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Erweiterung des Frequenzbereiches des PTB-Schallnormals bis herunter zu 2 Hz für die Rückführung akustischer Messungen im Infraschallbereich

14.11.2016

Die Primärkalibrierung in der Druckkammer liefert das zurzeit präziseste Verfahren zur Darstellung der Schalldruckeinheit. Um diese mit höchstmöglicher Genauigkeit zu realisieren, bedient man sich des Reziprozitätsverfahrens zur Kalibrierung von hochstabilen genormten Kondensator-Mikrofonen, den sogenannten Laboratoriums-Normalmikrofonen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen großen Frequenz- und Dynamikbereich mit einem relativ geringen Einfluss der Umgebungsbedingungen (statischer Druck, Temperatur und Luftfeuchte) auf ihre Übertragungsfunktion und einer großen zeitlichen Stabilität verbinden.

Dabei wird der Umstand ausgenutzt, dass solche Kondensatormikrofone umkehrbare reziproke Vierpole sind. Das heißt, dass sie nicht nur, wie üblich, bei Anliegen eines Schalldruckes eine Ausgangsspannung erzeugen, sondern auch einen Schallfluss erzeugen können, wenn man einen Wechselstrom einspeist.

Zur Reziprozitäts-Kalibrierung werden drei Mikrofone M1, M2 und M3 mit den von der Frequenz f abhängigen Übertragungsfunktionen M1(f), M2(f) und M3(f) verwendet, von denen jeweils ein Paar auf genau definierte Art und Weise akustisch miteinander verbunden wird, und zwar so, dass jedes der drei Mikrofone einmal als Sender und einmal als Empfänger fungiert.

Für jedes Paar werden der durch das Sendemikrofon fließende Strom Is und die Leerlauf-Ausgangsspannung des Empfangsmikrofons Ue als Funktion der Frequenz gemessen. Der Quotient Is/Ue wird als elektrische Transferimpedanz bezeichnet. Sie beschreibt jeweils das Eingangs-Ausgangs-Verhalten des Systems aus den beiden Mikrofonen und der akustischen Koppelstrecke.

Die akustische Kopplung der Mikrofone wird durch zylindrische Kuppler mit sehr genau bekannten Abmessungen realisiert, siehe Bilder 1 und 2. Für die Bestimmung der sogenannten akustischen Transferimpedanz müssen auch die physikalischen Eigenschaften des Koppelmediums Luft, die wiederum von der Temperatur, der relativen Luftfeuchte und dem statischen Druck abhängen, genau bestimmt und berücksichtigt werden. Im Kuppler breitet sich eine ebene Schallwelle aus, solange der Kupplerdurchmesser, welcher dem Membrandurchmesser der Mikrofone entspricht, klein gegen die Schallwellenlänge ist. Die akustische Transferimpedanz des Mikrofon-Kuppler-Mikrofon-Systems lässt sich dann als eine homogene Übertragungsleitung darstellen, die von den akustischen Impedanzen der beiden Mikrofone abgeschlossen wird. Die Parameter der Übertragungsleitung sind einerseits die Abmessungen des Kupplers und der Mikrofone, andererseits die von den Umgebungsbedingungen abhängigen Eigenschaften der umschlossenen Luft und schließlich die bereits erwähnten akustischen Impedanzen der Mikrofone. Zur deren genauer Berechnung wird ein Fit-Verfahren angewendet, bei welchem die Unterschiede in den Messergebnissen in verschieden langen Kupplern als Grundlage dienen.

Aus den frequenzabhängigen elektrischen und akustischen Transferimpedanzen werden die Übertragungsfunktionen M1(f), M2(f) und M3(f) der drei Mikrofone berechnet. Bei mittleren Frequenzen (125 Hz bis 4500 Hz) wird dabei eine Messunsicherheit von
0,03 dB (k=2) erreicht, zu hohen Frequenzen (10 kHz) steigt sie auf bis zu 0,08 dB an.

Um eine derart geringe Messunsicherheit zu erreichen, muss man noch zahlreiche Effekte, wie z. B. die Wärmeleitung an den Wänden der Kupplerhohlräume oder die Ausbildung radialer Moden im Kuppler quantifizieren und korrigieren. Die ermittelten Werte der Druck-Leerlauf-Übertragungsfunktionen werden auf die Bezugs-Umgebungsbedingungen (Temperatur, statischer Luftdruck und relative Feuchte) umgerechnet und als Druck-Leerlauf-Übertragungsmaße in dB (re 1 V/Pa) angegeben.

Bislang erfolgte diese Kalibrierung im Hörfrequenzbereich von 32 Hz bis 10 kHz. Kürzlich wurde in der PTB der Frequenzbereich bis zu 2 Hz herunter erweitert, was die immer stärker nachgefragte Rückführung von Schallmessungen im Infraschallbereich zukünftig ermöglichen wird. Die besonderen Herausforderungen bei derart tiefen Frequenzen bestehen darin, das Mikrofon-Kuppler-Mikrofon-System ausreichend dicht zu gestalten, was in vielen Fällen eine mechanische Nachbearbeitung der Mikrofon-Stirnflächen erfordert. Des Weiteren muss der Übergang vom adiabatischem zum isothermen Verhalten des Koppelmediums Luft adäquat berücksichtigt werden. Auf diese Weise konnte bis 4 Hz eine Messunsicherheit (k=2) von 0,12 dB und für die noch tieferen Frequenzen bis 2 Hz von 0,23 dB erreicht werden.

Ein EURAMET-Ringvergleich, der diesen Frequenzbereich umfasst, steht kurz vor dem Abschluss.

 

Bild 1: Zwei Laboratoriums-Normalmikrofone (oben) mit einem Kuppler (unten links) für die Reziprozitätskalibrierung. Das Koppelvolumen wird durch den inneren Zylindermantel und die beiden Mikrofonmembranen gebildet, siehe auch Bild 2. Am Kuppler ist eine Kapillare für den Druckausgleich zum Umgebungsluftdruck angebracht, die mit einer locker passenden Nadel mit Handgriff (unten rechts) während der Messung verschlossen wird.

Bild 2: Mikrofone und Kuppler aus Bild 1 in der üblichen Position (links); In einem umschließenden Gehäuse fertig montiert zur Messung der elektrischen Transferimpedanz (rechts).

Ansprechpartner:

Thomas Fedtke, FB 1.6, AG 1.61, E-Mail: Opens window for sending emailThomas.Fedtke(at)ptb.de