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Test eines phase retrieval-Verfahrens zur Bestimmung von Aberrationen von Mikroskop-Objektiven

04.11.2012

Einleitung

Die Leistungsfähigkeit von Abbildungsoptiken wird durch ihre Aberrationen bestimmt. Zur Messung der Aberrationen werden für gewöhnlich komplexe interferometrische Messaufbauten benutzt. Eine Alternative stellen sogenannte phase retrieval Verfahren dar, welche aus der Intensitätsverteilung um den Fokus die elektrische Feldverteilung in der Austrittspupille und somit die Aberrationen des optischen Systems berechnen. Mithilfe solcher Verfahren können die Aberrationen gemessen werden, ohne dass das System (z.B. durch Einfügen in einen interferometrischen Aufbau) verändert werden müsste. Dieser Vorteil ist besonders wichtig für optische Messsysteme, bei denen keine Eingriffe vorgenommen werden sollen bzw. können.

In Zusammenarbeit mit der TU Delft wurde ein phase retrieval - Verfahren basierend auf der Extended-Nijboer-Zernike (ENZ) Theorie zur Bestimmung der Aberrationen einer Testlinse (Mikroskopobjektiv mit einer numerischen Apertur von NA=0,4) genutzt. Die Ergebnisse wurden mit interferometrischen Verfahren verglichen.    

Extended-Nijboer-Zernike basiertes phase retrieval  

Das elektrische Feld Ρ (ρ, ϑ) in der Austrittspupille eines optischen Systems wird in Polarkoordinaten als Zernike Entwicklung mit den komplexen Koeffizienten  beschrieben

                                                                (1)

Die Beziehung zwischen Ρ (ρ, ϑ) und dem Feld in der Fokusregion ist durch das  Debye Beugungsintegral gegeben. Eine semi-analytische Lösung dieses Beugungsintegrals ist durch die ENZ Theorie gegeben. In Zylinderkoordinaten kann die Intensität in der Fokusregion beschrieben werden als           
                                                                (2)


mit den Funktionen Vnm  wie in [1] gegeben. Gleichung (2) kann hinsichtlich der Koeffizienten linearisiert werden.  Ausgehend davon kann ein lineares Gleichungssystem aufgestellt werden, welches die gemessenen Intensitätswerte I(r,φ,f) mit den Koeffizienten verknüpft. Das elektrische Feld Ρ (ρ, ϑ) kann dann aus den Messwerten I(r,φ,f) durch Lösen des Gleichungssystems rekonstruiert werden.

Messungen mit dem ENZ phase retrieval - Ansatz

Der Messaufbau für die phase retrieval - Messungen ist in Abb. 1 dargestellt. Ein kollimierter Laserstrahl (λ=633 nm) passiert die Testlinse, die auf einer 2D -Bewegungsachse montiert ist. Bilder der Intensitätsverteilung in der Fokusregion werden mit einem Abbildungsobjektiv (NA=0.9) und einer Tubuslinse auf die CCD abgebildet. Die Testlinse wird entlang der optischen Achse bewegt und es werden auf diese Weise insgesamt 30 Intensitätsverteilungen aufgenommen (Animation Abb. 2). Zur Kalibrierung der Vergrößerung wird die Testlinse senkrecht zur optischen Achse bewegt und die Vergrößerung aus den Positionen der Intensitätsmaxima berechnet.  

Abb. 1. Aufbau für phase retrieval - Messungen

Abb. 2. Gemessene Intensitätsverteilung in der Fokusregion senkrecht zur optischen Achse (oben) sowie die gemessenen Intensität auf der optischen Achse (unten). Die rote Line markiert die Position der im oberen Teil gezeigten Intensitätsverteilung.

Um systematische Fehler des Messaufbaus unberücksichtigt zu lassen, wurden relative Messungen durchgeführt. Dazu wurde eine Messung mit der Testlinse durchgeführt und eine zweite Messung mit einer zusätzlichen Aberrationsplatte (Abb. 3).

Abb. 3. Messkonfigurationen für die phase retrieval - Messungen


Die Differenz beider Messungen hängt nur von den Aberrationen der Aberrationsplatte ab, da die Aberrationen der einfallenden Wellenfront und die des Abbildungssystems in beiden Messungen enthalten sind und in der Differenz eliminiert werden. Aus den Intensitätsdaten wurden insgesamt 59 Zernike Koeffizienten (n ≤12, |m| ≤5) berechnet.

Vergleichsmessungen mit Fizeau-Interferometer

Zum Vergleich wurden Messungen mit einem Fizeau-Interferometer (Carl Zeiss Direct 100) durchgeführt. Die sphärische Wellenfront der Testlinse wurde von einem konkaven Spiegel reflektiert. Es wurden wieder 2 Messungen durchgeführt, einmal mit und einmal ohne Aberrationsplatte (Abb.4).

Abb. 4. Messkonfigurationen für die interferometrischen Messungen

Um die Messdaten des Fizeau-Interferometers mit den phase retrieval - Daten vergleichen zu können, wurde an die Interferometer-Messdaten ein Zernike-Polynom mit derselben Anzahl an Koeffizienten angepasst. Beispielhaft ist in Abb. 5 das Ergebnis einer Vergleichsmessung zu sehen. Die rms-Differenz zwischen beiden Messungen beträgt hier 7,0 nm.

Abb. 5. Messergebnisse für eine Aberrationsplatte für die interferometrische Messung (links), die phase retrieval - Messung (mitte) und die Differenz beider Messungen (rechts). Die lateralen Koordinaten sind normiert, so dass der maximale Radius 1 ist. Die Phasenwerte sind in Nanometern angegeben.

Diskussion

Die Genauigkeit der phase retrieval - Messungen ist im gegenwärtigen Aufbau durch mechanische Instabilitäten (Vibrationen) limitiert. Die bisher erzielten Ergebnisse sind jedoch sehr vielversprechend. Messunsicherheiten von λ/100 erscheinen erreichbar. Für absolute Messungen muss die Beleuchtungswellenfront hinreichend gut bekannt sein.

Zur Charaktersierung von höher geöffneten Objektiven (NA>0.6) müssen die vektoriellen Eigenschaften des elektrischen Feldes berücksichtigt werden. Weiterhin kann bei solchen Objektiven die Intensitätsverteilung im Fokus nicht mehr mittels eines Abbildungssystems erfasst werden, da dies zu zusätzlichen Beugungseffekten im Abbildungssystem führen würde. Stattdessen kann z.B. eine kleine Lochblende mit einem Durchmesser kleiner als die verwendete Wellenlänge (und somit eine nahezu ideale sphärische Wellenfront) im Objektraum entlang der optischen Achse bewegt werden.


Literatur:

[1]       J.J.M. Braat, S. van Haver, A.J.E.M. Janssen, P. Dirksen: „Assessment of optical systems by means of point-spread functions“, in Progress in Optics, Vol. 51, ed. E. Wolf, (Elsevier, Amsterdam, The Netherlands, 2008), pp. 349-468.