Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Einfluss der Stöße bosonischer Strontiumatome in optischen Gitteruhren

01.02.2010

Optische Uhren benutzen sehr schmale Absorptionslinen als Referenz zur Stabilisierung einer optischen Frequenz [1]. Da die Bewegung der Atome durch den Dopplereffekt zu sehr großen Frequenzverschiebungen führt, werden in den besten dieser Uhren die Atome in äußeren Feldern festgehalten [2,3]. In einem weltweit an mehreren Metrologieinstituten verfolgten Ansatz [3,4,5] werden mehrere zehntausend Strontiumatome im Lichtfeld eines intensiven Lasers, einem so genannten optisches Gitter, festgehalten. Die Bewegung der nur wenige millionstel Kelvin kalten Atome wird dadurch auf den Bruchteil einer optischen Wellenlänge eingeschränkt und so der Dopplereffekt wirkungsvoll ausgeschaltet. Als Referenz dient der Übergang 3P01S0 bei 698 nm mit einer natürlichen Linienbreite von wenigen Millihertz.

Allerdings sind pro Potentialmulde noch einige 100 Atome gespeichert, die während der Abfrage der Linen miteinander stoßen können. Dabei werden im Allgemeinen die Schwingung der Elektronen, die als atomare Pendel wirken, leicht gestört und die Periodendauer beeinflusst. Deshalb wird meist das Isotop Strontium 87 verwendet, ein Fermion. Das Pauli-Prinzip verhindert, dass sich zwei dieser Teilchen bei sehr niedrigen Temperaturen am selben Ort aufhalten, wodurch Stöße unterdrückt werden [6,7]. Das Isotop hat allerdings nur eine natürliche Häufigkeit von 7% und ist nur relativ kompliziert mit Laserlicht zu kühlen oder daher weniger für einfache, transportable oder im Weltraum einsetzbare Uhren geeignet.

Das mit über 80% häufigste Isotop Strontium-88, das sich auch einfacher kühlen lässt, ist aber ein Boson, so dass die Atome selbst bei niedrigsten Temperaturen stoßen. Bei diesem Isotop war bisher noch nicht definitiv geklärt, wie stark Stöße die Genauigkeit der Uhr beeinflussen. In einem Experiment an der PTB [8] wurden diese Einflüsse zum ersten Mal detailliert untersucht. Basierend auf diesen Messungen ließ sich ein optimiertes Fallenpotential bestimmen, in dem trotz einer relativ hohen Zahl von mehreren 104 Atomen die Stossverschiebung die relative Genauigkeit des Standards nur auf einem Niveau von 10-16 begrenzt.

Neben einer Verschiebung wurde auch eine Verbreiterung der Referenzlinie in Abhängigkeit von der Teilchendichte beobachtet. Als dritter Effekt wurden inelastische Stösse beobachtet, die zu Atom- und Kohärenzverlusten führen. Diese Verluste lassen sich auf die transiente Bildung von Sr2 Molekülen zurückführen. Aufgrund der unterschiedlichen Anregungszustände des Atoms bei der Abfrage des Uhrenübergangs kommen mehrere Verlustkanäle in Betracht, deren Einfluss isoliert werden konnte. Es lässt sich zeigen, dass verglichen mit einem System mit 87Sr beide Effekte die Stabilität der Gitter-Uhr nicht verschlechtern.

 

Gemessene Stossverschiebung des Uhrenübergangs von 88Sr bei Variation der Atomzahl und damit der atomaren Dichte im optischen Gitter. Als Referenz dienten ca. 2×104 Atome

 

Foto der Vakuumapparatur mit gefangenen Strontium Atomen, die als fluoreszierende, ovale Wolke im oberen Teil des Vakuumfensters sichtbar sind. Horizontal darüber ist ein ebenfalls fluoreszierender gekühlter Atomstrahl zu sehen.

 


Literatur:

[1]         M. M. Boyd, T. Zelevinsky, A. D. Ludlow, S. M. Foreman, S. Blatt, T. Ido, J. Ye, Optical atomic coherence at the 1-Second time scale, Science 314, 1430-1433 (2006).

[2]         T. Rosenband, D.B. Hume, P.O. Schmidt, C.W. Chou, A. Brusch, L. Lorini, W.H. Oskay, R.E. Drullinger, T.M. Fortier, J.E. Stalnaker, S.A. Diddams, W.C. Swann, N.R. Newbury, W.M. Itano, D.J. Wineland, J.C. Bergquist, Frequency Ratio of Al+ and Hg+ Single-Ion Optical Clocks; Metrology at the 17th Decimal Place, Science 319, 1808-1812 (2008).

[3]         T. Akatsuka, M. Takamoto, H. Katori, Optical lattice clocks with non-interacting bosons and fermions, Nature Physics 4, 954-959 (2008).

[4]         G. K. Campbell, A. D. Ludlow, S. Blatt, J. W. Thomsen, M. J. Martin, M. H. G. de Miranda, T. Zelevinsky, M. M. Boyd, J. Ye, S. A. Diddams, T. P. Heavner, T. E. Parker, S. R. Jefferts, The absolute frequency of the 87Sr optical clock transition, Metrologia 45, 539-548 (2008).

[5]         X. Baillard, M. Fouché, R. L. Targat, P. G. Westergaard, A. Lecallier, F. Chapelet, M. Abgrall, G. D. Rovera, P. Laurent, P. Rosenbusch, S. Bize, G. Santarelli, A. Clairon, P. Lemonde, G. Grosche, B. Lipphardt, H. Schnatz, An optical lattice clock with spin-polarized 87Sr atoms, Eur. Phys. J. D 48, 11-17 (2008).

[6]         G. K. Campbell, M. M. Boyd, J. W. Thomsen, M. J. Martin, S. Blatt, M. D. Swallows, T. L. Nicholson, T. Fortier, C. W. Oates, S. A. Diddams, N. D. Lemke, P. Naidon, P. Julienne, J. Ye, A. D. Ludlow, Probing Interactions between Ultracold Fermions, Science 324, 360-363 (2009).

[7]         K. Gibble, Decoherence and Collisional Frequency Shifts of Trapped Bosons and Fermions, Phys. Rev. Lett. 103, 113202-1-4 (2009).

[8]         C. Lisdat, J. S. R. Vellore Winfred, T. Middelmann, F. Riehle, U. Sterr, Collisional Losses, Decoherence, and Frequency Shifts in Optical Lattice Clocks with Bosons, Phys. Rev. Lett. 103, 090801 (2009).