Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Messung von Schallfeldern in kavitierenden Medien mit Hilfe eines optischen Faserspitzen-Hydrophons

01.11.2006

In der Ständigen Internationalen Kommission für die Prüfung von Handfeuerwaffen (CIP) soll die Umstellung auf das piezoelektrische Gasdruck-Messverfahren an kleinvolumiger Munition abgeschlossen werden. Da die Umstellung wegen bislang unbefriedigender Messergebnisse noch nicht möglich war, wurde in der PTB ein neues Verfahren mit deutlich besseren Ergebnissen entwickelt, das zur Zeit in den Mitgliedsstaaten der CIP geprüft wird.

Für kleinvolumige Hülsen, bei denen derzeit zur Messung der Gasdruckamplitude als Standardmessverfahren noch der Stauchweg eines Kupferzylinders ermittelt wird, sollen zukünftig entsprechend der Initiative der Ständigen Internationalen Kommission für die Prüfung von Handfeuerwaffen (CIP) Gasdruckmessverfahren mit piezoelektrischen Druckaufnehmern Anwendung finden, wie sie für größere Hülsendurchmesser bereits seit längerem standardisiert sind.

Zu diesem Zweck wurde in der PTB ein neues Verfahren entwickelt. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, den Gasschlupf, der durch die für den piezoelektrischen Druckaufnehmer erforderliche Anbohrung im Pulverraum entsteht, zu minimieren. Dieser Gasschlupf tritt insbesondere bei kleinen Hülsen (Kaliber .22 Long Rifle entspricht 5,6 mm) auf, da die Liderung des Hülsenmaterials (Anschmiegung an die Patronenlagerwandung) unzureichend ist bzw. zu spät erfolgt. Dieser anfängliche Gasverlust über den Spalt ist stark verringert, wenn die Hülsenwand unter der Druckentnahmebohrung des Patronenlagers für den Druckaufnehmer nicht durchgebohrt sondern nur durch Anfräsen geschwächt wird. Der beginnende Druckaufbau in der nicht angebohrten Hülse schließt den Spalt zwischen Patronenlager- und Hülsenwand, bevor Gas entweichen kann. Bei Erreichen des Berstdruckes (ca. 20 MPa bei entsprechender Restdicke) platzt die Schwächung auf, so dass sich der Gasdruck ungehindert über die Messbohrung an die Membran des Druckaufnehmers überträgt.

Gemäß dem Beschluss XX-9 der CIP ist die Gasdruckmessung mit piezo-elektrischen Druckaufnehmern grundsätzlich bei allen Kalibern im Pulverraum durchzuführen. Nur wenn hierbei nicht vertretbare Anomalien (z.B. zu hoher Gasdruck- und Geschossgeschwindigkeitsverlust beim Verschießen aus einem Messlauf) zu großen Messfehlern führen, kann auf Alternativverfahren zurückgegriffen werden. Gerade bei kleinvolumiger Hülsenmunition führen unterschiedliche Messabläufe bei den Gasdruckmessungen, abweichende Materialbeschaffenheit in der Munitionsfertigung und besonders der geometrische Einfluss der Messbohrung ohne Fettfüllung zu relativ großen Messunsicherheiten. Dies verhinderte bisher das Umsteigen vom veralteten Messverfahren mit der Kombination Kupfer-Stauchzylinder mit Stempel vor dem Hülsenmund bzw. Geschoss auf das moderne mit piezoelektrischem Drucksensor.

Erste Ansätze sahen vor, den Messort zur Gasdruckentnahme für den piezoelektrischen Druckaufnehmer wie beim Stauchzylinderverfahren zu wählen, d.h. vor dem Geschoss. Dabei stören Materialablagerungen (Bleispäne) beim Geschossdurchgang an der Messbohrung die Druckübertragung erheblich. Diese konnten auch durch das Anbohren der Messbohrung vor dem Hülsenmund in verschiedenen Winkelstellungen zur Laufachse sowie durch Abrunden der Messbohrungsränder nicht verhindert werden. Zudem führt der schlagartige Druckanstieg der heißen Pulvergase während des Durchgangs des Geschossbodens an der Messbohrung mit bereits hoher Anfangsgeschwindigkeit zur Anregung von mechanischen Resonanzschwingungen. Daraus resultierende elektrische Schwingungen führen zu Signalverläufen, die nur mit einer Frequenztiefpassfilterung beherrschbar sind. Da aber mit einem zeitlich unterschiedlichen Abbrandverhalten durch den Einsatz von verschiedenen Pulversorten zu rechnen ist, wird die Höhe und der Zeitpunkt des Druckmaximums nicht mehr vernachlässigbar durch diese Tiefpass-Filterung beeinflusst. Insbesondere ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen dem maximalen Beschussgasdruck und dem maximalen Gebrauchsgasdruck aus diesem Grund quantitativ nicht eindeutig zu bestimmen.

Daraufhin wurde in mehreren Mitgliedsländern der CIP versucht, die Gasdruckentnahme über eine Anbohrung der Hülse durchzuführen (wie bei anderen Kalibern üblich, s. o.). Bei diesem Verfahren würden diese praktischen und messtechnischen Unsicherheiten vermieden. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine hinreichende Vermeidung von Gasschlupf zum Stoßboden hin. Nur so kann zum einen die Gasdruckamplitude korrekt ermittelt werden und zum anderen eine unzulässige Verringerung der Geschossgeschwindigkeit vermieden werden. Es gelang allerdings in entsprechenden internationalen Messreihen - aufgrund der Probleme mit dem Gasschlupf - nicht, ein entsprechendes standardisiertes Verfahren zu entwickeln.

