Im täglichen Leben und an Arbeitsplätzen geben viele Schallquellen neben hörbarem Schall auch Töne ab, die nach herkömmlicher Auffassung unhörbar sind, den sogenannten Infraschall. Auch Anlagen und Einrichtungen für erneuerbare Energiequellen, die für eine zukunftsfähige Energieversorgung unabdingbar sind, sind potentielle Quellen von Infraschall. Das betrifft auch Windkraftanlagen, deren Rotorblätter unter anderem Infraschall erzeugen können.
Um einschätzen zu können, welchen Einfluss Infraschall auf den menschlichen Organismus hat, ist es notwendig, die Mechanismen der Wahrnehmung genauer zu untersuchen. Deshalb wurden im EARS-Projekt physiologische und psychoakustische Messmethoden zur Untersuchung miteinander kombiniert. Alle Messungen wurden in Laborsituationen mit synthetischen Infraschallsignalen und gesunden Testpersonen durchgeführt. Es wurde kein Schallsignal verwendet, das von einer Windkraftanlage stammte oder solchen Schall simulierte. Die Schallsignale wurden direkt in den Gehörgang geleitet, es gab keine mechanische Kopplung oder Einleitung über andere Körperteile als das Ohr.
Um für die physiologischen Tests für alle Testpersonen gleichwertige Beschallungssituationen herzustellen, wurden bei allen Testpersonen die jeweilige individuelle Hörschwelle und das Lautheitsempfinden quantitativ bestimmt. Diese psychoakustischen Ergebnisse zeigen statistisch signifikant, dass sinusförmige Schallwellen bis zu 2,5 Hz herunter mit dem Ohr wahrgenommen werden, wenn ein ausreichend hoher Schalldruck eingestellt wird. Die Hörschwellen und Lautheitswerte sind in ihrer Gesamtheit konsistent mit Daten aus der Literatur und sind in einem Projektergebnisbericht dokumentiert.
Durch anschließende physiologische Messungen konnte für wiederholte Schallexposition im Bereich von Sekunden und bei Schallpegeln, die auch gehört wurden, eine Erregung des auditorischen Cortexes nachgewiesen werden, und zwar signifikant im fMRT hinab bis 8 Hz und signifikant im MEG hinab bis 20 Hz. Unterhalb der Hörschwelle gab es keine nachweisbare Erregung im auditorischen Cortex. Nach diesem Wissensstand muss davon ausgegangen werden, dass bei kurzzeitigen, auch wiederholten Schallreizen bei Unterschreiten der Hörschwelle auch die Erregung in der Hörbahn verschwindet. Die Erhebung der Daten der Gehirnaktivierung parallel zu und abgestimmt mit den Ergebnissen der Bestimmung der Hörschwellen und Lautstärkewerten sind in dieser Form neuartig.
In einem weiteren Experiment wurde eine Beschallung mit einer Dauer von 200 s im fMRT vorgenommen, wobei der Pegel im Bereich der Hörschwelle eingestellt wurde. Bei dieser Stimulation konnte im fMRT gezeigt werden, dass Bereiche im Gehirn aktiviert werden, die mit Emotionen und deren Verarbeitung zu tun haben. Das können verschiedene Arten von Emotion sein, positiv und auch negativ, es muss nicht Angst oder Unbehagen sein. Eine unmittelbare und ursächliche Verknüpfung, dass das Geräusch von Windkraftanlagen zwangsläufig zu Emotionen führt, kann aus unseren Ergebnissen nicht geschlossen werden.
Da die akustische Stimulation in unseren Experimenten nicht von den tatsächlich messbaren Schallfeldern von Windkraftanlagen abgeleitet wurde, können die Ergebnisse nicht auf eine konkrete Situation vor Ort übertragen werden. Dazu müssten die Experimente unter Nutzung realistischer und wesentlich komplexerer akustischer Schallfelder wiederholt werden. Die bisherigen Ergebnisse sind aber notwendige Voraussetzung für die Interpretation von geplanten psychoakustischen und physiologischen Messdaten unter realistischer akustischer Exposition.
Für die Klärung einer konkreten Beschwerdesituation (nicht nur an einer Windkraftanlage) sollte die betroffene Person einbezogen werden. Eine pauschale Aussage ist hier nicht sachgemäß. Alternativ wird daran gearbeitet, bei der Festlegung von Schalldruckpegel-Obergrenzen mit Hilfe statistischer Verfahren Zuschläge zu definieren, die besonders sensible Personen schützen. Dabei sind mit „besonders sensiblen Personen“ Menschen gemeint, die über eine noch zu quantifizierende niedrige Hörschwelle bei Infraschall verfügen. Mit einer bestimmten statistischen Sicherheit ist dann gewährleistet, dass solche Personen nicht gestört werden.
Eine für die weitere Forschung wichtige Fragestellung hat sich aus der Studie ergeben: Nicht nur objektive Hörschwellen sind relevant, sondern auch die Frage der Lästigkeit sollte genauer mit quantitativen Messmethoden in geeigneter Weise untersucht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich hierdurch neue Erkenntnisse für neue Überlegungen zur Festlegung von Obergrenzen ergeben.
Ansprechpartner: Christian Koch, Tilmann Sander-Thömmes