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Verfahren zur absoluten Kalibrierung von Wellenfrontsensoren

04.01.2016

Eine genaue Kenntnis optischer Wellenfronten ist von zentraler Bedeutung für eine Vielzahl optischer Anwendungen. Prominente Beispiele hierfür sind die adaptive Optik für die Astronomie, die Augenheilkunde und die Strahlformung für die Materialbearbeitung. Auch im Bereich der interferometrischen Längenmessung können Aberrationen des verwendeten Laserstrahls eine Rolle spielen, wenn höchste Genauigkeit gefordert wird, eine Fragestellung, der in einem kürzlich abgeschlossenen, von der EU geförderten Forschungsprojekt nachgegangen wurde [1].

Zur Bestimmung von Wellenfrontdeformationen können verschiedene Typen von Wellenfrontsensoren eingesetzt werden. Ist die Kenntnis der absoluten Wellenfront notwendig, muss vorab der systematische Fehler des jeweiligen Sensors durch Kalibrierung bestimmt werden. Die Kalibrierung eines Sensors erfolgt typischerweise durch eine Vergleichsmessung mit einer als bekannt angenommenen Referenzwelle.

Ein an der PTB entwickeltes Verfahren ermöglicht es nun, eine absolute Kalibrierung von Wellenfrontsensoren durchzuführen, bei dem eine Kenntnis über die Form der zur Kalibrierung verwendeten Wellenfront nicht notwendig ist. Das Verfahren ist geeignet für alle Sensortypen, die als eine Anordnung von Einzelsensoren betrachtet werden können, wie beispielsweise Shack-Hartmann Sensoren. Das an der PTB entwickelte Verfahren basiert auf einem erweiterten Stitching-Verfahren (Abb.1). Der Sensor wird schrittweise über den Strahlquerschnitt einer von einer Punktlichtquelle und einem Spiegelkollimator erzeugten Wellenfront bewegt, deren Durchmesser größer als die Sensorfläche ist, wobei sich die gemessenen Teilflächen der Wellenfront überlappen. Für die Genauigkeit bei der Bestimmung von Defokus- und Astigmatismusfehlern des Sensors ist ein Verkippen des Sensors bei Positionsänderung kritisch. Die Genauigkeit wird erhöht, indem gleichzeitig für jede Position die Verkippungswinkel der Verschiebeeinheit bestimmt werden. Dazu wurde neben dem Sensor ein kalibrierter Planspiegel montiert, dessen Winkelorientierung mit einem ortsfesten Autokollimator gemessen wird. In diesem Verfahren wird dadurch die für eine absolute Kalibrierung notwendige Kenntnis der Referenzwellenfront durch die Kenntnis der Spiegeltopografie ersetzt. (Abb.: 1)

Durch Lösen eines linearen Gleichungssystems, in das als Eingangswerte die ortsabhängig gemessene Wellenfront, die Positionen und die Verkippungswinkel eingehen, erhält man als Ergebnis sowohl den pixelweise berechneten systematischen Sensorfehler, als auch die Form der Referenzwelle, ausgedrückt durch Zernike Polynome. Kalibrierungen wurden für einen temperaturstabilisierten Shack-Hartmann Sensor (Abb.2) und einen Wellenfrontsensor, basierend auf einem lateralen Shear-Interferometer, durchgeführt. Die Abb. 2 und 3 zeigen die Ergebnisse für den Shack-Hartmann Sensor: Die ermittelten Sensor-Offsetfehler des 12,5 mm x 12.5 mm großen Sensors sind in Abb. 2 dargestellt. Die Abb. 3a und 3b geben die gleichzeitig miterhaltene Wellenfront  der verwendeten Referenzwelle wieder.

Zur Validierung des Kalibrierverfahrens wurden verschiedene transparente optische Elemente in den Strahlengang eingefügt, um einerseits die Form der Referenzwelle und andererseits den systematischen Sensorfehler definiert zu modifizieren. Die sich aus Differenzmessungen ergebene optische Weglängenänderungen, die aus dem Einfügen dieser Elemente resultieren, wurden mit entsprechenden Messungen verglichen, die mit einem Fizeau-Interferometer durchgeführt wurden. Die Ergebnisse aus beiden Methoden wichen dabei um weniger als λ/30 (peak-to-valley) voneinander ab.

Begleitende Untersuchungen zur Sensitivität und zeitlichen Stabilität des Sensors ermöglichen das Erstellen des Unsicherheitsbudgets für die Kalibrierung. Für den temperaturstabilisierten Shack-Hartmann Wellenfrontsensor ergab sich für den systematischen Sensorfehler eine erweiterte Unsicherheit von 7.2 nm (Erweiterungsfaktor k=2) entsprechend λ/70, bei einer Sensorfläche von 12.5 mm im Durchmesser.  (S.Quabis, FB 4.2, susanne.quabis(at)ptb.de)  

Literatur:

 [1]       European Metrology Research Programme  SIB08 “Traceability of sub-nm length measurements”, www.euramet.org, http://www.ptb.de/emrp/subnano.html

Abb. 1: Aufbau zur Kalibrierung von Wellenfrontsensoren. WFS: Wellenfrontsensor, AKF: Autokollimator zur Winkelmessung, OE: optisches Element (optional).

Abb. 2: Ergebnis der Kalibrierung eines Shack-Hartmann Wellenfrontsensors: systematischer Sensorfehler (Offsetfehler). Die beiden weißen Bildpunkte (Bildmitte und links unten) sind herstellerseitig maskierte Sensoren und dienen u.a. zur Erkennung der Sensororientierung.

Abb. 3: Ergebnis der Kalibrierung eines Shack-Hartmann Wellenfrontsensors: (a) Zur Kalibrierung verwendete Wellenfront, dargestellt durch 190 Zernike Polynome, (b) hochfrequenter Anteil der Wellenfront (Residuum).