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Kalorimetrische Bestimmung der Wasser-Energiedosis im Nahfeld von 192Ir-Brachytherapiequellen

29.09.2008

Messgröße in der Dosimetrie von Brachytherapiequellen ist die Wasser-Energiedosisleistung, , in 1 cm Abstand vom Aktivitätsschwerpunkt des Strahlers senkrecht zur Quellenachse. Bislang wird diese Messgröße indirekt über die Messung der Reference Air Kerma Rate in 1 m Abstand vom Aktivitätsschwerpunkt des Strahlers und unter Verwendung eines meist berechneten Dosiskonversionskoeffizienten bestimmt. Dieses Verfahren führt zu Standardmessunsicherheiten für  von mehreren Prozent. Mit Hilfe eines Wasserkalorimeters lässt sich die gewünschte Messgröße direkt und mit geringerer Standardmessunsicherheit bestimmen. Als erster Schritt wurde ein in der PTB existierendes Wasserkalorimeter für die Anwendung mit 192Ir-Brachytherapiequellen (Typ: GammaMed 12i; Anfangsaktivität: ca. 370 GBq) so modifiziert, dass die Wasser-Energiedosisleistung im Nahfeld der Quelle in einem minimalen Abstand von 24,35 mm bestimmt werden konnte.

Das verwendete Wasserkalorimeter wird bei einer Wassertemperatur von 4°C betrieben und ist weitgehend baugleich mit dem in der PTB als Primärnormal-Messeinrichtung für die Darstellung der Einheit der Wasser-Energiedosis bei 60Co-Strahlung verwendeten Kalorimeter. Mit Hilfe eines Afterloaders wird die Brachytherapiequelle durch einen Teflon-Katheter in das Kalorimeter-Außengehäuse und weiter bis in das Wasserphantom des Kalorimeters transportiert. Der Teflon-Katheter führt im Bereich des kalorimetrischen Detektors zu einer am Ende geschlossenen Edelstahlnadel mit 1,35 mm Innendurchmesser, die mit Hilfe von zusätzlichen Plexiglasstreben vor bzw. hinter dem wassergefüllten Glaszylinder des Detektors fixiert werden kann. So können zwischen der Edelstahlnadel und den in den Spitzen von Glaspipetten eingeschmolzenen Thermistoren des Detektors Abstände von 24,35 mm bis ca. 48 mm realisiert werden (siehe Abbildung). Die geometrischen Abstände zwischen Quelle und Thermistoren, gemessen als Abstand zwischen der Symmetrieachse der Edelstahlnadel und der Mitte der einzelnen Thermistoren, wurden mit Hilfe eines Fluchtfernrohres mit einer Messunsicherheit von weniger als 50 µm bestimmt.

Das Wasserphantom des Kalorimeters mit dem Detektor befindet sich mittig innerhalb des auf 4°C temperierten Außengehäuses, das eine Kantenlänge von ca. 1 m aufweist. Zwischen aufeinander folgenden Messungen mit dem Kalorimeter bleibt die 192Ir-Quelle innerhalb dieses Außengehäuses in einem auf ebenfalls 4°C gekühlten Bleiblock von ca. 10 cm Kantenlänge, der für eine notwendige "Vorkühlung" und ausreichende Strahlungsabschirmung sorgt.

Bei der kalorimetrischen Bestimmung der Wasser-Energiedosisleistung müssen die während den Messungen auftretenden Wärmeleitungseffekte korrigiert werden. Ursache der Wärmeleitungseffekte sind sowohl die Absorption der Strahlung innerhalb der Quelle und ihrer Kapselung, die z.B. für eine 350 GBq 192Ir-Quelle zu einer Eigenheizung mit ca. 21 mW führt, als auch die steile Tiefendosisverteilung im Bereich des Messortes. Um diese Effekte zu untersuchen und mit Hilfe von Finite-Elemente Rechnungen zu verifizieren bzw. zu korrigieren, wurden Bestrahlungsmessungen von nominell 60 s, 90 s und 120 s Dauer in drei unterschiedlichen Messpositionen durchgeführt. Die effektive Verweildauer der Quelle vor dem Detektor und deren Reproduzierbarkeit wurde im Vorfeld der Experimente mit Hilfe einer nicht radioaktiven Dummy-Quelle und von Lichtsensoren, die am Ende einer präparierten Kunststoffnadel positioniert waren, mit einer Messunsicherheit von weniger als 0,1 s gemessen. Um den Einfluss von zufälligen Positionsänderungen der Quelle (Außendurchmesser: 1,1 mm) innerhalb der Edelstahlnadel auf das Endergebnis zu minimieren, mussten für jede Bestrahlungsdauer und für jede Messposition ca. 100 Messungen mit dem Kalorimeter durchgeführt werden.

Mit dem hier vorgestellten Messverfahren konnte erstmals gezeigt werden, dass die Bestimmung der Wasser-Energiedosisleistung von 192Ir-Brachytherapiequellen im klinisch relevantem Abstand mit Hilfe eines Wasserkalorimeters möglich ist. Die relative Standardmessunsicherheit des kalorimetrischen Verfahrens beträgt weniger als 1 %.

Abbildung : Detektorhalterung mit zusätzlichen Plexiglasstreben zur Fixierung der Edelstahlnadel vor bzw. hinter dem Glaszylinder des Detektors (links: 48 mm Abstand zu den Thermistoren; rechts: 24,35 mm Abstand). Die 192Ir-Quelle wird mit Hilfe des Afterloaders bis in die Spitze der Nadel transportiert.