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Rückführbarkeit für On-Wafer-Streuparametermessungen auf Membrantechnologie-Substraten erstmals gezeigt

28.11.2017

Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts PlanarCal ist es erstmalig gelungen, ein vollständiges Unsicherheitsbudget für planare Streuparametermessungen im Frequenzbereich 1 bis 110 GHz aufzustellen. Die Rückführbarkeit wurde für Messungen an Schaltungskomponenten in Membrantechnologie nachgewiesen.

 

 

Bedingt durch die zunehmende Arbeitsgeschwindigkeit moderner elektronischer Geräte werden zuverlässige Charakterisierungsmethoden für integrierte Schaltungen und Bauelemente bis in den Mikrowellenbereich benötigt. Über 200.000 Menschen arbeiten in Europa im Bereich der Halbleiter-, Halbleiterausrüstungs- und -materialindustrie. Der Welthandel mit elektronischen Produkten hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, und weiteres Wachstum wird erwartet. Halbleitertechnologien sind eine Schlüsseltechnologie in Wirtschaftszweigen wie der Nachrichtentechnik, der Automobilindustrie, der Herstellung medizinischer Geräte sowie der Fertigung von Maschinenanlagen.

Zum Testen planarer Schaltungen bei höheren Frequenzen werden in der Regel On-Wafer-Streuparametermessungen eingesetzt, deren Unsicherheiten bisher allerdings weitgehend unbekannt waren. Randbedingungen des Messaufbaus wurden ebenso wenig berücksichtigt wie parasitäre Wellenausbreitungsformen, die verstärkt bei höheren Frequenzen auftreten. Zur Untersuchung dieser Effekte werden in dem Ende 2015 gestarteten europäischen Projekt mit dem Kurznamen PlanarCal sowohl modernste Messgeräte wie z.B. Wafer-Prober mit vektoriellen Netzwerkanalysatoren als auch State-of-the-Art-Simulationssoftware zur numerischen Feldberechnung eingesetzt. Ziel des im Rahmen von EMPIR finanziell geförderten Forschungsprojekts PlanarCal ist die Entwicklung von Kalibriermitteln und  verfahren zur verlässlichen Messung planarer Streuparameter bis mindestens 325 GHz.

Eines der genauesten Verfahren zur Kalibrierung von On-Wafer-Streuparametermessungen erfordert planare Wellenleiter unterschiedlicher Länge, die bei möglichst geringen Fertigungskosten Signalfrequenzen im Millimeterwellen- und Sub-Millimeterwellenbereich möglichst störungsfrei übertragen sollen. In herkömmlichen Technologien gefertigte Koplanar- oder Mikrostreifenleitungen zeigen jedoch Dispersions- und Abstrahlungseffekte, und zusätzlich können unerwünschte Moden angeregt werden.

Eine mögliche Lösung zur Umgehung dieser Probleme stellen koplanare Wellenleiter (CPWs) in Membrantechnologie dar. Im Gegensatz zu einem CPW-Trägersubstrat mit mehreren hundert Mikrometern Dicke führt eine sehr dünne Membran als Träger zu einer effektiven Dielektrizitätskonstante nahe dem idealen Wert von 1. Daraus folgen hervorragende Dispersionseigenschaften, und ebenso wird die Anregung unerwünschter Oberflächenmoden bis zu sehr hohen Frequenzen verhindert. Mit Hilfe eines an der PTB entwickelten mathematischen Modells ist die genaue Vorhersage der Ausbreitungseigenschaften einer Membran-CPW möglich.

Solche von einer Membran getragenen, koplanaren Strukturen wurden erfolgreich vom industriellen Projektpartner Rohde & Schwarz, München, hergestellt. Numerische Simulationen zur Optimierung des Layouts wurden am Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik, Berlin, durchgeführt. Die Entwicklung einer speziellen Aufsetzstruktur ermöglicht einen breitbandigen und reflexionsarmen Übergang des Signals vom hochresistiven Siliziumsubstrat zur Membran-CPW. Bild 1 zeigt eine 500 µm lange Membran-CPW mit den Aufsetzstrukturen, die auf beiden Seiten der Membran-CPW mit Mikrowellenprüfspitzen kontaktiert wurden.

Für korrigierte On-Wafer-Streuparametermessungen an Schaltungskomponenten in Membrantechnologie wurde an der PTB ein vollständiges Unsicherheitsbudget entwickelt, welches neben den Instrumentenfehlern des Messaufbaus (inkl. Netzwerkanalysator) die Unsicherheiten in den Kalibrierstandards und die Wiederholbarkeit des Aufsetzvorgangs der Prüfspitzen berücksichtigt. Zur Charakterisierung der Unsicherheitskomponenten wurde ein hoher Aufwand betrieben. So wurden beispielsweise für die dimensionelle Charakterisierung der Membranstrukturen neben einem optischen Koordinatenmessgerät auch AFM-Techniken eingesetzt.

Bild 2 zeigt beispielhaft ein Messergebnis (schwarz) im Vergleich zu Modellwerten (blau) für den Betrag der Transmission der Membran-CPW aus Bild 1. Zusätzlich dargestellt ist die erweiterte Messunsicherheit (95%-Konfidenzinterval) als grauer Bereich sowie die Unsicherheit der Modellwerte als blauer Bereich. Für Frequenzen zwischen 1 und 110 GHz umschließt der Bereich der erweiterten Messunsicherheit die Modellwerte der Membran-CPW vollständig.

 

Membran-CPW mit Aufsetzstrukturen  

 Bild 1: Membran-CPW mit Aufsetzstrukturen

 

 

 Streuparameter eines Hochfrequenzbauteils

Bild 2: Betrag des Streuparameters S12 des Hochfrequenzbauteils nach Bild 1. Die 95%-Konfidenz-Intervalle sowie die Unsicherheiten der Modellierung sind hell eingezeichnet.