Auf dem Weg zur optischen Kernuhr
Kopplung zwischen Kern und Elektron erlaubt spektroskopische Untersuchung von Thorium-229
Schon vor etwa 15 Jahren wurde an der PTB das Konzept einer neuen Atomuhr mit einzigartigen Eigenschaften entwickelt: Taktgeber der Uhr soll nicht eine Übergangsfrequenz zwischen zwei Zuständen in der Elektronenhülle sein, wie es bei allen heutigen Atomuhren der Fall ist, sondern eine Überg ngsfrequenz im Atomkern. Die Protonen und Neutronen im Kern sind um viele Größenordnungen dichter gepackt und fester gebunden als die Elektronen in der Hülle und reagieren damit weniger empfindlich auf äußere Störungen, die die Übergangsfrequenzen ändern könnten; gute Bedingungen also für eine Uhr von hoher Genauigkeit.
Normalerweise liegen die Frequenzen von Kernübergängen dafür aber auch viel höher – im Bereich von Röntgenstrahlung –, und sie sind daher für Atomuhren nicht nutzbar. Die einzige bekannte Ausnahme – und Grundlage des PTB-Vorschlags – ist der Kern von Thorium-229, der einen Übergang im Frequenzbereich von ultraviolettem Licht besitzt. Er ist noch erreichbar mit Lasertechnik, wie sie ähnlich auch in heutigen optischen Atomuhren verwendet wird. Mehr als zehn Forschergruppen weltweit arbeiten derzeit an Projekten zur Realisierbarkeit einer Thorium-229-Kernuhr. Dabei erwies sich die Fragestellung experimentell als äußerst schwierig. So ist es bis heute nicht gelungen, den Kernübergang mit optischen Methoden zu beobachten. Wie für die Uhr erwünscht, ist diese Resonanz sehr schmalbandig, aber aus Mangel an experimentellen Daten in ihrer Frequenz nur grob bekannt. Sie gleicht damit der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.
In einer Kooperation der PTB mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dem Helmholtz-Institut Mainz und der GSI Darmstadt ist jetzt ein wichtiger Durchbruch erzielt worden: Erstmals konnten grundlegende Eigenschaften wie Größe und Form der Ladungsverteilung im angeregten Zustand des Th-229-Kerns gemessen werden. Dafür wurden die Th-229-Kerne nicht, wie zukünftig in der Uhr, vom Grundzustand aus angeregt, sondern in einer von der LMU entwickelten Apparatur im angeregten Zustand aus dem Alpha-Zerfall von Uran-233 gewonnen, abgebremst und in einer Ionenfalle als Th2+-Ionen gespeichert. Mit Lasersystemen, die für die Spektroskopie dieser Ionen an der PTB entwickelt wurden, konnten Übergangsfrequenzen in der Elektronenhülle präzise gemessen werden, um daraus die Informationen über Eigenschaften des Kerns zu erhalten.
Theoretische Modelle allein waren bisher nicht in der Lage vorherzusagen, wie sich die Struktur des Th-229-Kerns bei diesem ungewöhnlich niederenergetischen Übergang verhält. Sie können jetzt anhand der experimentellen Daten verfeinert werden. Außerdem kann nun die spektroskopisch leichter messbare Struktur der Elektronenhülle genutzt werden, um eine Laseranregung des Kerns nachzuweisen. Die Suche nach der optischen Resonanzfrequenz des Th-229-Kerns als der Nadel im Heuhaufen ist damit noch nicht abgeschlossen – aber man weiß nun viel genauer, wie die versteckte Nadel eigentlich aussieht.
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Ekkehard Peik
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Wissenschaftliche Veröffentlichung
J. Thielking, M. V. Okhapkin, P. Glowacki, D. M. Meier, L. v. d. Wense, B. Seiferle, C. E. Düllmann, P. G. Thirolf, E. Peik: Laser spectroscopic characterization of the nuclear clock isomer 229mTh. Nature 556, 321–325 (2018)