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Weltrekorde bei zwei optischen Atomuhren

Die Ytterbium-Einzelionenuhr der PTB ist weltweit die genaueste Uhr ihrer Art, die Strontiumuhr die stabilste optische Uhr überhaupt

PTB-News 2.2016
05.04.2016
Besonders interessant für
  • Entwickler optischer Atomuhren
  • Geodäsie
  • Grundlagenforschung

Mit zwei verschiedenen optischen Atomuhren, die zurzeit bei Genauigkeit bzw. Stabilität weltweit an der Spitze liegen, ist die PTB gut gerüstet für zukünftige Aufgaben, etwa in der Grundlagenphysik, wo solche Uhren für die Suche nach möglichen Änderungen von Fundamentalkonstanten gebraucht werden.

Messung des Einflusses der thermischen Umgebungsstrahlung auf die Frequenz des gespeicherten Ions in der Ytterbiumuhr: Der „Uhrenlaser“ (blauer Strahl) regt das gespeicherte Ion (gelb) mit einer speziellen Pulssequenz an. Die Resonanzfrequenz des Ions wird durch Infrarotstrahlung verschoben (hier durch einen Infrarotlaser, roter Strahl). Dies lässt sich mithilfe des Uhrenlasers messen.

Rauschbeiträge der Strontiumgitteruhr als Funktion der Atomanzahl. Das vorhergesagte Gesamtrauschen bei unterdrückten Frequenzrauschen des Abfragelasers (grüne Linie) wird durch experimentelle Daten (grüne Kreise) bestätigt. Das Quantenprojektionsrauschen (blaue Linie) dominiert bereits ab geringen Atomzahlen.

Optische Atomuhren gelten als die Uhren der Zukunft. Bei ihnen werden die als „Pendel“ wirkenden Atome resonant mit optischer Strahlung angeregt. Im Vergleich zu Cäsiumatomuhren (1010 Hz), auf denen die SI-Basiseinheit Sekunde zurzeit beruht, ist ihre Anregungsfrequenz (1014 bis 1015 Hz) deutlich höher. Somit weist ihr Taktgeber eine viel höhere Güte auf, wodurch man erheblich größere Genauigkeit (d. h. kleinere Abweichung von der wahren Frequenz) und höhere Stabilität erreicht (also die notwendige Mittelungszeit für eine Messung verkürzt). Auf beiden Gebieten haben optische Atomuhren der PTB derzeit die Nase vorn.

Die Ytterbiumuhr der PTB ist rund hundertmal genauer als die besten Cäsiumuhren und derzeit die genaueste Einzelionenuhr der Welt. Bei ihrer Entwicklung haben sich die PTB-Forscher einige besondere atomphysikalische Eigenschaften von Yb+ zunutze gemacht: Dieses Ion hat zwei Referenzübergänge, mit denen sich eine optische Uhr realisieren lässt. Die eigentliche Grundlage für die Uhr ist die Anregung in den sogenannten F7/2-Zustand, der durch seine extrem lange natürliche Lebensdauer (ca. 6 Jahre) eine äußerst schmale Resonanz liefert. Aufgrund der besonderen elektronischen Struktur des F-Zustands sind die Verschiebungen der Resonanzfrequenz durch elektrische und magnetische Felder außergewöhnlich klein. Der andere Referenzübergang (zum D3/2-Zustand) zeigt größere Frequenzverschiebungen und dient deshalb als empfindlicher „Sensor“ zur Optimierung und Kontrolle der Betriebsbedingungen.

Entscheidend für den letzten Genauigkeitssprung war die Kombination von zwei Maßnahmen: Zum einen wurde für die Anregung des Referenzübergangs ein spezielles Verfahren entwickelt, in dem die vom Anregungslaser verursachte „Lichtverschiebung“ der atomaren Resonanzfrequenz separat gemessen wird. Diese Information wird dann verwendet, um die Anregung des Referenzübergangs gegen die Lichtverschiebung und ihre mögliche Variation zu immunisieren. Zum anderen wurde die von der thermischen Infrarotstrahlung der Umgebung induzierte Frequenzverschiebung (die für den F-Zustand von Yb+ ohnehin relativ klein ist) mit einer Unsicherheit von nur 3 % bestimmt.

