Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Das Quanten-Ampere ist genauer als das klassische

29.11.2016

Die Welt der Physik ist im Umbruch: Bis 2018 wollen Wissenschaftler alle physikalischen Basiseinheiten auf ein solides, unveränderliches Fundament stellen – die Naturkonstanten. Die Einheiten Meter und Sekunde sind diesbezüglich schon vor Jahren vorangeprescht, nun sollen Kelvin, Kilogramm, Mol und Ampere folgen. Die Forschungsarbeiten an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) tragen zum Gelingen dieses Vorhabens bei. So ist es PTB-Forschern jetzt gelungen, die besonders kleinen Stromstärken einer Einzelelektronen-Pumpe in bisher unerreichter Genauigkeit zu messen – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Revision des Internationalen Einheitensystems (SI).

 

 

Im heutigen internationalen Einheitensystem, dem SI, ist die elektrische Basiseinheit Ampere über die Kraft zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern definiert. Dieses "klassische Ampere" kann mit einer Messunsicherheit von etwa 0,3 µA/A realisiert werden. Im revidierten SI, dessen Einführung in 2018 geplant ist, soll das Ampere genauer werden. Im neuen Einheitensystem wird die Stromstärkeeinheit Ampere über den Wert der Elementarladung e definiert. Für eine direkte Realisierung dieser Definition treibt man einzelne Elektronen durch eine extrem schmale Leiterbahn mit Dimensionen im Nanometerbereich. In der PTB wurden in den letzten Jahren solche als Einzelelektronen-Pumpen bezeichnete Bauelemente auf der Basis von Halbleitermaterialien entwickelt und im Reinraumzentrum hergestellt. Betreibt man  solche Pumpen bei einer Taktfrequenzen f, erwartet man, dass ein Strom der Stärke I = e.f erzeugt wird. Für f = 1 GHz beträgt die Stromstärke etwas 160 pA. Solche kleinen Ströme ließen sich lange Zeit nur mit Unsicherheiten von 1 µA/A messen. Die Theorie sagt voraus, dass quantisierte Ströme aus Halbleiter- Einzelelektronen-Pumpen Unsicherheiten aufweisen können, die deutlich unter 1 µA/A liegen.

Zur Verifizierung dieser Vorhersage wurde in langjähriger Entwicklungsarbeit ein spezieller Messverstärker entworfen und realisiert, der den kleinen quantisierten Strom zunächst etwa tausendfach verstärkt und ihn dann mittels eines Transimpedanzverstärkers in eine leichter zu messende Spannung wandelt. Durch  Rückführung auf einen Quanten-Hall-Widerstand wird die Präzision dieses Teils der Messkette sichergestellt. Zur Messung der Spannung wird ein weiteres Quantennormal eingesetzt, ein Josephson-Quantenvoltmeter.

Die Abbildung zeigt schematisch die Messung des quantisierten Stromes aus einer Halbleiter- Einzelelektronen-Pumpe mit der neu entwickelten Messtechnik. Nach Optimierung aller Teile der Messkette konnte gezeigt werden, dass ein quantisierter Strom der Stärke I = 96 pA innerhalb einer Messunsicherheit von nur 0,16 µA/A mit dem erwarteten Wert I = e.f übereinstimmte. Die in einer relativ kurzen Messzeit von 21 Stunden erreichte Genauigkeit stellt eine Rekordmarke für Halbleiter-Einzelelektronen-Pumpen dar und belegt eindrucksvoll die Qualität aller eingesetzten Quantennormale. Das Ergebnis bestätigt frühere Messungen mit einer Unsicherheit von 0,20 µA/A. Der PTB ist mit diesen Arbeiten der Nachweis gelungen, dass das "Quanten-Ampere" mit einer geringeren Messunsicherheit dargestellt werden kann als das klassische Ampere im heutigen SI - ein Meilenstein auf dem Weg zur geplanten Revision des internationalen Einheitensystems.

 

Messaufbau zur Messung von quantisierten Strömen 

Bild: Halbleiter-Einzelelektronen-Pumpe (links), angeschlossen an einen hochgenauen Strom-Spannungswandler ULCA (Mitte) in Kombination mit einem Josephson-Spannungsnormal zur Spannungsmessung (rechts). Alle Bauteile und Geräte wurden von der PTB entwickelt.