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Revision der weltweit verwendeten Waagennorm R76 weit vorangeschritten

15.09.2005

Die "Organisation Internationale de Métrologie Légale" (OIML) wurde 1955 gegründet, um die globale Harmonisierung auf dem Gebiet des gesetzlichen Messwesens zu fördern. Sie ist ein internationaler Zusammenschluss aus 60 aktiven Mitgliedstaaten und 50 beobachtenden Mitgliedern.
Insgesamt existieren 41 OIML-Empfehlungen. Erfüllt ein Messgerät die Anforderungen einer solchen Empfehlung, wird ein OIML-Zertifikat ausgestellt. Auf Basis dieses OIML-Zertifikats kann in einem Staat eine Zulassung für dieses Messgerät ausgestellt werden, ohne dass Messungen nochmals durchgeführt werden müssen.
Die OIML-Empfehlung R76 für nichtselbsttätige Waagen hat seit ihrer Verabschiedung im Jahr 1992 weltweit immer größere Anwendung gefunden. Sie ist nicht nur in Europa, sondern inzwischen z.B. auch in China, Japan und Australien zu 100% in nationale Gesetze umgesetzt worden.
Seit 1992 sind bereits 615 OIML-Zertifikate auf Basis der Empfehlung R76 ausgestellt worden. Dies ist ein Anteil von 46% bezogen auf die Gesamtzahl aller bisher ausgestellten OIML-Zertifikate (1333). Innerhalb der vergangenen 13 Jahre haben sich die Waagen metrologisch sehr stark weiterentwickelt und damit stieg auch das Erfordernis einer Empfehlung, die dem Stand der Technik gerecht wird. Außerdem ist eine Anpassung der Prüfverfahren und Prüfbedingungen an andere internationale Empfehlungen nötig geworden (z.B. an Richtlinien der "International Electrotechnical Commission" (IEC) zur Prüfung von Geräten auf elektromagnetische Verträglichkeit).
Aus diesen Gründen beschäftigt sich der OIML-Arbeitsausschuss TC9/SC1 für nichtselbsttätige Waagen, der aus 26 aktiven Mitgliedstaaten und 8 beobachtenden Mitgliedern besteht, seit 2002 mit der Revision der OIML-Empfehlung R76. Das Sekretariat, welches die fachliche Koordination und die Erstellung der Revision zur Aufgabe hat, wird gebildet durch Frankreich (vertreten durch das "Bureau de la Métrologie, Sous-Direction de la Sécurité industrielle et de la Métrologie") und Deutschland (vertreten durch die PTB).

Was anfangs als eine leichte Anpassung der Empfehlung gedacht war, entwickelte sich nach einer Abstimmung der Änderungswünsche der einzelnen Mitglieder zu einer grundlegenden Überarbeitung unter Einbeziehung einer Reihe wichtiger Neuerungen.
Bereits deutlich an Umfang zugenommen hatte die Empfehlung daher mit dem ersten Entwurf, der Ende des Jahres 2003 entstand. Unter bestmöglicher Berücksichtigung der Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge, die zu diesem ersten und dem 2004 verteilten zweiten Entwurf eingegangen sind, entstand nun der dritte und voraussichtlich letzte Entwurf, der möglicherweise noch im Jahr 2006 verabschiedet werden kann.

Die revidierte R76 bietet dem Waagenhersteller deutlich mehr messtechnische Flexibilität. So ist es nach der zukünftigen Empfehlung möglich, für einzelne, genau definierte Module der Waage ein Zertifikat nach OIML R76 zu erhalten (z.B. für ein Auswertegerät mit A/D-Wandlung oder für ein Terminal). Mit diesem Ansatz können geeignete Module beliebig zu einer Waage kombiniert werden. Eine weitere Vereinfachung stellen die in der R76 neu aufgenommenen Waagenfamilien dar. Eine Waagenfamilie beinhaltet Waagen mit gleichen Konstruktionsmerkmalen und dem gleichen Messprinzip. Die Betrachtung einer Waagenfamilie bietet den Vorteil, dass für einen Waagentyp die metrologisch wichtigen Parameter nur als Bereiche vorgegeben sind. Jede Waage, die sich innerhalb dieser Eingrenzung der metrologischen Kenndaten bewegt, ist automatisch durch das Zertifikat abgedeckt. Das bedeutet für den Hersteller einer Waage, dass für später entwickelte Modellvarianten kein neues Zertifizierungsverfahren nötig ist, sofern der Bereich der festgelegten metrologischen Kenndaten von dem neuen Gerät eingehalten wird. Dies verringert den Prüfaufwand, da nur die Waagen geprüft werden müssen, deren metrologische Kenndaten sich am Rand dieses festgelegten Bereichs befinden.
Ein wichtiger neuer Abschnitt der R76 ist außerdem das Thema Software. Während in der bisherigen Empfehlung die Software einer Waage unbeachtet blieb, wird die überarbeitete R76 klar formulierte Anforderungen an Waagensoftware enthalten und Beispiele der technischen Umsetzung bieten, wobei zwischen Waagen mit eingebetteter Software und offenen PC-Wägesystemen unterschieden wird.
Weitere Neuerungen sind außerdem z.B. die Behandlung von mobilen Waagen (auf einem Fahrzeug montierte Waagen oder in ein Fahrzeug integrierte Waagen) sowie Anforderungen an Waagen, die von Fahrzeug-Bordnetzen gespeist werden.

Nachdem der dritte Entwurf gerade fertig gestellt und im Oktober dieses Jahres an die Mitglieder des OIML-Arbeitsausschusses für nichtselbsttätige Waagen verteilt wird, wird nach einer Frist von 3 Monaten eine erneute Abstimmung über diesen Entwurf stattfinden. Da bereits mit dem zweiten Entwurf die schwierigsten metrologischen Einwände bewertet und soweit wie möglich berücksichtigt wurden und im OIML-Arbeitsausschuss Einigkeit darüber besteht, die Revision nicht unnötig zu verzögern, werden für den aktuellen Entwurf keine inhaltlichen Änderungswünsche mehr erwartet, sodass mit einem baldigen Abschluss der Arbeiten an der Revision der OIML R76, eventuell noch im Jahr 2006, gerechnet werden kann.

Ansprechpartner:

Michael Denzel, FB 1.1, AG 1.12, E-mail: michael.denzel@ptb.de