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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Automatische Messung von Rundholz auf Fahrzeugen

22.12.2020

Die Anlieferung von Rundholz ist eine logistische und technische Herausforderung, besonders bei Werken, die große Mengen von Industrieholz zu Holzwerkstoffen, Papieren oder Zellulose verarbeiten. Die richtige Messung der angelieferten Holzmenge ist ein wichtiger Schritt, sowohl aus der Sicht der anliefernden Forstbetriebe als auch der Sicht der belieferten holzverarbeitenden Werke. Automatische Messeinrichtungen haben den Vorteil, dass die Lieferfahrzeuge nicht von Menschen betreten werden müssen, was die Arbeitssicherheit für das Personal stark erhöht und zur rationellen, kostensparenden Gestaltung der Anlieferung beitragen kann.

„Structure from Motion“ ist ein photogrammetrisches Verfahren zur dreidimensionalen Messung von Objekten. Es hat sich bei der berührungslosen Flächenmessung an Poltern im Wald bereits praktisch bewährt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben die Dralle A/S (Hørsholm/Dänemark) und die PTB gemeinsam eine Konzeptstudie zum Einsatz von „Structure from Motion“ bei der Messung von Rundholz auf Fahrzeugen durchgeführt.

Bei „Structure from Motion“ wird das zu messende Objekt mit elektronischen Kameras in Bewegung aufgenommen. Das Objekt kann entweder an den Kameras vorbeigefahren werden oder die Kameras umkreisen das Objekt auf ovalen Bahnen.

Im zweiten Schritt werden die Aufnahmen nach kleinen Mustern durchsucht, die aus unterschiedlichen Entfernungen und allen Raumrichtungen zuverlässig wiedererkannt werden können. Wenn in benachbarten Aufnahmen ausreichend viele gemeinsame Muster gefunden werden, können die Aufnahmen miteinander verknüpft werden. Nach und nach können die Standpunkte und die Blickrichtungen bestimmt werden, die bei den Aufnahmen benutzt wurden, bis die gesamte räumliche Gestalt des Objekts rekonstruiert ist. Ruhende Objekte in der Umgebung können automatisch erkannt und von dem bewegten Objekt abgetrennt werden.

Die Oberfläche von Rundholz hat sehr viele kleine unregelmäßige Strukturen, die von „Structure from Motion“ gut genutzt werden können. Weitere Voraussetzungen für gute Messergebnisse sind eine vollständige und ausreichend dichte Abdeckung der Oberfläche sowie eine geschickte Wahl der Bewegungen bei der Aufnahme. Es werden keine zusätzlichen Hilfsmittel benötigt, wie zum Beispiel eine strukturierte Beleuchtung oder optische Marken.

„Structure from Motion“ kann auch mit Farbkameras durchgeführt werden. Die Farbinformation kann zusätzlich verwendet werden, um das Rundholz auf der Ladefläche von anderen mitbewegten Objekten (wie zum Beispiel Fahrzeugwänden, aber auch Sicherungsmitteln wie Rungen oder Ketten) und der Umgebung zu unterscheiden und die für die Messung der gelieferten Holzmenge wichtigen begrenzenden Flächen von Poltern zu bestimmen.

In Werken, die Industrieholz verarbeiten, müssen große angelieferte Holzmengen möglichst zügig gemessen werden. Der im Rahmen der Konzeptstudie von der Dralle A/S aufgebaute Prototyp arbeitet mit sieben Kamerapaaren, die an einem Portal montiert sind. Die Polter werden nach und nach gemessen, wenn sie auf dem Fahrzeug das Portal im Schritttempo passieren. Die sieben Kamerapaare erlauben es, alle Seitenflächen der Polter zusammen mit der Ladefläche in einem Schritt aufzunehmen (Abbildung 1). Die Kameras werden durch Scheinwerfer ergänzt, um auch Messungen bei Nacht und anderen ungünstigen Lichtverhältnissen möglich zu machen.

Für die Auswertung der Aufnahmen wird eine eigene Software eingesetzt, die von der Dralle A/S speziell für diese Aufgabe entwickelt worden ist. Diese Software berechnet aus den Bildpunkten in den Aufnahmen die zugehörigen Oberflächenpunkte auf den Rundhölzern. Sie setzt dabei die sogenannten äußeren und inneren Orientierungen der Kamerapaare als bekannt voraus, die die Aufnahme von Raumpunkten mit einem Modell beschreiben.

Die Orientierungen aller Kamerapaare werden bei der Inbetriebnahme des Portals durch eine Einmessung mit einem speziellen Einmesskörper ermittelt, der in verschiedenen Stellungen im Messvolumen des Portals aufgenommen wird. Dieser ist mit optisch antastbaren Marken versehen, deren Abstände unabhängig kalibriert sind. Aus den Positionen der Marken in den Aufnahmen werden die Orientierungen der einzelnen Kameras berechnet.

Die Software erkennt auch die Richtung, in der das Fahrzeug das Portal passiert, und kann durch Module zur automatischen Identifikation von Fahrzeugen ergänzt werden. Diese zusätzlichen Informationen können zukünftig zur Regelung der Abläufe und zur sicheren Abwicklung der Anlieferung genutzt werden.

Die messtechnische Erprobung beginnt mit Messungen an einem berindeten Rundholz aus Kiefer. Abbildung 2 zeigt die rekonstruierte Punktwolke aus einer Messung, bei der das Rundholz auf einem Handwagen durch das Portal gezogen wurde. Mit den Farbkameras ist es möglich, die räumliche Gestalt und die Farbe der Oberfläche zu erfassen.

Abbildung 3 zeigt die Messung der Länge und des Durchmessers des Rundholzes aus Abbildung 2. Der Durchmesser wird durch den Zylinder bestimmt, der dem Mantel mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate zugeordnet wird. Die Länge wird als Abstand zwischen den Schwerpunkten der Stirnflächen in Richtung der Zylinderachse gemessen.

„Stucture from Motion“ bietet als optisches Messverfahren eine wirtschaftliche und sichere Lösung zur automatischen und berührungslosen Messung von Holzmengen auf Fahrzeugen. Die bisherigen Versuche mit Rundholz zeigen, dass die Messabweichungen von den PTB-Referenzwerten deutlich unter 5 % betragen. Zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel die automatische Erkennung des Fahrzeugs und seiner Bewegung, können zur rationellen und sicheren Gestaltung der Holzanlieferung genutzt werden.

 Abbildung 1: Portal zur Messung von Rundholzpoltern auf Fahrzeugen. Der Lastkraftwagen durchfährt das Portal im Schritttempo. Sieben Kamerapaare erfassen alle Seiten der Polter zusammen mit der Ladefläche.

 

Abbildung 2: Rekonstruktion eines Rundholzes mit einem Mittendurchmesser von 40 cm und einer Länge von 3 m nach der Messung mit sieben Farbkamerapaaren, die zusätzliche Bildinformationen liefern.

 

 

Abbildung 3: Messung der Länge und des Durchmessers in Millimeter des Rundholzes aus Abbildung 2. Der gemessene Durchmesser weicht um -2 % vom Referenzwert ab, während die Abweichung bei der Länge etwa -3 % beträgt.

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