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Goniochromatische Farben in drei Dimensionen

29.12.2011

Mit dem ”3-dimensional Appearance Robot-based Gonioreflectometer“ (ARGon3) der PTB sind erste Messungen zur vollständigen Charakterisierung von so genannten goniochromatischen (winkelabhängigen) Farben durchgeführt worden. Bei goniochromatischen Farben, die auf dem Interferenzeffekt beruhen, liegt im Gegensatz zu “normalen“ absorptiven Farben eine starke Winkelabhängigkeit des Farbeindruckes vor. Dieser resultiert aus dem internen Aufbau dieser Farbpigmente, die aus plättchenförmigen Schichtsystemen mit unterschiedlichem Brechungsindex bestehen. Die semitransparenten Interferenzpigmente reflektieren nur einen Teil des auftreffenden Lichtes direkt. Ein Teil des Lichtes dringt in die transparenten Plättchen ein und wird an den Grenzflächen wiederum nur teilweise reflektiert. Der "übrig bleibende Rest" verlässt die Teilchen und steht für weitere Reflexionen an anderen Effektpigmenten zu Verfügung (Mehrfach-Reflexion). Die reflektierten Anteile des Lichtes führen durch ihre optische Überlagerung zu Interferenzphänomenen und dem Effekt der winkelabhängigen Farbe, da sich abhängig von der optischen Weglänge ihr Gangunterschied ändert. Besonders gut kann die Interferenz auf einem dunklen Untergrund wahrgenommen werden, da dieser die Wellenlängen der zur reflektierten Farbe komplementären Farbe und einen großen Teil des restlichen Lichtes absorbiert.
Bisherige kommerzielle Farbmessgeräte charakterisieren Probenoberflächen fast ausschließlich in so genannten “in-plane“ Reflexionsgeometrien. Dabei liegen die Richtungen des eingestrahlten und des reflektierten Lichts, sowie die Oberflächennormale der Probe in einer Ebene. Diese Einschränkung entspricht jedoch in keiner Weise der täglichen Realität, bei der Oberflächen aus beliebigen Richtungen auch senkrecht zur Einstrahlung betrachtet werden. Seitens der Anwender gibt es daher einen starken Trend zur vollständigen Charakterisierung, bezüglich aller vorkommender Winkelkombinationen im dreidimensionalen Raum.
Mit der ARGon3-Apparatur können daher für beliebige Ein- und Ausfallwinkel auf einer Probe komplette Reflexionsspektren im sichtbaren Spektralbereich (360 nm bis 830 nm) aufgenommen werden und daraus Farbkoordinaten in beliebigen Farbraumsystemen berechnet werden. Eine absolute Messung in 190 Winkelkombinationen, im Polarwinkelbereich 0° bis 67,5° gleichmäßig verteilt über den Viertelraum dauert hierbei ca. 4 Stunden. Die so erhaltenen Daten bilden die Basis für Verbesserungen in der Messtechnik für Anwender und Hersteller. Die untere Grafik zeigt die gemessenen Farbkoordinaten, für den 10° Normalbeobachter (Normlichtart D65), gemessen für eine gerichtete Einstrahlung unter 45° auf eine Effektpigmentprobe (Merck Viola Fantasy appliziert auf schwarzem Untergrund). Dargestellt ist eine Projektion des L*a*b*-Farbraumes, mit den Luminanzwerten farblich codiert in einer Falschfarbendarstellung.




Winkelabhängige L*a*b*-Farbkoordinaten des Effektpigmentes Viola Fantasy für eine Einstrahlung unter 45° auf die Probe. Luminanzwerte L* in Falschfarbendarstellung