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Graphen für Quantenkapazitätsnormale

Erstmals durchgeführte Wechselstrom-Präzisionsmessungen belegen das Potenzial des Materials als Normal für die Kapazitätseinheit

PTB-News 2.2015
10.06.2015
Besonders interessant für

Metrologieinstitute

Kalibrierlaboratorien

Die besonderen Eigenschaften des zweidimensionalen Leitermaterials Graphen lassen sich auch beim Quanten-Hall-Effekt nutzen, der weltweit die Basis für äußerst präzise Kalibrierungen des elektrischen Gleichstrom-Widerstandes ist. Graphen ist den bisherigen Materialien in vielerlei Hinsicht überlegen. Jetzt wurde in der PTB gezeigt, dass es auch bei elektrischen Wechselstromanwendungen überragende Eigenschaften hat. Damit erscheint die Entwicklung eines Quantennormals für Wechselstrom-Widerstände (Impedanzen) und damit auch für die Kapazität realistisch.


Durch die hohe Transparenz des Graphens ist die mit einer blauen Linie markierte und durch acht Zuleitungen aus Gold kontaktierte Quanten-Hall-Struktur unter dem Lichtmikroskop praktisch nicht vom ebenfalls transparenten SiC-Substrat zu unterscheiden. Im Gegensatz zum vorherigen Artikel ist hier nur das Substrat sichtbar, aber der Film unsichtbar.

Bei Anwendungen mit Gleichstrom weiß man bereits, dass sich die quantisierten Widerstandswerte von Quanten-Hall-Strukturen aus Graphen auch bei höchster Messgenauigkeit nicht von denen herkömmlicher Halbleiter-Materialien – beispielsweise GaAs-Heterostrukturen – unterscheiden. Graphen bietet allerdings noch Vorteile: Zur Realisierung des Quanten-Hall-Effekts (QHE) benötigt man nicht so große Magnetfelder und weniger tiefe Temperaturen. Es wird erwartet, dass dies in den nächsten Jahren deutlich praktikablere Kalibrier-Apparaturen ermöglicht.

In der PTB wurden erstmals präzise Wechselstrom-Messungen des Quanten-Hall-Widerstandes von Graphen durchgeführt. Dabei wurde hochwertiges, auf SiC-Substrat epitaktisch gewachsenes, in der PTB hergestelltes Graphenmaterial verwendet. Im Unterschied zum Gleichstrom-QHE spielen bei Wechselstrom-Messungen parasitäre Effekte eine Rolle, die durch Streukapazitäten zwischen dem Elektronensystem des Graphens und der Umgebung hervorgerufen werden. Daraus resultierende Dissipationsvorgänge bewirken Deformierungen der idealerweise flachen QHE-Widerstandsplateaus und damit Abweichungen von den quantisierten Widerstandswerten. Diese Effekte müssen hinreichend reduziert oder eliminiert werden, bevor Anwendungen als Quanten-Normal für Wechselstromwiderstände möglich sind. Bei den üblichen GaAs-basierten Quanten-Hall-Strukturen ist dies bislang nur an der PTB so gelungen, dass der Wechselstrom-QHE erfolgreich für die Ableitung der Kapazitätseinheit Farad verwendet werden kann. Die dabei erreichte relative Unsicherheit ist mit 1 ⋅ 10–8 deutlich geringer als die aller herkömmlichen Kalibriermethoden für elektrische Kapazitäten.

In der PTB durchgeführte Wechselstrommessungen an Graphen bei Frequenzen im kHz-Bereich haben nun gezeigt, dass Graphen im Vergleich zu GaAs-Strukturen besonders günstige Eigenschaften aufweist. Geometriebedingt sind parasitäre Dissipationseffekte bereits ohne spezielle Kompensationsmaßnahmen so klein, dass die QHE-Plateaus praktisch flach bleiben. Verbleibende Streukapazitäten zwischen den Kontakten der Struktur bewirken bei einer Frequenz von 1 kHz eine nur sehr geringe relative Abweichung vom quantisierten Widerstandswert von etwa 1 ⋅ 10–7. Zurzeit wird daran gearbeitet, diesen Einfluss durch Optimierung der Strukturgeometrie von Graphen-QHE-Proben zu verringern. Die bislang erzielten Ergebnisse lassen erhoffen, dass graphenbasierte Impedanznormale zukünftig breite Anwendung in nationalen Metrologieinstituten und industriellen Kalibrierlaboratorien finden.

Ansprechpartner

Jürgen Schurr
Fachbereich 2.6 Elektrische Quantenmetrologie
Telefon: (0531) 592-2114
E-Mail: juergen.schurr(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

C.-C. Kalmbach, J. Schurr, F. J. Ahlers,  A. Müller, S. Novikov, N. Lebedeva, A. Satrapinski: Towards a graphene-based quantum impedance standard. Applied Physics Letters 105, 073511 (2014)