Eine weitere besondere Eigenschaft des F-Zustands von Yb+ ist die empfindliche Abhängigkeit der Zustandsenergie vom Wert der Feinstrukturkonstante (der elementaren Naturkonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung) und von Verletzungen der Lorentz-Invarianz für Photonen oder Elektronen, wie sie in einigen gegenwärtig diskutierten Theorien zur Vereinheitlichung der fundamentalen Wechselwirkungen erwartet werden. Vergleiche zwischen Yb+-Uhren und mit anderen hochgenauen optischen Uhren wie z. B. der Strontiumuhr sind derzeit wahrscheinlich der erfolgversprechendste Weg, Theorien aus diesem Bereich der „New Physics“ im Labor zu überprüfen.

Im Gegensatz zu Ionenuhren verwendet eine Strontiumatomuhr ein Gas neutraler Atome, das durch Laserkühlung auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgebremst wird. Anschließend wird ein extrem schmaler Übergang zwischen langlebigen Eigenzuständen der Atome angeregt, um die Frequenz des Anregungslasers auf jene der Atome zu stabilisieren. Die gleichzeitige Abfrage vieler Atome führt zu einem besonders hohen Signal-zu-Rausch-Verhältnis und somit einer höheren Stabilität. Da nach jedem Vergleich von Laser- und atomarer Frequenz erneut eine Atomwolke präpariert werden muss, kommt es jedoch zu Unterbrechungen bei der Beobachtung der Laserfrequenz. Der Laser selbst dient daher als „Schwungrad“ und wird meist auf eine Eigenfrequenz eines optischen Resonators vorstabilisiert, der die Laserfrequenz über kurze Zeiträume stabil hält.

Für die Strontiumuhr der PTB wurde einer der frequenzstabilsten Resonatoren der Welt konstruiert. Aufgrund der großen Länge von 48 cm und dank ausgeklügelter thermischer und mechanischer Isolation gegenüber seiner Umgebung erreicht er eine relative Frequenzinstabilität von nur 8 · 10–17. Bei einer Analyse der einzelnen Beiträge zum Rauschen der detektierten Anregungswahrscheinlichkeit zeigte es sich, dass die Uhr bereits ab 130 Atomen das physikalisch bedingte fundamentale Quantenprojektionsrauschlimit erreicht.

Ein auf den gewonnen Daten beruhendes Modell für das Rauschen wurde um den bekannten Einfluss des Laserfrequenzrauschens ergänzt und seine Vorhersage durch einen Selbstvergleich der Uhr experimentell überprüft. So ließ sich für den normalen Betrieb eine relative Instabilität von 1,6 · 10–16/ τ1/2 als Funktion der Mittelungsdauer τ in Sekunden ableiten. Dies ist der beste bislang für eine Atomuhr publizierte Wert. Es ist zu erwarten, dass die zukünftige Reduzierung der relativen Gesamtmessunsicherheit der Strontiumuhr auf wenige 10–18 dadurch erheblich vereinfacht wird.

Neben den Tests der „großen Fragen“ in der Grundlagenphysik ergeben sich mögliche Anwendungen höchstpräziser Uhren in der Geodäsie, wo sie eine direkte und genauere Messung des Gravitationspotenzials der Erde ermöglichen.

Ansprechpartner Strontiumuhr

Sören Dörscher
Fachbereich 4.3 Quantenoptik und Längeneinheit
(0531) 592-4322
soeren.doerscher(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

A. Al-Masoudi, S. Dörscher, S. Häfner, U. Sterr, C. Lisdat: Noise and instability of an optical lattice clock. Phys. Rev. A 92, 063814 (2015)

Ansprechpartner Ytterbiumuhr

Christian Tamm
Fachbereich 4.4 Optische Frequenznormale
(0531) 592-4415
christian.tamm(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

N. Huntemann, C. Sanner, B. Lipphardt, C. Tamm, E. Peik: Single ion atomic clock with 3 · 10–18 uncertainty. Phys. Rev. Lett. 116, 063001 (2016)