Graphen für Quantenkapazitätsnormale
Erstmals durchgeführte Wechselstrom-Präzisionsmessungen belegen das Potenzial des Materials als Normal für die Kapazitätseinheit
Bei Anwendungen mit Gleichstrom weiß man bereits, dass sich die quantisierten Widerstandswerte von Quanten-Hall-Strukturen aus Graphen auch bei höchster Messgenauigkeit nicht von denen herkömmlicher Halbleiter-Materialien – beispielsweise GaAs-Heterostrukturen – unterscheiden. Graphen bietet allerdings noch Vorteile: Zur Realisierung des Quanten-Hall-Effekts (QHE) benötigt man nicht so große Magnetfelder und weniger tiefe Temperaturen. Es wird erwartet, dass dies in den nächsten Jahren deutlich praktikablere Kalibrier-Apparaturen ermöglicht.
In der PTB wurden erstmals präzise Wechselstrom-Messungen des Quanten-Hall-Widerstandes von Graphen durchgeführt. Dabei wurde hochwertiges, auf SiC-Substrat epitaktisch gewachsenes, in der PTB hergestelltes Graphenmaterial verwendet. Im Unterschied zum Gleichstrom-QHE spielen bei Wechselstrom-Messungen parasitäre Effekte eine Rolle, die durch Streukapazitäten zwischen dem Elektronensystem des Graphens und der Umgebung hervorgerufen werden. Daraus resultierende Dissipationsvorgänge bewirken Deformierungen der idealerweise flachen QHE-Widerstandsplateaus und damit Abweichungen von den quantisierten Widerstandswerten. Diese Effekte müssen hinreichend reduziert oder eliminiert werden, bevor Anwendungen als Quanten-Normal für Wechselstromwiderstände möglich sind. Bei den üblichen GaAs-basierten Quanten-Hall-Strukturen ist dies bislang nur an der PTB so gelungen, dass der Wechselstrom-QHE erfolgreich für die Ableitung der Kapazitätseinheit Farad verwendet werden kann. Die dabei erreichte relative Unsicherheit ist mit 1 ⋅ 10–8 deutlich geringer als die aller herkömmlichen Kalibriermethoden für elektrische Kapazitäten.
In der PTB durchgeführte Wechselstrommessungen an Graphen bei Frequenzen im kHz-Bereich haben nun gezeigt, dass Graphen im Vergleich zu GaAs-Strukturen besonders günstige Eigenschaften aufweist. Geometriebedingt sind parasitäre Dissipationseffekte bereits ohne spezielle Kompensationsmaßnahmen so klein, dass die QHE-Plateaus praktisch flach bleiben. Verbleibende Streukapazitäten zwischen den Kontakten der Struktur bewirken bei einer Frequenz von 1 kHz eine nur sehr geringe relative Abweichung vom quantisierten Widerstandswert von etwa 1 ⋅ 10–7. Zurzeit wird daran gearbeitet, diesen Einfluss durch Optimierung der Strukturgeometrie von Graphen-QHE-Proben zu verringern. Die bislang erzielten Ergebnisse lassen erhoffen, dass graphenbasierte Impedanznormale zukünftig breite Anwendung in nationalen Metrologieinstituten und industriellen Kalibrierlaboratorien finden.
Ansprechpartner
Jürgen Schurr
Fachbereich 2.6 Elektrische Quantenmetrologie
Telefon: (0531) 592-2114
E-Mail: juergen.schurr(at)ptb.de
Wissenschaftliche Veröffentlichung
C.-C. Kalmbach, J. Schurr, F. J. Ahlers, A. Müller, S. Novikov, N. Lebedeva, A. Satrapinski: Towards a graphene-based quantum impedance standard. Applied Physics Letters 105, 073511 (2014)