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Markierungsfreie Zelldifferenzierung

Neuartige Konzentrationsmessungen für das erweiterte Kleine Blutbild

PTB-News 2.2017
02.05.2017
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Laboratoriumsmedizin

Bei Blutproben mit krankhaft veränderten Blutzellen können die in der Routinediagnostik verwendeten Hämolyse- und Färbemethoden dazu führen, dass bestimmte Zellpopulationen fehlerhaft identifiziert werden oder ihre Konzentration ungenau bestimmt wird. Ein in der PTB entwickeltes AC-Impedanzverfahren erlaubt dagegen, Vollblutproben ohne verfälschende Einflüsse durch eine Probenvorbehandlung zu analysieren.

mikrofluidischer Chip mit vier integrierten Elektroden zur durchflusszytometrischen Analyse von Blutzellen.

markierungsfreie Zelldifferenzierung in einer (verdünnten) Vollblutprobe mittels AC-Impedanzmessungen bei zwei Frequenzen (Z1 bei 2,3 MHz und Z2 bei 10 MHz). Die Punktwolken entsprechen den roten Blutzellen (RBC), den Blutplättchen (Plt) und den Untergruppen der weißen Blutzellen, den Granulozyten, Monozyten (M) und Lymphozyten (Ly).

Im Blutbild werden Daten über die Menge und die Form von Zellbestandteilen zusammengefasst. Daraus kann der Arzt Schlussfolgerungen über den Gesundheitszustand eines Patienten ziehen. Die zugehörigen Messungen umfassen auch durchflusszytometrische Verfahren, bei denen optische oder Impedanz-Zellzählgeräte eingesetzt werden. In beiden Fällen werden zunächst die roten Blutzellen durch Hämolyse zerstört. Das erleichtert die Konzentrationsmessung weißer Blutkörperchen, deren Konzentration bei Gesunden etwa tausendmal geringer ist als die der roten Blutzellen. Bei bestimmten Erkrankungen, beispielsweise Leukämie, reagieren aber die weißen Blutzellen auf diese Hämolyseverfahren überempfindlich oder können ebenfalls zerstört werden. Bei anderen Blutproben, z. B. von Säuglingen oder Anämiepatienten, finden sich unter Umständen hämolyseresistente rote Blutzellen, die eine fehlerfreie Unterscheidung und Konzentrationsmessung der Leukozyten verhindern. Für eine sichere Differenzierung sind bei solchen Proben aufwendige mikroskopische Untersuchungen oder die Färbung von DNA oder Zellmembran erforderlich.

M it dem in der PTB entwickelten Verfahren lassen sich Blutproben nach geeigneter Verdünnung durchflusszytometrisch analysieren, ohne sie durch eine Hämolyse oder Verwendung von Färbereagenzien zu beeinflussen. Die Methode beruht darauf, dass die Änderung des komplexen Widerstandes (der Impedanz) beim Durchtritt einer Blutzelle durch die Elektrodenanordnung einer mikrofluidischen Baugruppe gemessen wird. Zur eindeutigen Zellidentifikation werden zwei Wechselspannungen mit verschiedenen Frequenzen angelegt und die jeweiligen komplexen AC-Impedanzsignale, also die jeweilige Resistanz (Wirkwiderstand) und die Reaktanz (Blindwiderstand) sowie der Betrag der Impedanz bestimmt. Durch geeignete Wahl der Frequenzen und der Messgrößen können die dem erweiterten Kleinen Blutbild zugeordneten Zellen, also die roten Blutzellen, die Blutplättchen, die Granulozyten, die Monozyten und die Lymphozyten, im Mikro-Durchflusszytometer unterschieden werden.

Mit der neuen Methode können die Untersuchung von Blutproben bei bestimmten Patientengruppen vereinfacht und gleichzeitig systematische Messfehler vermieden werden. Die erforderliche Anzahl mikroskopischer Nachdifferenzierungen und/oder zellspezifischer Färbungen lässt sich damit reduzieren. Das auf einer mikrofluidischen Baugruppe basierende Verfahren bietet außerdem das Potenzial zur Entwicklung einer durchflusszytometrischen Einweg-Messzelle für Vor-Ort-Anwendungen.

Patentanmeldung

Verfahren und Messeinrichtung zur Bestimmung von Blutkörperchen, eingereicht am 5.11.2015

Ansprechpartner

Jörg Neukammer
Fachbereich 8.3
Biomedizinische Optik
Telefon: (030) 3481-7241
Opens window for sending emailjoerg.neukammer(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

P. Simon. M. Frankowski, N. Bock, J. Neukammer: Label-free whole blood cell differentiation based on multiple frequency AC impedance and light scattering analysis in a micro flow cytometer. Lab Chip 16, 2326−2388 (2016)