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Graphen p-n Reihenschaltungen als quantisierte Widerstandsnormale

09.12.2011

In der Metrologie dient der quantisierte Hall-Effekt (QHE) zur hochpräzisen Reproduzierung der Einheit des elektrischen Widerstands. Allerdings liefert er einen exakten Wert nur bei h/2e² (≈ 12,9 kΩ) und h/4e², andere Werte erfordern messtechnische Skalierungsmaßnahmen. Als Alternativen prinzipiell mögliche Parallel- oder Reihenschaltungen von QHE-Widerständen haben sich bisher in der Anwendung nicht durchgesetzt, da sie eine relativ komplexe mehrlagige Verdrahtung auf Chip-Ebene erfordern. Graphen, für dessen Entdeckung 2010 der Physik-Nobelpreis verliehen wurde, weist jedoch eine besondere Eigenschaft auf, die bei keinem anderen QHE-Material auftritt. Es ermöglicht in ein und derselben Probe und kontrolliert durch eine Steuerelektrode elektrischen Stromtransport  wahlweise mit positiven (p) oder negativen (n) Ladungsträgern. Eine QHE-Reihenschaltung, die abwechselnd aus direkt miteinander verbundenen p- und n-leitenden Elementen besteht, kommt dadurch sogar ohne jegliche Verdrahtung aus.

In der PTB wurde dieses Konzept nun erstmals demonstriert, indem eine Zweifach-schaltung aus einem p- und n-leitenden Graphen-Streifen bei anwendungsrelevanten Stromstärken von einigen µA betrieben wurde. Dabei wurde, allerdings im Rahmen der bei diesem ersten Experiment noch begrenzten Messunsicherheit, keine Verschlechterung der QHE Präzision beobachtet. Eine Erhöhung der Anzahl von Teilschaltungen sollte mit genügend großen Graphen-Proben möglich sein, so dass derartige QHE-Reihenschaltungen beliebige ganzzahlige Vielfache des Wertes 12,9 kΩ liefern könnten.

Der im Bild, Teil (b)-(d), dargestellte Übergang von einem konventionellen Doppel-QHE Bauelement  zu einem Bauelement mit p- und n-leitenden Bereichen verdeutlicht, wieso die in Graphen mögliche Bipolarität der Ladungsträger zu einer weniger komplexen Schaltung führt: Der Polaritätswechsel in einer Teilprobe wirkt sich genau so aus, wie ein (praktisch unmöglicher) lokaler Vorzeichenwechsel des Magnetfeldes in der Teilprobe. Dadurch ist es möglich, die Teilprobe um 180° zu drehen und die Überkreuzungen der Verdrahtung zu vermeiden. Es zeigte sich sogar, dass die Verbindungsleitungen vollständig entfallen können (d), und letztlich eine Verkettung vieler p-n-Elemente möglich wird (e). Im Teilbild (a) ist im grau unterlegen Bereich zu sehen, dass die schwarze Messkurve in der Tat einen Widerstand von h/e² (≈ 25,8 kΩ) anzeigt, dem doppelten Wert der blauen bzw. roten Kurve, die im reinen p- und im reinen n-Bereich gemessen wurden.

 

 

Bild:
(a) Gemessene Hall-Widerstände im p-leitenden Teilelement (blau), im n-leitenden Teilelement (rot), und vom gesamten Bauelement. (b)-(d) Übergang von einem konventionellen Doppel-QHE Bauelement  zu einem Bauelement  mit p- und n-leitenden Bereichen. (e) Bauelement aus sechs abwechselnd n- und p-leitenden Bereichen

 

 

 

 

Ansprechpartner: M. Woszczyna
Fachbereich 2.6 : Elektrische Quantenmetrologie