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Erfolgreicher Einsatz des PTB-Wasserkalorimeters bei Ionenstrahlung

21.04.2011

Die Strahlentherapie mit Ionenstrahlung (z.B. Protonen oder 12C-Ionen) findet in jüngster Zeit zunehmende Anwendung. Dabei wird der Ionenstrahl mittels der so genannten Raster-Scan-Methode sehr präzise über das gesamte Tumorvolumen gelenkt. Für Kohlenstoff-Ionen wurde diese Methode bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI, Darmstadt) entwickelt und wird jetzt unter anderem am HIT (Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum) in der Therapie eingesetzt. Für die Dosimetrie bei diesen Bestrahlungsbedingungen existiert bislang jedoch kein geeignetes Primärnormal für die Bestimmung der Wasser-Energiedosis. In ersten Experimenten wurde daher das transportable Wasserkalorimeter der PTB in einem 300 MeV/u Kohlenstoff-Strahl bei der GSI eingesetzt, um die Eignung des kalorimetrischen Messverfahrens aufzuzeigen.

Abbildung 1 : Bild des transportablen Wasserkalorimeters (rechts) mit zugehörigem Kühlaggregat (links). Die Strahlung trifft horizontal auf das Strahleintrittsfenster des Kalorimeters (rot umrandet). Die Kantenlänge des fast quaderförmigen Kalorimeters beträgt ca. 60 cm.

Bei den Messungen mit dem Wasserkalorimeter wurde ein 12C-Nadelstrahl mit einer Breite von 9 mm verwendet. Mit Hilfe der Raster-Scan Methode wurde dabei im Wasserphantom in 5 cm Wassertiefe ein Feld der Größe 50 mm × 50 mm mit 18 x 18 diskreten Punkten bestrahlt. Die Überlagerung der gaussförmigen Intensitätsverteilungen der einzelnen Strahlspots führt dabei zu einer nahezu homogenen Dosisverteilung mit einer Gesamtdosis von ca. 2,2 Gy. Die Dauer einer solchen Bestrahlung betrug ca. 80 s. Während einer Strahlzeit bei der GSI konnten ca. 70 Messungen mit dem Wasserkalorimeter durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Die Standardabweichung der Einzelmessung beträgt ca. 0,9 %, der Mittelwert der strahlungsinduzierten Widerstandänderung des kalorimetrischen Detektors wurde zur Bestimmung der Wasser-Energiedosis DW benutzt.

Bei der Bestimmung von DW müssen die Auswirkungen einiger Einflussgrößen berücksichtigt werden. Dies sind z.B. Wärmeleitungseffekte, bedingt durch das Zerfliessen der durch die einzelnen Strahlspots verursachten ursprünglichen Temperaturverteilung, oder mögliche Auswirkungen der strahlungsinduzierten Radiolyse von Wasser. Die Wärmeleitungseffekte im Wasserkalorimeter wurden mit Hilfe von Finite-Elemente Rechnungen für die realen zeitlichen Abläufe der Bestrahlungsmessungen simuliert. Dabei muss der zeitliche Ablauf des gesamten Scanvorganges inklusive der "Spill"-Struktur des Ionenstrahles berücksichtigt werden.

Abbildung 2 : Ergebnisse der Messungen mit dem Wasserkalorimeter im 300 MeV/u 12C-Ionenstrahl. Dargestellt ist die Widerstandsänderung des Detektors für jede Bestrahlung. Der entsprechende Mittelwert wurde zur Bestimmung der Wasser-Energiedosis DW verwendet.

Bedingt durch die Beschleunigungstechnik ist der Ionenstrahl in "Spills" von ca. 2 s Dauer verfügbar, wobei zwischen aufeinander folgenden "Spills" eine Pause von ebenfalls ca. 2 s auftritt. Aufgrund der Simulationsrechnungen lassen sich die Wärmeleitungseffekte im Wasserkalorimeter mit einer relativen Standardmessunsicherheit von ca. 0,4 % korrigieren.

Die Ergebnisse der hier präsentierten Messungen mit dem Wasserkalorimeter erlauben die Bestimmung von DW mit einer relativen Standardmessunsicherheit von ca. 0,5 %. Hierbei wird jedoch die Annahme gemacht, dass ein möglicher Einfluss der Radiolyse auf das Ergebnis der kalorimetrischen Bestimmung von DW auch bei Ionenstrahlung vernachlässigt werden kann. Diese Annahme wird durch Modellrechnungen zur Radiolyse von Wasser gestützt, nach denen der sogenannte "kalorische Defekt" für das im Detektor des Kalorimeters verwendete hochreine Wasser (zusätzlich mit H2-Gas gesättigt) auch für Strahlung mit höherem LET den Wert Null besitzt. Experimentell könnten sich die Ergebnisse der Modellrechnungen zur Radiolyse in weiteren Experimenten bei Verwendung unterschiedlich präparierter Detektoren verifizieren lassen.

Die hier präsentierten Messungen wurden in einer Wassertiefe von 5 cm durchgeführt, d.h. im Plateaubereich der Tiefendosiskurve des 300 MeV/u-Strahls. Der therapeutisch relevante Bereich der Tiefendosiskurve ist jedoch der sogenannte "Bragg-Peak", der in diesem Fall in ca. 15 cm Wassertiefe liegt. Weitere Experimente mit dem Wasserkalorimeter werden zukünftig auch im Bereich des verbreiterten Bragg-Peaks (SOBP) durchgeführt. Es ist zu erwarten, dass die kalorimetrische Bestimmung der Wasser-Energiedosis DW mit einer Standardmessunsicherheit von kleiner als 1 % erfolgen kann. Dies verringert die heute übliche Messunsicherheit von ca. 3 % in der Referenzdosimetrie für die Strahlentherapie mit Ionenstrahlung deutlich.