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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Änderungen bei Rauheitsmessungen mit Tastschnittgeräten: Die neue Normenreihe ISO 21920

01.11.2022

Die Bewertung der Oberflächenbeschaffenheit mittels Tastschnittmessungen ist seit langem in der Qualitätssicherung der fertigenden Industrie fest etabliert und weiterhin das gängigste Verfahren der Rauheitsmessung. Für den Austauschbau sind die Rauheitskennwerte und das Vorgehen bei deren Messung und Auswertung genormt.

Die bisherigen Normen sind von den zuständigen ISO-Gremien überarbeitet und in der neuen dreiteiligen Normenreihe ISO 21920 zusammengeführt worden. Teil 1 von ISO 21920 beschäftigt sich mit den Zeichnungseinträgen und ersetzt die bisherige ISO 1302; die Möglichkeiten für Zeichnungs¬einträge wurden dabei deutlich erweitert und tragen damit den heutigen Fertigungsanforderungen und -möglichkeiten Rechnung. In Teil 2 werden die Rauheitskenngrößen definiert, wodurch die bisherigen Normen ISO 4287, ISO 13565-2 und ISO 13565-3 abgelöst werden. Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass Kenngrößen nunmehr überwiegend direkt für die Gesamt- und nicht mehr zunächst einzeln für Einzelmessstrecken berechnet werden.

Die Kenngrößen zur Charakterisierung der Traganteile stratifizierter Oberflächen werden aus Rauheitsprofilen ermittelt, die durch eine numerische Filterung zur Trennung der Gestaltanteile gewonnen werden, bei der ausgeprägte Vertiefungen klarer der Rauheit zugeordnet werden. Die dafür bislang in ISO 13565-1 spezifizierte Filtermethode wird abgelöst durch ein robusteres für plateauhafte Flächen mit Rückhaltevolumina besser geeignetes Filter. Dieses robuste Filter wird in ISO 16610-31 definiert.

Die Norm ISO 21920-3 widmet sich den Spezifikationsoperatoren, worunter vor allem die geforderten Messstreckenlängen, zulässige Radien der Tastspitze und anzuwendende Filter fallen, wobei diese Aspekte überwiegend in Einklang mit der bisherigen ISO 4288 geregelt sind. Die wichtigste Neuregelung in ISO 21920-3 ist eine stärkere Orientierung an den Zeichnungseinträgen. Ein generelles Ziel der Überarbeitung war, das Vorgehen bei den profilhaften Messmethoden weitgehend an den inzwischen erreichten Stand der Normung für flächenhafte Messungen anzupassen, für die seit einigen Jahren die vielteilige Normenreihe ISO 25178 neu entwickelt wird. Diese hat insbesondere die optischen Oberflächenmessverfahren im Blick, welche in der industriellen Messtechnik immer mehr Verbreitung finden.

Darüber hinaus wurden zwischenzeitlich erkannte Unzulänglichkeiten in den bisherigen Normen beseitigt, indem in der Norm ISO 21920-2 Kenngrößen präziser definiert und Algorithmen zu deren Bestimmung festgelegt werden. Mehrdeutigkeiten und Interpretationsspielräume konnten damit beseitigt werden.

An den in der PTB kalibrierten geschliffenen Raunormalen und ultrapräzisionsgedrehten superfeinen Raunormalen betragen die Unterschiede beim Wechsel von den alten zu den neuen Normen in den allermeisten Fällen lediglich einen kleinen Bruchteil der angegebenen Messunsicherheit. Bei den Traganteils- oder Materialanteilskenngrößen für die stratifizierten Oberflächen kann es durch die Unterschiede der Filterung zu Abweichungen kommen, die in der Größenordnung der Gesamtunsicherheit liegen.

Seit Anfang 2022 werden die Kenngrößen in den Kalibrierscheinen der PTB für Raunormale zusätzlich zu den Ergebnissen aus den bisherigen Normen (wie ISO 4287, 4288 und 13565) mit den Resultaten aus den neuen Normen (ISO 21920 und 16610-31) angegeben. Die Auswertung für die Kalibrierungen innerhalb der PTB erfolgt mit der an der PTB fortlaufend weiterentwickelten Rauheitsanalysesoftware RPTB. Diese Software dient ebenfalls als Referenzsoftware und steht via Webinterfache weltweit zur Verfügung, siehe www.ptb.de/rptb. Im Zuge der Überarbeitung der Normen wurde entsprechend auch RPTB überarbeitet. Die Software liefert die Möglichkeit, sowohl nach den alten als auch nach den neuen Normen auszuwerten.

Um sicherzustellen, dass die für Rauheit akkreditierten DAkkS-Laboratorien baldmöglichst nach den neuen Normen ISO 21920 und ISO 16610-31 arbeiten können, läuft derzeit ein Ringvergleich zur Validierung der jeweiligen Software aller teilnehmenden DAkkS-Laboratorien unter Verwendung von synthetischen Referenzdatensätzen. Dieser Vergleich fokussiert sich auf die Überprüfung der numerischen Implementierung der Auswertealgorithmen.

Ferner wird den DAkkS-Laboratorien eine Neuauswertung nach den neuen Normen zu den Profildaten der aktuell gültigen Kalibrierungen verfügbar gemacht, so dass diese Normale auch zur Rückführung gemäß der neuen Normenreihe in den Laboren eingesetzt werden können, ohne dass sie dafür zwischenzeitlich erneut in der PTB gemessen werden müssen. Es wird von einer mehrjährigen Übergangsphase bis zur vollständigen Einführung der neuen Normen ausgegangen.


Internationale Ausgaben:

  • ISO 21920-1 Geometrical product specifications (GPS) — Surface texture: Profile — Part 1: Indication of surface texture
  • ISO 21920-2 Geometrical product specifications (GPS) — Surface texture: Profile — Part 2: Terms, definitions and surface texture parameters
  • ISO 21920-3 Geometrical product specifications (GPS) — Surface texture: Profile — Part 3: Specification operators
  • ISO 16610-31 Geometrical product specifications (GPS) — Filtration — Part 31: Robust profile filters: Gaussian regression filters


Zugehörige deutsche Ausgaben:

  • DIN EN ISO 21920-1 Geometrische Produktspezifikation (GPS) — Oberflächenbeschaffenheit: Profile — Teil 1: Angabe der Oberflächenbeschaffenheit
  • DIN EN ISO 21920-2 Geometrische Produktspezifikation (GPS) — Oberflächenbeschaffenheit: Profile — Teil 2: Begriffe und Parameter für die Oberflächenbeschaffenheit
  • DIN EN ISO 21920-3 Geometrische Produktspezifikation (GPS) — Oberflächenbeschaffenheit: Profile — Teil 3: Spezifikationsoperatoren

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