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Erweiterung der mikroskopischen Strukturbreitenmessung auf zwei Dimensionen

31.12.2005

Digitale Bildsensoren werden in der Mikroskopie für quantitative Messungen der zwei-dimensionalen Geometrie von Mikrostrukturen eingesetzt. Für rückgeführte Messungen mit Unsicherheiten im Bereich von einigen 10 nm wird eine detaillierte Kenntnis wichtiger Geräteparameter wie Vergrößerung und Pixel-Größe benötigt. Ein Demonstrations-Messplatz für die Messung der Form von Kreisstrukturen wurde entwickelt.

Digitale Bildempfänger werden in der Mikroskopie häufig für die Messung der lateralen (d. h. der zweidimensionalen) Geometrie von Mikrostrukturen eingesetzt. Während diese Messungen im allgemeinen mit einer sehr hohen Präzision bzw. Wiederholbarkeit möglich sind [1], bleibt die Rückführung auf die SI-Einheit „Meter“ mit gewünschten Unsicherheiten im Bereich einiger 10 nm noch unbefriedigend [2]. Für genaue Messungen ist eine detaillierte Kenntnis des verwendeten Messgerätes, der relevanten optischen und geometrischen Eigenschaften der abgebildeten Mikrostruktur sowie der optischen Wechselwirkung zwischen Objekt und Strahlung notwendig [2]. In diesem Beitrag wird insbesondere auf die Kalibrierung des digitalen Bildsensors eingegangen. Es wurde ein Demonstrations-Messplatz aufgebaut, der speziell für die Messung von Kreisstrukturen mit Durchmessern im Mikrometer-Bereich geeignet ist.

Das Verfahren zur Messung der lateralen Abmessungen von Mikrostrukturen ist in Bild 1 schematisch dargestellt.


Bild 1: Verfahren zur Messung der lateralen Dimension von Mikrostrukturen

Aus dem digital vorliegenden Bild der Mikrostruktur werden senkrecht zu den Objektkanten Kantenprofile (‘experimental edge profiles’) ermittelt. Um die Positionen der Messpunkte in der SI-Einheit „Meter“ ausdrücken zu können, wird der Abstand der Bildpunkte im Objektraum benötigt. Wenn die Kennlinie des Bildempfängers nichtlinear ist, muss man die Intensitätsprofile zuvor linearisieren. Wichtige Objektdaten (z. B. Kantenhöhe, optische Konstanten) und Mikroskop-Parameter (numerische Apertur, räumliche Auflösung des Bildsensors) werden benötigt, um theoretische Kantenprofile berechnen zu können. Aus dem Vergleich zwischen gemessenen und berechneten Profilen lassen sich dann die Kantenpositionen und damit die Abmessungen der Mikrostruktur ermitteln.

Zur Bestimmung des Pixelabstands gibt es zwei verschiedene Verfahren. Beim einfacheren Verfahren werden kalibrierte zweidimensionale Gitter eingesetzt, z. B. regelmäßig angeordnete Chromkreise auf Glas. Die Position jedes Gitterelements wird ermittelt. Daraus lässt sich der mittlere Pixelabstand und die Bildverzeichnung bestimmen. Bild 2 zeigt ein (schlechtes) Beispiel der Bildverzeichnungen für eine sehr einfache Kamera, die deshalb für genaue Messungen ungeeignet ist.


Bild 2: Beispiel der Bildverzeichnungen für eine sehr einfache Kamera. Die Abweichungen von einem regelmäßigen Gitter (hier stark überhöht dargestellt) spiegeln die Stärke der Verzeichnungen wieder.

Bei der anderen Methode werden scannende Verfahren eingesetzt. Im einfachsten Fall werden zwei Aufnahmen desselben Objekts gemacht, wobei zwischen den beiden Aufnahmen das Objekt lateral um einen bestimmten Betrag verschoben wird. In den beiden digitalen Bildern werden die Positionen des Objekts bestimmt. Die Differenz dieser beiden Positionen ist direkt mit der bekannten Objektverschiebung gekoppelt. Diese scannenden Verfahren benötigen als Voraussetzung keine ideale Gitterstruktur, und sie werden daher oft als selbst-kalibrierend bezeichnet [3].

Ein Demonstrations-Messplatz wurde auf Basis eines Zeiss-Mikroskops aufgebaut. Bild 3 zeigt als Beispiel eine Mikroskop-Aufnahme einer 30 µm großen Blende, aufgenommen mit einem Objektiv kleiner Apertur. Das Kantenprofil des in Bild 3 markierten Kreissektors ist in Bild 4 dargestellt.


Bild 3: Beispiel-Messung: Mikroskopaufnahme einer Kreisblende. Die markierte Fläche zeigt einen der ausgewerteten Kreissektoren.


Bild 4: Kantenprofil für den in Bild 3 gezeigten Kreissektor. Die Kantenposition wird mit Hilfe eines Schwellwertes bestimmt, der aus Modellrechnungen abgeleitet wird.

Die Kantenposition wird für jeden Sektor durch Vergleich des Kantenprofils mit Modellrechnungen bestimmt. Die so bestimmte Objektform (siehe Bild 5) lässt sich durch eine Funktion r(φ) beschreiben, die für jeden Polarwinkel φ den Abstand der Kante zum Mittelpunkt wiedergibt. Die Funktion r(φ) ist periodisch in φ, und man kann sie deshalb als Fourier-Reihe darstellen (siehe Bild 6). Die Lage des Mittelpunkts wird iterativ bestimmt; als Kriterium wird verwendet, dass die Amplitude der ersten Harmonischen Null wird.


Bild 5: Form (rote Kurve) des in Bild 3 gezeigten Kreises. Die Abweichungen von einem idealen Kreis sind überhöht dargestellt.


Bild 6: Darstellung der Objektform als Fourier-Reihe. Die Abweichungen von der idealen Kreisform können anhand ihrer Fourier-Komponenten klassifiziert werden.

Digitale Bildsensoren eignen sich für die rückgeführte dimensionelle Bestimmung der Form und der lateralen Dimensionen von Mikrostrukturen. Wichtig ist hierbei die Kalibrierung der Pixel-Koordinaten und die Kenntnis der Übertragungseigenschaften des Bildsensors. Die Messtechnik kann speziell für die Kalibrierung von Maßverkörperungen für die Halbleiterindustrie und die Fertigungsmesstechnik eingesetzt werden.


Literatur:

[1] G. Scheuring et al., Fully automated CD-Metrology and Mask Inspection in a Mask Production Environment, in Proc. 19th GMM-Conference, (2003)

[2] W. Mirandé et al., Characterisation of new CD photomask standards, in Proc. SPIE 5375, 29-40 (2004)

[3] J. Ye et al., An exact algorithm for self-calibration of two-dimensional precision metrology stages, Prec. Eng. 20, 16-32 (1997)