Erst mit dem oben skizzierten Verfahren mit einer gezielten Hülsenschwächung ergaben sich befriedigende Ergebnisse. Das zeigte die Auswertung der Vergleichsmessungen mit Gebrauchs- und Beschussmunition von Randfeuermunition im Kaliber .22 Long Rifle verschiedener Hersteller mit jeweils vier verschiedenen Messanordnungen. Die Vergleichsmessungen von unterschiedlichen Verfahren zur Erfassung des Maximalgasdruckes im Pulverraum der Hülse ergaben im Ergebnis, dass die ermittelten Werte gleich groß oder kleiner bezogen auf den Wert mit angefräster Hülse. Als Bezug dient jeweils das Ergebnis von 10 Messungen mit der Anordnung der mit Silikonfett gefüllten Messbohrung (Verwendungsvorschrift in den CIP-Beschlüssen) und angefräster Hülse. Das Verfahren mit der Anfräsung (siehe Bild 1) ist zur Erfassung des Maximalgasdruckes hervorragend geeignet. Außerdem wird der Druckverlauf - wie im folgenden Bild 2 gezeigt wird - nach dem Einschwingvorgang im Signalanstieg um das Maximum unverzerrt wiedergegeben.

Gasdruckentnahme an der Hülsenwand der Patronenmunition. Im obigen Teilbild ist die Hülse angebohrt und mit einer Teflonfolie abgeschlossen. Im unteren Teilbild zeigt die Abbildung im Unterschied dazu die Anfräsung der Hülsenwand im Durchmesser von 2 mm mit einem Messingabtrag von 150 µm (Restdicke 50 µm).

Bild 1: Gasdruckentnahme an der Hülsenwand der Patronenmunition. Im obigen Teilbild ist die Hülse angebohrt und mit einer Teflonfolie abgeschlossen. Im unteren Teilbild zeigt die Abbildung im Unterschied dazu die Anfräsung der Hülsenwand im Durchmesser von 2 mm mit einem Messingabtrag von 150 µm (Restdicke 50 µm).

Der zeitliche Druck- und Spannungsverlauf für eine angefräste Hülse ohne darüber liegender Silikon-Fettfüllung in der Gasdruckentnahmebohrung. Die gelbe Spannungskurve zeigt die linear verstärkte Ladungskurve ohne Filterung und die grüne Kurve den aufbereiteten Druckverlauf gemäß den CIP-Anforderungen (Bessel-TP 20 kHz, n = 2 mit quadratischer Ausgleichsberechnung).

Bild 2: Der zeitliche Druck- und Spannungsverlauf für eine angefräste Hülse ohne darüber liegender Silikon-Fettfüllung in der Gasdruckentnahmebohrung. Die gelbe Spannungskurve zeigt die linear verstärkte Ladungskurve ohne Filterung und die grüne Kurve den aufbereiteten Druckverlauf gemäß den CIP-Anforderungen (Bessel-TP 20 kHz, n = 2 mit quadratischer Ausgleichsberechnung).

Beispielhaft dargestellt wird ein typischer Kurvenverlauf für die Gasdruckmessungen mit angefräster Hülsenwand. In der grafischen Darstellung ist die gelbe ungefilterte Spannungskurve als linear verstärkte Ladungskurve bei einer Anordnung mit einer freien Messbohrung aufgezeichnet. Sehr deutlich ist zu erkennen, dass im unteren Anstiegsbereich (ca. bis 20 MPa) der Ladungskurve nach der Zündung des Pulvers die expandierenden heißen Gase für den Geschossantrieb die gefräste Hülsenwandmembran plötzlich aufplatzen lässt und dadurch die angeschlossene Druck-Messkette zu mechanischen und elektrischen Eigenschwingungen anregt. Dieser Vorgang ist zeitlich und in der Höhe weit genug von dem Druckmaximum entfernt, so dass eine Datenermittlung gemäß CIP-Beschluss mit einer 20 kHz-Tiefpass-Filterung mit Besselcharakteristik zweiter Ordnung problemlos möglich ist. Dieser Verlauf wird mit der entsprechenden Phasenverschiebung und einer quadratischen Ausgleichsfunktion berechnet von der grünen Kurve dargestellt. Wird zusätzlich die von der CIP vorgesehene Silikon-Fettfüllung realisiert, verbessert sich die Situation noch erheblich.

Dieser neue Vorschlag wird zur Zeit in internationalen Vergleichsmessungen einiger CIP-Mitgliedsstaaten auf seine praktische Umsetzung überprüft und bei positivem Ergebnis als neues Gasdruckmessverfahren mit piezo-elektrischem Wandler auch für kleinvolumigen Hülsen eingeführt. Damit wäre das moderne Verfahren mit elektrisch-mechanischem Wandler zur Messung des Gasdruckes für alle Kaliber in den CIP-Mitgliedsländern eingeführt und abgeschlossen.

Ansprechpartner:

Ernst Franke, FB 1.3, AG 1.33, e-mail: Ernst.Franke@ptb.de