Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Wie „wiegt“ man die Oxidschicht einer Siliziumkugel?

31.12.2006

Für die vorgeschlagene Neudefinition des Kilogramms auf der Basis von Atommassen, wird die Avogadrokonstante mit einer angestrebten relativen Messunsicherheit von weniger als 2 . 10-8 an einer isotopenreinen Siliziumeinkristallkugel gemessen. Masse und Dicke ihrer Oxidschicht, die sich auf der Oberfläche der Kugel bildet, sind zusätzlich zu messende Parameter: Die Masse muss von der Gesamtmasse der Kugel, d. h. der Masse des Siliziumkerns und seiner Oxidschicht, abgezogen werden, die Kenntnis der Dicke dieser Schicht ist für interferometrische Volumenbestimmung erforderlich.

Da eine direkte Wägung nicht möglich ist, musste ein Weg für die Bestimmung der Oxidmasse gefunden werden, der weniger als 10 µg Messunsicherheit erreicht. Das aus verschiedenen Untersuchungen zur technischen Realisierbarkeit gewonnene Konzept für die „Wägung“ basiert auf der Messung sowohl des Volumens der Schicht als auch auf der präzisen Bestimmung der Dichte des Oxids. Die Volumenbestimmung reduziert sich auf eine Dickenmessung, da der Radius der Siliziumkugel bereits hochpräzise mit dem Kugelinterferometer gemessen wird. Die Vermessung der Oxidschicht stellt eine umfangreiche Querschnittsaufgabe innerhalb der PTB dar, an der neben der AG „Darstellung Masse“ (1.11) auch die AGs „Röntgenradiometrie“ (7.13), „Grenzflächencharakterisierung“ (5.13), „Quantitative Rastersondenmikroskopie“ (5.15) und „Festkörperdichte“ (3.33) beteiligt sind.

Messungen an der natürlichen Oxidschicht sind aufgrund ihrer unregelmäßigen Struktur und chemischen Zusammensetzung nicht mit ausreichender Präzision durchführbar. Daher ist es notwendig, vor den Messungen die ursprüngliche Oxidschicht durch ein thermisches Oxid (SiO2) mit homogener Dichte und einstellbarer Dicke zu ersetzen.


Si-Kugel eingebaut in das UHV-Reflektometer am BESSY. Für die Messung der Oxidschichtdicke wird der von links einfallende Röntgenstrahl (gelbe Linie) an der Kugel reflektiert. Seine Intensität wird mit dem Detektor (im Bild oben) gemessen.

Die Prozedur wurde im Berichtsjahr an einer Testkugel (genannt: SILO-02) erfolgreich durchgeführt. Im ersten Schritt wurde die Dicke der dabei entstandenen SiO2-Schicht nach ihrer Herstellung am PGM-Strahlrohr der PTB bei BESSY II mit Röntgenreflektometrie (XRR) gemessen (Abb. 1). Mit XRR ist es möglich, ultradünne Schichten (wenige Nanometer) mit kleinen Unsicherheiten (zehntel Nanometer) absolut zu bestimmen. An den Messpunkten wurde eine Dicke von d = 7,0(2) nm ermittelt. Messungen an wenigen Punkten sind für die Kenntnis der gesamten Schichtdicke allerdings nicht ausreichend, da die Dicke über den Kugelumfang periodisch variiert. Ursache hierfür ist die Abhängigkeit der Wachstumsgeschwindigkeit des Oxids von der Kristallorientierung unter dem Oxid (vgl. Abb. 2). Für die Bestimmung der mittleren Schichtdicke ist daher eine Messung an möglichst vielen Punkten notwendig (mapping). Dies wird mit einem spektralen Ellipsometer durchgeführt, das im Reinraumzentrum der PTB verfügbar ist.


Dicke der Oxidschicht der SILO-02-Kugel über einen kompletten Großkreis. Die vierzählige Periode ergibt sich aufgrund der Symmetrie des Kristalls. Dargestellt ist die Variation der Schichtdicke nach der zweiten Oxidation (125 nm bis 145 nm).

Im Fall der SILO-02 variiert die Schichtdicke zwischen 8 nm und 12 nm. Die zuvor mit der XRR gemessenen Punkte dienen dabei als Kalibrierpunkte für die ellipsometrischen Messungen. Für die Bestimmung der mittleren Schichtdicke der 28Si-Kugel wird eine Unsicherheit von δd = 0,1 nm angestrebt. Zur Zeit beträgt die Messunsicherheit 0,2 nm.

In einem zweiten Arbeitspaket wurde für die "Wägung" der Schicht die Dichte der Oxidschicht ermittelt. Dazu wurde die Oxidschichtdicke der SILO-02 in einer weiteren Oxidationsphase auf ca. 135 nm vergrößert. Aus den vor und nach der Oxidation ermittelten Masse- und Dichtedifferenzen der Kugel unter Anwendung der Druckflotationstechnik wird dann die Dichte der Oxidschicht bestimmt. Für die SILO-02 ergibt sich eine Dichte von ρ = 2233(12) kg m-3. Dieser Wert zeigt signifikante Abweichungen von dem allgemein in der Literatur benutzten Wert, da dort in der Regel unterschiedliche Kristallorientierungen und Packungsdichten unberücksichtigt bleiben. Der Wert zeigt aber gute Übereinstimmung mit den am NMIJ ermittelten Daten für die Oxiddichte.

In den kommenden Monaten werden weitere vorbereitende Messungen zur Schichtdickenbestimmung durchgeführt, um die Prozedur weiter zu evaluieren und die bereits erreichte Unsicherheit weiter zu verbessern. Zusätzlich werden weitere Dichtemessungen zur Verbesserung der Statistik durchgeführt.