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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Einfluss von Wechselwirkungskräften auf Rasterkraftmikroskopsonden bei der Messung an Nanostrukturen

01.12.2012


Mit fortschreitender Miniaturisierung mikroelektronischer Strukturen wachsen die Anforderungen an Genauigkeit bei der Bestimmung von Strukturbreiten und der geometrischen Charakterisierung der Kanten von Nanostrukturen. Die interessierenden Strukturkanten sind einige zehn Nanometer hoch und breit und sind nahezu senkrecht. Ein wachsendes Interesse an der Messtechnik für Nanostrukturkanten kommt von Herstellern und Anwendern von Masken, die in fotolithographischen Prozessen eingesetzt werden, die immer genauer charakterisierte Strukturen benötigen. Fotolackschichten zur Strukturierung von Halbleitersubstraten werden belichtet, indem Strukturen einer Maske entsprechend abgebildet werden. Geometrieabweichungen der Strukturkanten beeinträchtigen die optische Abbildung, weshalb die Qualität des Kantenverlaufs eine wichtige Rolle spielt.
Die Rasterkraftmikroskopie ist ein Messverfahren, bei dem mit einer feinen Tastspitze in unmittelbarer Nähe der Strukturoberfläche deren Topographie abgetastet wird. Die antastende Sonde weist typischerweise Breiten sowie Krümmungsradien im Kontaktbereich im Bereich von einigen Nanometern auf. Wie bei den makroskopischen taktilen Verfahren der Rauheitsmessung und der Koordinatenmesstechnik liefert ein Topographiescan die morphologische Faltung aus der Strukturgeometrie mit der Form der Sondenspitze. Die Berührung der Oberflächen von Sonde und Messobjekt bei der Messung erfolgt im Allgemeinen so, dass Verformungen an den Kontaktflächen minimal bleiben, indem ein direkter Kontakt vermieden oder gering gehalten wird. Die Oberfläche des Objekts wird dabei in erster Linie über attraktive Wechselwirkungskräfte zwischen Oberfläche und Sonde detektiert. Die Rasterkraftmikroskope werden dabei hauptsächlich im Oszillationsmodus betrieben, was bedeutet, dass die Sonde zu einer definierten kleinen Schwingung angeregt wird, die sich unter Einfluss des Wechselwirkungskraftfeldes verändert. Außer dem veränderlichen Antwortverhalten der oszillierenden Sonde kann bei schmalen, langen Messspitzen, wie sie vielfach für Seitenwandmessungen eingesetzt werden, bedingt durch seitlich wirkende Kräfte eine Verformung stattfinden. Die Wechselwirkungskräfte beeinflussen zusätzlich zur zuvor erwähnten morphologischen Faltung das Ergebnis der Topographiemessung. Zudem sind die Wechselwirkungskräfte ihrerseits auch wiederum abhängig von den geometrischen Verhältnissen.
Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes zur Untersuchung der Rasterkraftmikroskopie an Strukturen mit hohem Aspektverhältnis wird der Verlauf der Wechselwirkungskräfte an steilen Strukturseitenwänden sowohl experimentell als auch durch Simulationen, die dem besseren Verständnis der Messungen dienen sollen, ermittelt. Dieser Bericht stellt erste Ergebnisse der Simulationsberechnungen dar. Es werden für attraktive van-der-Waals Wechselwirkungen die resultierenden Kraftfelder durch numerische Integration über unterschiedliche Sonden- und Strukturgeometrien berechnet, die die Basis für weitere numerische Berechnungen bilden: Diese sind einerseits die Bestimmung der für Strukturbreitenmessungen mit speziell dafür gefertigten schmalen, langen Spitzen relevanten Verbiegung von Sondenspitzen und zum anderen das veränderliche Schwingungsverhalten von Sonden bei der Annäherung an die Struktur.
Für die Berechnung der Spitzendeformation wird ein durch eine analytische Funktion repräsentiertes Kraftdichtefeld in der Umgebung einer Kante mit einfacher quaderförmiger Geometrie angesetzt. Die Deformationen werden durch Finite-Element-Modellierungen (FEM) bestimmt, für die die Messspitze tetraedrisiert wird. Mit Hilfe des Hook‘schen linearen Ansatzes aus der Elastizitätstheorie wird die durch das Kraftdichtefeld verursachte Biegung der derart diskretisierten Spitze berechnet. Dabei wird der Steifigkeitstensor der kubischen Kristallgeometrie des Siliziums, aus dem die handelsüblichen Spitzen gefertigt sind, entsprechend der für solche Sonden üblichen Orientierung verwendet.
Bild 1 zeigt die mögliche Verbiegung einer Siliziumsonde, wie sie speziell für Seitenwandmessungen hergestellt und benutzt wird. Dieser Sondentyp ist so gefertigt, dass er wie ein Koordinatenmesstaststift einen längeren, dünnen Schaft hat und am Ende einen kleinen Wulst, der etwa 5 nm über den Schaft herausragt, fast wie eine Tastkugel am Taststift. Die Verbiegung des Schaftes beträgt für einen Sondenschaft von etwa 90 nm Dicke und einer Antasttiefe im Seitenwandbereich von nur 30 nm schon knapp über einen Nanometer. Die Verbiegung ist in Abb. 1 links überhöht dargestellt. Der vom Positioniersystem des Rasterkraftmikroskops gemessene Abstand zur Struktur stimmt nicht mit dem durch die Verbiegung hervorgerufenen Abstand der Messspitze überein und die Spitze springt mit der Seitenwand bereits vorzeitig in den Kontaktbereich. (siehe Abb. 1 rechts).

Für die Berechnung von Kraftfeldern, die für die dynamische Simulation weiter verwendet werden, wird statt der Volumenintegration eine Integration über die Oberflächen von Messobjekt und Sondenspitze durchgeführt, da sich das Doppelintegral über beide Volumina in ein Doppelintegral über die beiden Oberflächen überführen lässt. Die Oberflächen werden durch Triangulation diskretisiert. Die numerische Integration erfolgt durch Summation der Kräfte zwischen allen Paaren dreiecksförmiger Flächenelemente. Abb. 2 zeigt die Oberfläche einer Strukturseitenwand und eine Sondenspitze mit einer typischen Geometrie für rasterkraftmikroskopische Tastspitzen sowie den aus diesen Geometrien gewonnenen Verlauf des Kräfteverhältnisses entlang der Kontur eines Profilschnitts.
Die Untersuchung der variierenden Kräfteverhältnisse eines Kantenübergangs haben zum Ziel, die Messunsicherheit des doppelt inversen Problems des Faltungsprozesses von Messsonde und zu bestimmender Topographie bestimmen zu können.

 

Bild 1: Verbiegung einer für Strukturbreitenmessungen speziell gefertigten Messsonde hervorgerufen durch attraktive Wechselwirkungskräfte.


Bild 2: Kraftfelder durch numerische Integration über Sondenspitze und Struktur; links: Parametrisierung einer Strukturseitenwand mit Kantensteilheit, Krümmungsradius und Kantenfuß, sowie Parametrisierung von Rasterkraftmikroskopsonden zur Berechnung von Kraftfeldern, (2) Struktur bzw. rechts Profilschnitt der Struktur, (1) Sondenspitze im rechten Bild deren Profilschnitte in unterschiedlichen Positionen; rechts: Verhältnis der lateralen Kraftkomponenten mit den entsprechenden vertikalen Kraftkomponenten für die verschiedenen Positionen entlang der Kontur; (3) morphologische Faltung des Strukturprofils mit der Sondenspitze, (4); Kurve der Kraftkomponentenverhältnisse.

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