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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Wellenfrontaberration an unrunden 28Si-Kugeln

15.11.2021

Für die Bestimmung des Volumens zur Darstellung des Kilogramms nach der Neudefinition 2019 wurden bislang Siliziumkugeln mit möglichst geringer Formabweichung (PV < 100 nm) verwendet. PV steht für peak-to-valley und beschreibt den Maximalwert vom höchsten Berg zum tiefsten Tal der Kugel.

Um die geforderte Messunsicherheit des Volumens von unter 1x10-8 zu erreichen, wurden die größten Beiträge im Messunsicherheitsbudget einer ausführlichen Untersuchung unterzogen. Der dato dominierende Beitrag war die Unsicherheit der Wellenfront, welcher mithilfe optischer Simulationen genau beschreibbar wurde und daher drastisch reduziert werden konnte. Seitdem wurde eine Vielzahl an Simulationen mit Kugeln unterschiedlicher Formabweichung durchgeführt und die simulierten Daten einer gestörten Wellenfront mit dem jeweiligen Referenzdatensatz verglichen. Damit konnte der Beitrag zum Unsicherheitsbudget berechnet, bislang aber noch nicht experimentell nachgewiesen werden. Ein Ergebnis der Untersuchungen ist, dass der Einfluss der Wellenfront sehr runder Kugeln mit wenigen 1x10-10 so gering ist, dass er messtechnisch nicht auflösbar ist. Dennoch hat die Störung der Wellenfront einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag im Messunsicherheitsbudget.

Wird die Kugeltopografie betrachtet, kann die Unsicherheit lokal auch deutlich ansteigen, insbesondere am Übergang Berg-Tal weicht die reflektierte Wellenfront stärker von der Ausgangswellenfront ab als diejenige, die auf die Extrema trifft. Steigt die Abweichung von der idealen Kugelform, kann der Einfluss durch die gestörte Wellenfront die Gesamtunsicherheit einer typischen Kugel sogar übersteigen. Für Kugeln mit großem topografischem Gradienten (PV > 350 nm) erreicht der Effekt durch die Wellenfrontaberration den Bereich der messbaren Auflösung.

Der Grund, warum der Wellenfronteinfluss bisher nur mit optischen Simulationen bestimmt werden konnte, liegt in der bislang nicht vorliegenden Voraussetzung begründet, dass für die experimentelle Untersuchung der Wellenfrontaberration Kugeln aus demselben Kristall- sowie gleichen Oberflächeneigenschaften, aber sehr unterschiedlicher Rundheitsabweichung benötigt werden. Seit diesem Jahr stehen jedoch zwei 28Si-Kugeln zur Verfügung, die eine solche Untersuchung zugänglich machen. Neben einer gewohnt guten Kugel mit typischen PV-Werten zwischen 20 und 30 nm konnte nun eine Kugel gefertigt werden, die bei gleichen Oberflächeneigenschaften (Politurdauer und -feinheit) eine deutlich größere Rundheitsabweichung erwarten lässt. Erste Messungen im Kugelinterferometer ergaben einen PV-Wert von etwa 540 nm (Abb. 1).

Basierend auf den vorliegenden zwei unterschiedlichen Kugeln aus demselben Kristall ist es möglich, ihre Dichte direkt zu vergleichen (Messungen der AG 1.13). In einer zweiten Messung können die Massen der Kugeln bestimmt werden (Messungen der AG 1.11). Mit Hilfe einer XRF/XPS-Messung (durch die AG 1.11 und die AG 7.22) können die Oberflächen der Kugeln, hier insbesondere die Wasserschicht, eine verbliebene Kohlenwasserstoffschicht und die Oxidschicht auf dem Silizium, bestimmt und zur Korrektion der drei Messgrößen Dichte, Masse und Volumen verwendet werden. Setzt man dann die Messwerte in die physikalische Gleichung ρ=m/V ein, so sollte sich für eine Kugel mit deutlicher Unrundheit eine Differenz ergeben, die aber in ihrer Größe dem Ergebnis der Simulation entspricht. Eine erste Abschätzung mittels optischer Simulationen zeigt eine verschwindend kleine Wellenfrontaberration von 2,5 pm bei der sehr runden Kugel (19-72 mit PV = 29 nm). Für die unrunde Kugel (19-73 mit PV = 540 nm) steigt die Wellenfrontaberration auf 0,7 nm an. Auf das Volumen bezogen liegt die erwartete Wellenfrontaberration bei 4x10-8 ·V. Die Anforderungen an alle Messgrößen sind daher groß und erfordern bestmögliche Ergebnisse, um diesen Unsicherheitsbeitrag in der Volumenmessung genauer einschätzen und damit weiter reduzieren zu können.

    
Abb. 1: Topografie der unrunden 28Si-Kugel 19-73 mit PV = 540 nm.

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