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Berücksichtigung dynamischer Effekte bei der Rückführung von Durchflussmessungen

24.09.2012

Als aktueller Stand der Technik bei der komponentenweisen Rückführung von Durchfluss-Normalmesseinrichtungen – basierend auf den SI-Einheiten Masse, Dichte, Temperatur und Zeit - wird eine rein statische Rückführung dieser in der Durchflussmessung involvierten Messgrößen praktiziert. Bereits eine modellbasierte theoretische Betrachtungsweise  lässt eindeutig erkennen, dass dynamische Einflüsse bzw. Störeffekte wirksam werden. Primäre Ursachen der wesentlichen und dominanten Fehlereinflüsse sind zeitliche Schwankungen des in der betreffenden Anlage generierten Referenzdurchflusses.

Aufgrund der Tatsache, dass für Vergleichs- und Rückführungsmessungen der Messgrößen in der Durchflussmessung von Flüssigkeiten keine Messgeräteprinzipien existieren, die über die notwendigen geringen Messunsicherheit für eine „direkte“ Rückführung verfügen, wird die Rückführung generell komponentenweise realisiert. D.h., statt den Durchfluss als elementare Messgröße zurückzuführen, wird dieser rein rechnerisch in seine elementaren Größen Masse, Dichte, Temperatur und Zeit zerlegt.

Bei dieser so genannten komponentenweisen Rückführung wird jedoch außer acht gelassen, dass die Durchflussmessung von Fluiden - obwohl eine statische Messgröße betrachtet wird - einen dynamischen Prozess repräsentiert, in dem die geforderte zeitliche Stabilität während einer Messung (im Rahmen einer Kalibrierung oder Rückführung) nur innerhalb von technisch realisierbaren Variationsgrenzen gewährleistet werden kann.

Wie im Bild 1 dargestellt, repräsentiert die zeitliche Variation des Durchflusswertes, bedingt durch eine nichtideale Durchflussregelung, die Haupteinflussgrößen für alle wesentlichen Elemente im Messunsicherheitsmodell einer gravimetrischen Durchfluss-Normalmesseinrichtung für Flüssigkeiten. Da sich mit den Durchflussschwankungen der Eintrag von Energie in das Messsystem ändert, geht eine Änderung der Medientemperatur mit dieser Energieänderung einher. Temperaturänderungen wiederum sind ursächlich verantwortlich für zeitliche und örtliche Änderungen der Medieneigenschaften Dichte und Viskosität, aber auch für Geräte- und Anlagenparameter wie die zeitliche Änderung des Zwischenrohrvolumens zwischen Messgerät und gravimetrischem Normal [1][3] (Bild 1: Einzelheiten 2 bis 5).

Bild 1: Gravimetrische Durchfluss-Normalmesseinrichtung für Flüssigkeiten – Die Messunsicherheit beeinflussende Anlagenkomponenten und der Einfluss von Durchflussschwankungen [1]
    (1)    Auswirkungen auf den Umschaltzeitfehler des Diverters
    (1a)    Systematischer Effekt: Diverterzeitfehler ΔTerror
    (2)    Material- und Fluideinflüsse innerhalb des Zwischenrohres
    (3)    Umrechnung der Masse mREF in das entsprechende VREF
    (4)    Effekte bedingt durch Nichtlinearitäten in der statischen Charakteristik des Testmeters
    (5)    Zeitkonstanten verursacht durch das jeweilige Sensorprinzip bzw. die nachgeschaltete Elektronik.

Eine weitere, für die Messunsicherheit einer solchen Normalmesseinrichtung relevante Funktionskomponente stellt der Durchflussdiverter dar [2]. Neben seines durch systematisch Einflüsse bedingten Zeitfehlers (Bild 1: Einzelheit 1a) unterliegt dieser Umschaltzeitfehler einer Beeinflussung durch die in der Anlage auftretenden Durchflussschwankungen (Einzelheit 5).

Wie das Bild 2 veranschaulicht, sind bei der komponentenweisen Rückführung in der Durchflussmessung – zusätzlich zu der allgemein üblichen Praxis „rein“ statischer Rückführpfade für die jeweilige Messgröße – die generell auftretenden dynamischen Effekte bei der Modellierung eines möglichst realitätsnahen Messunsicherheitsmodells zu berücksichtigen, welche durch die zusätzlichen Signaleingänge (1) bis (5) repräsentiert werden.

Bild 2: “Vollständige” Rückführungskette in der Durchflussmessung
    - unter Berücksichtigung prozessdynamischer Messeffekte auf die Messunsicherheit von Durchfluss-Normalmesseinrichtungen:
    (1)    Dynamische Einflüsse auf die Wägeeinrichtung, die von mechanischen Schwingungsanregungen her resultieren [4];
    (2)    Variationen der Flüssigkeitstemperatur, die aus zufälligen Durchflussschwankungen bzw. aus der unvollkommenen Arbeitsweise der jeweiligen Durchfluss- und Temperaturregeleinrichtungen resultieren;
    (3)    Änderung des Prozessdruckes aufgrund von Durchflussschwankungen;
    (4)    Fluktuationen der aktuellen Flüssigkeitsdichte (am Ort der Messung) aufgrund zeitlicher und örtlicher Temperaturänderungen im Wasserkreislauf der Messanlage;
    (5)    Auswirkung von Durchflussänderungen auf den Umschaltzeitfehler der Durchflussumschalteinrichtung (Diverter)

Diese zusätzlich wirksamen dynamischen Komponenten in der Rückführungskette von Durchfluss-Normalmesseinrichtungen sind durch entsprechende modellbasierte experimentelle Untersuchungen zu bestimmen (siehe u.a. [4]).

Literatur:

[1] R. Engel, H.-J. Baade: Impacts upon the measurement uncertainty of liquid-flow facilities originating from random-like variations of the flow parameters, Proceedings of the 8th ISFFM, Colorado Springs, CO, USA 2012

[2] R. Engel, H.-J. Baade: Model-based flow diverter analysis for an improved uncertainty determination in liquid flow calibration facilities, Measurement Science and Technology 21(2010) pp. 11

[3] R. Engel, H.-J. Baade: Water density determination in high accuracy flowmeter calibration- Measurement uncertainties and practical aspects, Flow Measurement and Instrumentation 25(2012) pp. 40-53

[4] R. Engel, K. Beyer, H.-J. Baade: Design and realization of the high-precision weighing systems as the gravimetric references in PTB’s national water flow standard, Measurement Science and Technology 23(2012) pp. 12

Ansprechpartner:

Rainer Engel, FB 1.5, AG 1.53, E-Mail: rainer.engel@ptb.de