie valide sind, d. h. ob sie innerhalb der Vakuumkammer des Spektrometers verlaufen und das Eingangsblendensystem passieren. Neu an der Methode ist, dass bei der iterativen Bahnrekonstruktion aus der gemessenen räumlichen magnetischen Flussdichteverteilung ein global gültiger Feldtensor interpoliert wird, welcher das Magnetfeld möglichst exakt approximiert. Mit dieser Tensorinterpolationsmethode ist es möglich, das Feld entlang jeder individuellen Elektronenbahn zu berücksichtigen. Jedes Indexelement des Tensors stellt ein Voxel mit der Kantenlänge 1 mm mit homogenen Feldparametern dar. Der Tensor kann mittels biharmonischer Splines [2] oder linearer Interpolation ermittelt werden. Als Ausgabe des Programms werden - entsprechend der validen Trajektorien - alle möglichen Elektronenenergien gespeichert.

Eine Verifikation der Tensorinterpolationsmethode erfolgte anhand der Verwendung etablierter Verfahren zur Energiebestimmung. Der einfachste Ansatz, das Magnetfeld innerhalb des Magneten als konstant anzunehmen lieferte relative Energieabweichungen von 2 % bei 25 MeV Sollenergie im Vergleich mit der Tensorinterpolationsmethode. Der Vergleich zu dem verbreiteten Programm RAYTRACE [3] ergab energetische Abweichungen zur Tensorinterpolationsmethode von ca. 1 %. Die Abweichungen werden damit begründet, dass RAYTRACE teilweise von homogenen Feldverläufen ausgeht und den Feldverlauf entlang der Elektronenbahn mittels eindimensionaler Polynome approximiert. Die Tensorinterpolationsmethode stellt unter den verglichenen Methoden die genaueste Abbildung der realen Verhältnisse dar.

Die Software ermöglicht es auch, eine Unsicherheitsbetrachtung für die Energiebestimmung durchzuführen. Messunsicherheiten relevanter Eingangsgrößen werden dafür entsprechend des Guide to the expression of uncertainty in measurement (GUM) [4] berücksichtigt werden.

Das Programm wird nicht nur für Zwecke des Experiments zur absoluten Verifikation von Monte-Carlo-Strahlungstransportrechnungen eingesetzt werden. Es dient generell der Charakterisierung des Elektronenstrahls des Forschungsbeschleunigers. Außerdem ist die Software so entworfen, dass sie sich für zukünftige Anwendungen anpassen lässt. Denkbar sind Anwendungen zur Energiebestimmung beliebiger geladener Teilchen, z. B. auch Schwerionen, vorausgesetzt, dass die Flussdichteverteilung des verwendeten Dipolmagneten hinreichend bekannt ist.

Bild 1 : Das Magnetspektrometer in der hochenergetischen Beamline des PTB-  Forschungsbeschleunigers für die Dosimetrie in der Strahlentherapie.

Literatur

  1. A. Schwab:
    Bestimmung der Energie hochenergetischer Elektronen mit einem Magnetspektrometer,
    Master Thesis, Technische Universität Ilmenau, 2012.
  2. D. T. Sandwell:
    Biharmonic Spline Interpolation of GEOS-3 and SEASAT Altimeter-Data,
    Geophysical Research Letters, University of Texas, 1987.
  3. S. B. Kowalski und H. A. Enge:
    The ion-optical program raytrace,
    Nuclear Instruments and Methods in Physics Research Section A 258(1987) 407
  4. JCGM, Evaluation of measurement data - Guide to the expression of uncertainty in measurement, 2008, www.bipm.org/en/publications/guides/gum.html.