In einer internationalen Kooperation mit dem amerikanischen Los Alamos National Lab, der Universität Ulm und der Hebrew University in Jerusalem gelang es Forschern der PTB erstmals, topologische Defekte in einem atom-optischen Experiment im Labor zu demonstrieren. Eine präzise laserstrukturierte Ionenfalle erlaubt dabei das Speichern von langen Ketten positiv geladener Ionen und einen optimalen optischen Zugang, um einzelne Ionen zu beobachten. Die Ionen werden im Ultrahochvakuum in diese Falle geladen und auf Temperaturen von wenigen mK gekühlt. Dabei stoßen sich die geladenen Teilchen aufgrund der Coulomb-Wechselwirkung ab und nehmen bei ultra-tiefen Temperaturen eine kristalline Struktur an (Abb. a-b).
Werden die Falleneigenschaften schneller verändert, als Information sich aufgrund der Schallgeschwindigkeit ausbreiten kann, können einzelne Bereiche im Kristall nicht miteinander „kommunizieren“ und topologische Defekte können entstehen (Abb. c-d). Die spontane Umorientierung des Kristalls folgt dabei denselben Regeln, die das frühe Universum nach dem Urknall beschreiben. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Defekten wurde als Funktion der Änderungsrate gemessen und mit den Vorhersagen der Kibble-Zurek-Theorie in verschiedenen Regimen verglichen.
Die Theorie entstand aus Tom Kibbles Ideen über topologische Defekte im jungen Universum: Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall fand dort ein Symmetriebruch statt, und das Universum musste sich „entscheiden“, welchen neuen Zustand es annimmt. Dort, wo einzelne Bereiche des Universums nicht miteinander kommunizieren konnten, könnten topologische Defekte entstanden sein, wie z. B. kosmologische Strings und Domänenwände. Die Kibble-Zurek- Theorie ermöglicht aber auch statistische Aussagen zur Entstehung von Defekten bei Phasenübergängen im Allgemeinen. Durch ihren universellen Charakter ist diese Theorie auf viele Bereiche der Physik anwendbar, wie z. B. die Betrachtung des Übergangs von Metallen zu Supraleitern oder den Übergang von ferro- zu paramagnetischen Systemen. Das demonstrierte neue System ermöglicht in Zukunft weiterführende Experimente zu Phasenübergängen in klassischen Systemen und in der Quantenwelt.