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Zukunft des Ohms gesichert - Validierung der neuen Molekularstrahlepitaxie-Anlage

08.09.2010

Die elektrischen Einheiten sind schon längst in der Quantenwelt zuhause. Im Bestreben, das gesamte Internationale Einheitensystem (SI) auf Naturkonstanten zurückzuführen, liegen sie ganz vorne – unter anderem, weil sich der Widerstand mithilfe des Quanten-Hall-Effektes realisieren lässt. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist das einzige Metrologie-Institut weltweit, das entsprechende Primärnormale herstellen kann. Damit dies auch nach dem Kauf einer moderneren Molekularstrahl-Epitaxie-Anlage so bleibt, mussten die Wissenschaftler sich einige Tricks einfallen lassen. Die neue Anlage soll vorrangig der Einzelelektronentunnel-Forschung dienen – und damit beispielsweise der Frage, ob auch die Stromstärkeeinheit Ampere sich auf eine Naturkonstante zurückführen lässt. Für das Quanten-Ohm schien sie zunächst weniger geeignet. Aber durch die gezielte Veränderung der Wachstumsparameter und der Schichtstruktur der Kristalle gelang den PTB-Wissenschaftlern das Kunststück, die Anlage für beide Aufgaben gleichermaßen fit zu machen. Dadurch hat die PTB ihre Kompetenz gesichert, auch in Zukunft eigene Quanten-Widerstands-Normale herstellen zu können.
Die Widerstandseinheit Ohm wird seit 1990 auf eine Naturkonstante zurückgeführt, die von-Klitzing-Konstante RK. Ihr gleichnamiger Entdecker hatte fünf Jahre zuvor den Nobelpreis bekommen, weil er erkannt hatte, dass ein schon zuvor beobachtetes Phänomen (nämlich Stufen konstanter Spannung, die bei tiefen Temperaturen und starken Magnetfeldern senkrecht zu einem Strom entstehen) von keiner Materialeigenschaft und auch nicht von der Magnetfeldstärke, sondern ausschließlich von den Naturkonstanten Planck'sches Wirkungsquantum h und Elementarladung e abhängt. Das Verhältnis h/e2 bekam den Namen von-Klitzing-Konstante und wurde zur universellen Bezugsgröße für die Messung von Widerständen, die überall auf der Welt exakt reproduziert werden kann – sofern die geeignete Messtechnik und ausreichend Know-how vorhanden sind. Die notwendigen Präzisions-Messungen sind sehr aufwendig, da sie bei tiefen Temperaturen von 1,4 K (also - 272 Grad Celsius) und sehr hohen Magnetfeldern von 10 T durchgeführt werden müssen. Der Wert der von-Klitzing-Konstante kann in der PTB bis auf eine relative Messunsicherheit von 2 · 10–9, also auf neun Stellen genau, gemessen werden und dient in der Praxis zur Kalibrierung von Prüfwiderständen. Ausgangspunkt für diese Kalibrierungen sind Quanten-Hall-Primärnormale, die bisher in der PTB in einer älteren konventionellen Molekularstrahl-Epitaxie(MBE)-Anlage hergestellt werden konnten.
Entscheidend für die späteren Eigenschaften eines Quanten-Hall-Normals ist ein sogenanntes zweidimensionales Elektronengas, eine hauchdünne, nur ca. 10 nm breite leitende Schicht in einer Halbleiterschichtstruktur aus GaAs und AlGaAs. Die Dichte der Elektronen muss einen bestimmten Wert haben, und ihre Beweglichkeit darf nicht allzu hoch sein.
Festgelegt werden diese Parameter schon während des GaAs-Kristallwachstums, was in der bisherigen Anlage seit Jahren erfolgreich gelingt.
Entscheidend für die späteren Eigenschaften eines Quanten-Hall-Normals ist ein sogenanntes zweidimensionales Elektronengas (2DEG), eine hauchdünne, nur ca. 10 nm hohe leitende Schicht in einer Halbleiterschichtstruktur aus GaAs und AlGaAs. Die Dichte der Elektronen muss einen bestimmten Wert haben, und ihre Beweglichkeit darf nicht allzu hoch sein. Festgelegt werden diese Parameter schon während des GaAs-Kristallwachstums, was in der bisherigen Anlage schon seit Jahren erfolgreich gelingt.
Als die PTB für weitere Forschungsaufgaben, unter anderem zum Einzelelektronentunneln, eine neue MBE-Anlage speziell für höchstbewegliche Elektronensysteme kaufte, stellte sich die Frage, ob ein grundsätzliches Problem überwunden werden konnte. Mit der Anlage werden Elektronen-Beweglichkeiten von über 10 Millionen cm2/Vs erreicht; es gibt nahezu keine Rest-Verunreinigungen mehr, die den Fluss der Elektronen behindern. Bisher galt die Regel, dass in einer solchen Anlage nicht gleichzeitig auch niederbewegliche Proben hergestellt werden können. Für die Untersuchung wurden in der neuen MBE-Anlage Quanten-Hall-Widerstände bei modifizierten Wachstumsbedingungen hergestellt: bei tieferen Temperaturen und mit sehr viel geringerem Abstand des Elektronengases zur dotierten Schicht. Dadurch ergibt sich eine geringere Beweglichkeit, ohne dass zusätzliche Verunreinigungen anwesend sind. Verglichen wurden die Werte dieser Quanten-Hall-Widerstände mit dem besten Quanten-Hall-Normal der PTB, das aus der konventionellen MBE-Anlage stammt. Das Ergebnis der Präzisionsmessungen kann sich sehen lassen, denn innerhalb der hervorragenden Messunsicherheit von ± 2 · 10–9 stimmt der Widerstandswert beider Proben überein.
Damit gilt die neue MBE-Anlage als validiert und die Versorgung der PTB mit Quanten-Hall-Normalen ist auf eine breitere Basis gestellt worden. Über die Ergebnisse soll auf der bevorstehenden internationalen Konferenz für elektro-magnetische Präzisionsmessungen (CPEM) 2010 in Daejeon/ Korea berichtet werden.

 

 

Die neue Molekularstrahl-Epitaxie-Anlage in vertikalem Design. Besonders auffällig ist die rechts angeflanschte große Kryo-Pumpe, die für das extrem gute Vakuum verantwortlich ist. Die riesige Dimension dieser Pumpe ist im Vergleich zu einer "normalen" Kryopumpe erkennbar, die links angeflanscht ist und hier nur als Ersatzpumpe dient.

 

 

Eine in der PTB hergestellte Probe für Quanten-Hall-Effekt-Messungen. In der Mitte das GaAs-Probenstück mit zwei Hall-Barren-Strukturen, die über goldbeschichtete Kontaktflächen und sehr dünne Drähte mit dem Chipträger elektrisch verbunden sind.

 

Ansprechpartner: Klaus Pierz
Fachbereich 2.5:  Halbleiterphysik und Magnetismus